Hamburg. Wie stark Bildungschancen in Hamburg vom sozialen Hintergrund abhängen und warum das die Debatte über Primarschule neu entfachen kann.

Es ist die entscheidende Herausforderung für das Bildungswesen: Der Schulerfolg hängt in Hamburg stark vom sozialen Hintergrund des Elternhauses ab. So liegt die Wahrscheinlichkeit, dass Kinder von Eltern ohne Abitur und mit einem Haushaltseinkommen von unter 5000 Euro netto ein Gymnasium besuchen, bei 47,1 Prozent, wie aus einer am Montag veröffentlichten Untersuchung des Münchner Ifo-Instituts hervorgeht. Laut Untersuchung besuchen in der Hansestadt 30,1 Prozent der Kinder aus bildungs- und einkommensschwächeren Haushalten ein Gymnasium. Unter den Kindern von besser gebildeten und wohlhabenderen Eltern sind es 63,9 Prozent.

Damit liegt Hamburg zwar besser als der Schnitt deutscher Bundesländer. Doch die Studie hat weitere interessante Zusammenhänge aufgedeckt – und könnte auch die Diskussion um die Einführung einer Primarschule neu entfachen. Während die Wahrscheinlichkeit, dass Kinder von Eltern ohne Abitur und mit weniger als 5000 Euro Haushaltseinkommen ein Gymnasium besuchen, in Hamburg bei 47,1 Prozent liegt, sind es bundesweit 44,6 Prozent.

Das schlechteste relative Chancenverhältnis weist die Studie mit 38,1 Prozent für Bayern aus, das beste mit 53,8 Prozent für Berlin, gefolgt von Brandenburg (52,8 Prozent). Der Gymnasialbesuch geht also oftmals mit der Ausbildung und dem Gehalt der Eltern einher. Chancengerechtigkeit geht anders, selbst wenn zu berücksichtigen ist, dass in Hamburg auch die Stadtteilschulen zum Abitur führen können.

Schule Hamburg: So ungleich sind die Bildungschancen verteilt

Bundesweit steht Hamburg in Sachen Bildungschancen auf Rang sechs unter den 16 Bundesländern. Positiv weisen die Autoren der Studie auf das Hamburger Sprachförderkonzept hin, das als erfolgreiches Beispiel gilt. Denn: Gerade für Kinder aus benachteiligten Familien mit Migrationshintergrund stelle der Spracherwerb häufig eine grundlegende Herausforderung dar, die sich auch auf die Bildungschancen auswirke.

„Das große Ausmaß der Ungleichheit der Bildungschancen ist zum Glück nicht unumstößlich. Politische Maßnahmen könnten Kinder aus benachteiligten Verhältnissen gezielt fördern, am besten schon im frühkindlichen Alter“, sagt Florian Schoner, Mitautor der Studie. Wichtige Ansatzpunkte seien eine gezielte Unterstützung von Eltern und Schulen in herausfordernden Lagen, eine datenbasierte Sprachförderung sowie Mentoringprogramme. Schließlich könnte auch eine spätere schulische Aufteilung etwas an der ungleichen Chancenverteilung ändern. „Interessanterweise sind Berlin und Brandenburg die einzigen Länder, in denen die Kinder erst ab der 7. Klasse auf das Gymnasium wechseln“, fügt Ludger Wößmann, Leiter des Ifo-Zentrums für Bildungsökonomik, an.

Studie zeigt: Länder mit Primarschule bis Klasse sechs am erfolgreichsten

Berlin und Brandenburg stehen bei der Chancengerechtigkeit im Vergleich am besten da. Um die Einführung einer sechsjährigen Primarschule war in Hamburg vor rund 15 Jahren hart gerungen worden. Der damalige schwarz-grüne Senat wollte das Schulsystem entsprechend umbauen, was die Mehrheit der Hamburger bei einem Volksentscheid im Sommer 2010 aber ablehnte.

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Hingegen hängen die Unterschiede bei den Bildungschancen zwischen den Bundesländern der Studie zufolge nicht damit zusammen, dass manche Bundesländer einen höheren Anteil an benachteiligten Kindern haben als andere. „Beispielsweise haben die beiden Bundesländer mit dem niedrigsten und höchsten Wert des Chancenverhältnisses – Bayern und Berlin – einen relativ ähnlichen Anteil an Kindern mit niedrigerem Hintergrund (51,6 % vs. 48,5 %). Auch wenn man die beiden Komponenten elterliches Bildungsniveau und Haushaltseinkommen einzeln betrachtet, ergibt sich kein signifikanter Zusammenhang mit dem Chancenverhältnis“, heißt es in der Studie.

„Gleiches gilt für den Anteil der Kinder in einem Bundesland, die einen Migrationshintergrund aufweisen: Dieser Anteil hat keinen systematischen Zusammenhang mit dem Chancenverhältnis. Die Chancengerechtigkeit hängt also nicht davon ab, wie hoch der Migrationsanteil in einem Bundesland ist.“

Hamburger Sprachförderkonzept als Erfolgsrezept

Im Hamburger Sprachförderkonzept sehen die Autoren einen Grund für den relativen Erfolg. Dabei geht es um die verpflichtende Vorstellung der Kinder im Alter von viereinhalb Jahren, die bei festgestellten Schwächen in gezielte Sprachförderung bis zur Einschulung mündet, die regelmäßig erhobenen Leistungsstände in Lesen, Schreiben und Sprachentwicklung der Schülerinnen und Schüler sowie ein tägliches Lesetraining.

Das Hamburger Sprachförderkonzept wurde zum Schuljahr 2005/06 eingeführt. „Seitdem haben sich die Bildungsergebnisse in Hamburg in den IQB-Bildungstrends deutlich gegen den deutschen Trend verbessert, sodass Hamburg nun in vielen Bereichen in der oberen Gruppe der Bundesländer liegt“, schreiben die Autoren der Studie.

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