Hamburg. Vorbeugung, Behandlung, Heilung: Ernährungs-Doc Riedl klärt auf. Warum immer mehr Kinder von der Zuckerkrankheit betroffen sind.

Die Fakten sind ernüchternd: „Die offiziellen Zahlen bei Diabetes liegen bei ungefähr sieben Prozent, aber das ist nur die halbe Wahrheit. Wir haben dann noch eine Dunkelziffer – die liegt wahrscheinlich bei ein bis zwei Prozent“, sagt der Ernährungsmediziner Dr. Matthias Riedl.

Regional sei die Krankheit zudem sehr unterschiedlich verbreitet. In Starnberg in Bayern seien es um die sechs Prozent, in Hamburg acht Prozent, in Sachsen und Thüringen bis zu 15 Prozent. Bei den älteren Jahrgängen ab 60 habe sogar fast jeder vierte Diabetes.

Diabetes: Ernährungs-Doc Matthias Riedl erklärt, wie man Chance auf Heilung erhöht

Zählt man noch die Vorstufe Prädiabetes dazu, dann habe etwa jeder dritte ältere Deutsche ein Problem mit dem Zuckerhaushalt. Und trotzdem gibt der aus dem Fernsehen bekannte Ernährungs-Doc Betroffenen im Podcast „Dr. Matthias Riedl. So geht gesunde Ernährung“ auch Hoffnung. „Die gute Nachricht ist, Typ-2-Diabetes ist tatsächlich reversibel.“ Erstmals ist das Gespräch auch als Videopodcast auf YouTube zu sehen.

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Was Riedl besonders Sorgen macht, ist die starke Zunahme der Stoffwechselstörung bei Kindern. „Bei Typ-2-Diabetes haben wir fünf Prozent Wachstum pro Jahr. Und sogar die Autoimmunerkrankung Diabetes Typ 1, die wir bei Kindern schon lange kennen, wächst mit etwas mehr als zwei Prozent.“

Diabetes: Problematisch – ungesunde Ernährung und wenig Bewegung

Die Gründe dafür lägen vielfach in der Lebensweise: ungesunde Ernährung und ein Mangel an Bewegung. „Wir sehen, dass 15 Prozent der Jugend übergewichtig sind. Diese Übergewichtigen haben ein gigantisch hohes Risiko, auch Diabetes zu bekommen. Das ist die schlechte Nachricht“, so Riedl.

Es gebe aber auch eine positive Nachricht – bei den älteren Jahrgängen sei die Diabetes-Wachstumsrate eingefroren. Möglicherweise deshalb, weil sie sich in diesem Abschnitt ihres Leben mehr mit dessen Endlichkeit befassten und mehr auf sich achteten, mutmaßt Riedl.

Es gibt beim Diabetes zwei unterschiedliche Typen

Die beiden Diabetes-Typen unterscheiden sich folgendermaßen: „Diabetes Typ 1 entsteht dadurch, dass der Körper die insulinproduzierenden Zellen in der Bauspeicheldrüse attackiert. Die gehen mit der Zeit ganz langsam kaputt, weil unser Immunsystem sie kaputt macht. Und dann ist man für ewig – derzeit ist das noch so – insulinabhängig“, sagt der Ernährungs-Doc. Diese Erkrankung trete meistens in jüngeren Jahren auf, tauche inzwischen aber auch bei Älteren auf.

Typ-2-Diabetes sei in den allermeisten Fällen eine Überforderung der Insulinproduktion. Die Ursachen liegen laut Riedl eher in der Leberverfettung – und diese führe dann zu einer Überforderung der Bauchspeicheldrüse, die auch verfettet. Während die Leber sich zwei- bis dreifach vergrößern könne, reichten bei der Bauspeicheldrüse schon ein, zwei, drei Prozent Fett aus, um die Tätigkeit erheblich zu stören. Das sei die schlechte Nachricht.

Typ-2-Diabetiker können ihre Krankheit bekämpfen

Die gute Nachricht: „Das ist reversibel. Typ-1-Diabetes ist nach derzeitigem Stand nicht reversibel. Aber Typ-2-Diabetes ist tatsächlich reversibel. Das machen wir bei uns im Medicum Hamburg schon seit 20 Jahren, dass wir die Leute wieder wegbekommen vom Diabetes“, sagt der Ärztliche Direktor des Facharztzentrums für Diabetologie, Ernährungsmedizin und angrenzende Fachgebiete.

Inzwischen hätten auch die Fachgesellschaften unter dem Druck der Studienlage anerkannt, dass eine Remission möglich sei. „Übersetzt heißt das: Es ist eine Heilung. Ob sie temporär ist oder endgültig, das wird man dann sehen. Aber ich glaube, jeder freut sich, wenn der Diabetes weg ist, die Werte normal sind, der Körper keinen Schaden nimmt, er kein Insulin spritzen, keine Tabletten nehmen muss, keine Unterzuckerung bekommen kann.“

Viele Kinder und Jugendliche essen zu viele Fertigprodukte

Dass schon so viele junge Menschen an Diabetes erkranken, liege daran, dass sich die Jugend mindestens zur Hälfte von hoch verarbeiteten Produkten ernähre, die sehr viel Zucker und Fruchtzucker enthielten. „Die amerikanischen Jugendlichen sind noch ein bisschen weiter als wir. Die ernähren sich zu 75 Prozent von hoch verarbeiteten Produkten“, sagt Riedl.

Fruchtzucker sei von der Industrie in den vergangenen letzten Jahrzehnten immer stärker eingesetzt worden. Die Belastung der Bauchspeicheldrüse führe dann zu Leberverfettung. Und der hohe Konsum von Fruchtzucker führe dazu, dass oft schon Kinder eine Fettleber bekämen.

Je früher Diabetes auftritt, umso gravierender sind Folgeschäden

Je früher Typ-2-Diabetes bei Kindern auftritt, desto gravierender seien die Folgeschäden, wenn sie erwachsen seien, sagt der Experte. „Mit anderen Worten: Wenn der Papa mit 40 Diabetes bekommen hat und mit 60, 70 den Herzinfarkt und seine Folgeschäden bekommt, so wird das Kind mit Typ-2-Diabetes diese Folgeschäden schon 20 Jahre eher bekommen.

Deshalb unterstütze er ein Verbot von Kinderwerbung für ungesunde Lebensmittel und appelliere an die Hersteller, ihre Rezepturen zu verändern und den Zuckergehalt zu reduzieren, wie es Großbritannien gemacht habe. Dort wurde eine Zuckersteuer eingeführt.

Kranke Eltern erhöhen das Risiko für ihre Kinder

Wenn Vater und Mutter Typ-2-Diabetiker sind, liege auch für ihre Kinder die Wahrscheinlichkeit, an Diabetes zu erkranken, deutlich über 50 Prozent. „Aber wenn man sich richtig ernährt und Sport macht, dann bricht das gar nicht durch.“ Wer aber in einem Haushalt zur Welt komme, in dem sehr viel Fast Food gegessen werde, bei dem seien die Weichen gestellt.

Wenn Süßigkeiten nicht begrenzt und Limonaden ständig verfügbar seien und sehr viel rotes Fleisch auf den Tisch komme, steige das Diabetes-Risiko. „Gemüse wirkt genauso wie Nüsse und Hülsenfrüchte eher antidiabetisch – die sind auf der positiven Seite.“

Diabetes: Beim Blutzucker gelten folgende Werte

Beim Blutzucker gibt es folgende Grenzwerte: Einer ist der Nüchternzucker: „Blutzucker ist bis 90 Milligramm pro Deziliter ungefähr normal – und wenn man 100 erreicht, dann ist das schon auffällig“, sagt Riedl. Der andere Wert ist der Langzeitzuckerwert (HbA1c): „Man kann davon ausgehen, dass wir ab 5,9 oder 6 schon im diabetischen Bereich liegen.“

Man solle seine Zuckerwerte bei der Gesundheitsuntersuchung, die man alle drei Jahre als Erwachsener machen kann, unbedingt checken lassen, sagt Riedl. Anfangs mache ein erhöhter Zuckerwert keine Symptome. Und das sei tückisch. „Leider sind die Frühsymptome sehr, sehr schwach, sodass man einfach nur empfehlen kann: Lasst eurer Nüchternblutzucker mal messen – gerade wenn ihr übergewichtig seid und aus einer Familie mit Belastung kommt.“

Auch schlanke Menschen können an Diabetes erkranken

Aber auch schlanke Menschen seien nicht vor Diabetes gefeit. Diese könnten zwar nicht durch Abnehmen ihre Situation verbessern, aber durch die Qualität der Nahrungsmittel. „Das ist die zweite Säule. Und die dritte Säule ist Sport.“

Antidiabetische Lebensmittel seien immens wichtig. Gemüse sei aus drei Gründen besonders wirksam: „Erstens wegen der Ballaststoffe. Zweitens, weil in Gemüse wenig Kohlenhydrate enthalten sind und diese auch noch so komplex verpackt sind, dass wir die erst noch verdauen müssen. Es kommt also zu einem langsamen Blutzuckeranstieg. Und drittens enthält Gemüse sekundäre Pflanzenstoffe – und die haben eine direkt antidiabetische Wirkung.“

Wichtig bei Diabetes: Gemüse, Nüsse, Ballaststoffe

Weil das Gemüse aber auch nicht ausreichend Ballaststoffe enthalte, brauche es dazu noch Nüsse, Kerne und Samen – zum Beispiel in Vollkornbrot. „Keine Angst vor Brot bei Diabetes“, sagt der Ernährungsmediziner, der seit über 30 Jahren als Diabetologe arbeitet. „Die Ballaststoffe darin und der langsamere Blutzuckeranstieg, die sind gut.“

Was Diabetiker dagegen unbedingt meiden sollten, seien Fertigprodukte, weil sie viel Fruchtzucker enthalten. Und der wandere eben direkt in die Leber und führe zur Leberverfettung.

Finger weg von Süßstoffen – sie fördern Diabetes

Rotes Fleisch solle man grundsätzlich nur selten essen, wenn Fleisch, dann eher helles wie Geflügel. Eier und Milchprodukte seien im neutralen Bereich. Und Finger weg von Süßstoffen, sagt Riedl, diese förderten Diabetes.

Beim Obst ist ebenfalls Zurückhaltung angesagt. Riedls Tipps: Zuckerarme Beeren könne man täglich essen – der positive Effekt der sekundären Pflanzenstoffe überwiege gegenüber der kleinen Zuckermenge. Bei anderem Obst sollte man vorsichtiger sein. Wenn jemand nur Gemüse esse, sei er damit völlig zufrieden. „Weil wir nicht unbedingt Obst brauchen, aber dringend das Gemüse.“

Ernährungs-Doc: Ernährungsberatung bei Diabetes machen

Nach einer Diabetesdiagnose sollte immer eine Ernährungsberatung kommen, rät Riedl. „Das Bestreben sollte immer sein, nicht in erster Linie Insulin einzusetzen. Man müsste vorrangig diese neue Substanzen, diese Abnehmspritzen für Diabetiker, einsetzen, mit denen man das Gewicht und den Blutzucker reduzieren kann – ergänzt mit einer Ernährungstherapie. Dann hat man die besten Chancen auf eine Heilung.“

Bohnenpizza mit Spinat und Mozzarella

Für 2 Personen: 20 Min. Zubereitung, 30 Min. backen. Nährwert pro Portion: ca. 580 kcal | 30 g EW | 27 g F | 53 g KH

Bohnenpizza aus Dr. Matthias Riedls Buch „Heilen Sie Ihren Diabetes“.
Bohnenpizza aus Dr. Matthias Riedls Buch „Heilen Sie Ihren Diabetes“. © Gräfe und Unzer / Monika Schürle und Maria Grossmann | Gräfe und Unzer / Monika Schürle und Maria Grossmann

Zutaten: 200 g weiße Bohnen (aus dem Glas), 100 g Vollkorn-Dinkelmehl, 2 EL Olivenöl, Salz, 150 g braune Champignons, 1 kleine rote Zwiebel, 1 Knoblauchzehe, 10 grüne Oliven (entsteint), 1 Kugel Mozzarella (ca. 125 g), 200 g passierte Tomaten (aus dem Glas), 2 TL getr. Oregano, 75 g Baby-Blattspinat, Pfeffer.

Zubereitung:

1. Den Backofen auf 180° vorheizen. Ein Backblech mit Backpapier belegen. Die Bohnen in einem Sieb abbrausen und kurz abtropfen lassen, danach in einer Rührschüssel mit dem Pürierstab fein pürieren. Mehl, Öl und etwas Salz dazugeben und alles mit den Knethaken des Handrührgeräts kompakt verkneten. Anschließend den Teig noch kurz mit den Händen kneten und, falls nötig, noch etwas Wasser hinzufügen.

2. Den Teig auf dem Blech mit dem Nudelholz dünn zu einem Kreis (ca. 30 cm Durchmesser) ausrollen und im Ofen (Mitte) ca. 10 Min. vorbacken. Herausnehmen und auf einem Kuchengitter beiseitestellen.

3. Währenddessen die Pilze putzen, bei Bedarf mit einem Tuch abreiben und in dünne Scheiben schneiden. Die Zwiebel schälen, halbieren und in feine Streifen schneiden. Den Knoblauch schälen und fein hacken. Die Oliven halbieren. Den Mozzarella vorsichtig etwas ausdrücken und in dünne Scheiben schneiden.

4. Den Pizzaboden mit den passierten Tomaten bestreichen und mit Oregano bestreuen. Dann mit Pilzen, Zwiebel, Knoblauch, Oliven und Mozzarella belegen, nach Belieben mit Salz und Pfeffer würzen. Die Pizza im Ofen (Mitte) in ca. 20 Min. fertig backen.

5. Inzwischen den Spinat verlesen, waschen und trocken schleudern. Die Pizza aus dem Ofen nehmen und in vier Stücke schneiden. Zum Servieren auf jeden Teller zwei Stücke legen und mit dem Spinat belegen.

„Heilen Sie Ihren Diabetes“ von Dr. Matthias Riedl, 26 Euro.
„Heilen Sie Ihren Diabetes“ von Dr. Matthias Riedl, 26 Euro. © Gräfe und Unzer | Gräfe und Unzer