Washington/New York. Verteidiger des Ex-Präsidenten stellten früheren „Fixer“ als Serien-Lügner hin. Schluss-Plädoyers vielleicht schon nächste Woche.

Wenn der Schweigegeld-Prozess um Ex-US-Präsident Donald Trump und den Porno-Star Stormy Daniels rund um den langen Memorial Day-Feiertag Ende Mai auf die Zielgerade einbiegt, stehen die zwölf Geschworenen vor einer fast schon philosophischen Frage: Kann ein notorischer Lügner manchmal auch die Wahrheit sagen?

Kann ein notorischer Lügner manchmal auch die Wahrheit sagen?

Dieser gerichtsaktenkundige Lügner ist Trumps Ex-Privatanwalt Michael Cohen, die absolute Schlüsselfigur bei der Überweisung von 130.000 Dollar an die Erotikdarstellerin, der damit das Schweigen über einen außerehelichen Quickie mit Trump im Jahr 2006 versüßt werden sollte. Er wurde am Donnerstag als vorläufig letzter Zeuge von der Verteidigung rhetorisch gevierteilt.

Trumps Chef-Verteidiger Todd Blanche trug das gesamte Sündenregister des Kronzeugen Michael Cohen hervor, um dessen Glaubwürdigkeit zu schreddern.
Trumps Chef-Verteidiger Todd Blanche trug das gesamte Sündenregister des Kronzeugen Michael Cohen hervor, um dessen Glaubwürdigkeit zu schreddern. © AFP | Jeenah Moon

Um den Juroren den Eindruck einzuimpfen, dass man Cohen bezüglich der durch Schecks, Text-Mitteilungen und Gesprächsmitschnitte beglaubigten Führungsrolle Trumps bei der illegalen Abwicklung der „hush money“-Transaktion an Daniels nicht trauen könne, ging Chef-Verteidiger Todd Blanche in die Dauer-Offensive. Er las quasi das gesamte Sündenregister Cohens ab. Der hatte in der Vergangenheit Bundesrichter wie den Kongress in Washington hinter die Fichte geführt. Nicht ein Mal, mehrfach. Und das unter Eid.

Verfängt Blanches „Folter“, könnte Trump bei der Urteilsfindung heil davonkommen. Glauben die Geschworenen der bis in die kleinste Verästelung geschilderten Sex-Vertuschungsaktion, mit der Trump verhindern wollte, die Präsidentschaftswahl 2016 zu verlieren, würde zum ersten Mal in der Geschichte der USA ein ehemaliger Präsident strafrechtlich verurteilt – Haft im Hausarrest nicht ausgeschlossen.

Michael Cohen erlebte den brutalsten Prozesstag. Die Verteidigung demonstrierte, wie oft Trumps Ex-Vertrauter in der Vergangenheit gelogen hat.
Michael Cohen erlebte den brutalsten Prozesstag. Die Verteidigung demonstrierte, wie oft Trumps Ex-Vertrauter in der Vergangenheit gelogen hat. © Getty Images via AFP | SPENCER PLATT

Todd Blanche zog alle Register, um das zu verhindern. Er spielte Podcast-Sequenzen jüngeren Datums vor, in denen Cohen Trump an den Hals wünscht, im Gefängnis zu „verrotten“. Er ließ langatmig Revue passieren, dass Cohen im Zusammenhang mit der Schweigegeld-Zahlung 2018 selbst bereits wegen Falschaussage im Gefängnis gesessen hat. Er presste aus dem blass-bleichen New Yorker heraus, dass er – Motiv: verletzte Eitelkeit? – 2017 gerne Trumps Stabschef im Weißen Haus geworden wäre; aber einfach übergangen wurde. Kurzum, so die Botschaft von Blanche: Wer Cohen glaubt, der glaubt auch an den Weihnachtsmann.

Wenn alles gesackt ist übers Wochenende – am Freitag ist prozessfrei, damit Trump die Schulabschlussfeier seines Sohnes Barron (18) in Florida besuchen kann –, stehen in der nächsten Woche die Plädoyers von Anklägern und Verteidigern an. Danach wird Richter Juan Merchan der Jury detaillierte Instruktionen geben, was sie zur Urteilsfindung heranziehen dürfen und was nicht.

Beratungen der Geschworenen könnten Tage dauern

Im Anschluss beginnen hinter verschlossenen Türen die internen Beratungen der Jury, die aufgrund der Dokumentenfülle nach Ansicht von Rechtsexperten mehrere Tage in Anspruch nehmen könnten. Für eine Verurteilung muss Einstimmigkeit vorliegen. Schert nur einer der Geschworenen aus, darunter sind zwei Rechtsanwälte, wird das Verfahren eingestellt. Spätestens in den ersten Juni-Tagen wird mit einer Entscheidung gerechnet.

Republikanischer Beistand für Donald Trump: Wieder fanden etliche Trump-loyale Kongress-Abgeordnete den Weg nach New York, um den Prozess herabzuwürdigen.
Republikanischer Beistand für Donald Trump: Wieder fanden etliche Trump-loyale Kongress-Abgeordnete den Weg nach New York, um den Prozess herabzuwürdigen. © Getty Images via AFP | Michael M. Santiago

Dann wieder dabei: Republikanische Top-Politiker, die regelmäßig nach New York reisen, um die Moral Trumps, der sich als Opfer demokratischer Gesinnungsjustiz stilisiert, durch schiere Anwesenheit zu heben. Inzwischen kann man getrost von einer Wallfahrt sprechen.

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Mit Matt Gaetz (Florida) und Lauren Boebert (Colorado) führten am Donnerstag zwei der schrillsten Trump-Fans im amerikanischen Parlament die informelle zwölfköpfige Delegation an. Während der Mittagspause zogen sie draußen vor den Kameras über den Prozess her. Er sei von den Demokraten eingestielt worden sei, um Trump vor der Wahl im November zu fällen. Wegen ihrer Abwesenheit wurden in Washington Abstimmungen vertagt.