Berlin. Sein erster Besuch nach der Vereidigung führt Putin zu Xi. Die Staatschefs zelebrieren Freundschaft und Harmonie – mit einem Ziel.

Mira Carstensen

Natürlich hat Xi Jinping seinem „alten Freund“ Wladimir Putin den roten Teppich ausgerollt. Während die Soldaten im Gleichschritt marschierten, die Blaskapelle trommelte und eine Gruppe an Kindern euphorisch jubelte, schritten die zwei Staatschefs am Donnerstagmorgen in die Große Halle des Volkes. Der Empfang in Pekings Regierungsviertel war an diplomatischem Brimborium kaum zu überbieten.

Dass Wladimir Putin beim ersten Auslandsbesuch in seiner neuen Amtszeit wirtschaftliche Deals ergattern wollte, lag auf der Hand. Schließlich braucht Russland den Handel mit der chinesischen Volkswirtschaft, um die westlichen Sanktionen austarieren zu können. Ein knappes Dutzend an Dokumenten haben beide Seiten während einer festlichen Zeremonie unterschrieben – von Infrastruktur über Informationsaustausch bis hin zum Energiesektor. Begleitet wurde der Signatur-Marathon von einer Presse-Stellungnahme, die einer einzigen Lobhudelei glich. Sowohl Xi als auch Putin gaben an, die Zusammenarbeit zwischen den zwei Staaten weiter ausbauen zu wollen.

Dass es dem russischen Präsidenten jedoch nicht nur um wirtschaftliche Profite ging, daraus machte er von Beginn an keinen Hehl: Sowohl der alte als auch neue Verteidigungsminister Russlands saßen mit Putin am Tisch, sein ehemaliger Verteidigungsminister Sergej Schoigu sogar direkt an seiner Seite.

Xi und Putin präsentieren sich als Garanten des Friedens

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    Zudem dürfte allein schon die Agenda des Staatsbesuchs in Brüssel und Washington alle Alarmglocken aufschrillen lassen. So wird Putin am Freitag im Norden Chinas das „Harbin Institute of Technology“ (HIT) besuchen. Mathieu Duchâtel, Analyst beim französischen Institut Montaigne, bezeichnet dies als „bedeutsame Entscheidung“, die zwei Dinge aussagen würde: einerseits, dass China und Russland sich gegen US-Sanktionen solidarisieren würden. Und andererseits, dass China seine Verteidigungstechnologie verstärkt der russischen Rüstungsindustrie zugänglich machen würde. Denn tatsächlich zählt das HIT zu jenen Universitäten, die starke Beziehungen zum chinesischen Militär unterhalten. Laut der australischen Denkfabrik ASPI gibt das HIT fast die Hälfte seines Forschungsbudgets für den Verteidigungsbereich aus.

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    Dass China den russischen Präsidenten derart hofiert, hat nicht nur mit dem florierenden Wirtschaftshandel zu tun. Natürlich profitiert Peking immens von den günstigen Öllieferungen zu Rabattpreisen. Doch Xi Jinping geht es um mehr: Putin ist als Partner hilfreich, um dem Westen einen Schlag zu versetzen. Gemeinsam wollen die zwei Atommächte die internationale Weltordnung unterminieren.

    Insbesondere zum jetzigen Zeitpunkt ist die chinesisch-russsiche Partnerschaft also eine offene Herausforderung für den politischen Westen. Man erinnere sich nur an die letzten Wochen: Sowohl Olaf Scholz als auch Emmanuel Macron haben den chinesischen Staatschef im persönlichen Gespräch darum ersucht, dass China seinen Export von „Dual Use“-Gütern nach Russland zurückfahren sollte – also jene Güter wie optische Sensoren und Drohnenteile, die Moskau für seine Rüstungsindustrie benötigt. Und nun wird Putin mit demonstrativem Willkommensgestus empfangen, während er gerade in der Ukraine seine nächste Großoffensive plant.

    Dass Europas Botschaft in Peking nicht ernst genommen wird, dürfte auch an der Uneinigkeit innerhalb der Europäischen Union liegen. Denn Xi weiß genau darum Bescheid, dass er die Interessen der einzelnen Staaten geschickt ausspielen kann, wenn er wirtschaftliche Lockerungen und bessere Marktzugänge in Aussicht stellt.

    Im Gleichschritt: Xi Jinping (r.), Staatschef von China, und der russische Präsident Wladimir Putin in Peking.
    Im Gleichschritt: Xi Jinping (r.), Staatschef von China, und der russische Präsident Wladimir Putin in Peking. © dpa | Sergei Bobylev

    Nur die Drohkulisse der USA scheint bislang Wirkung zu zeigen. Dass Chinas Exporte nach Russland zu Beginn des Jahres wieder zurückgegangen sind, hat mit dem Auftritt von US-Außenminister Anthony Blinken in Peking zu tun. Dieser hat deutlich gemacht, dass Chinas Unterstützung von Putins Kriegsmaschinerie Konsequenzen haben wird. Und natürlich haben die allermeisten chinesischen Firmen große Angst davor, ins Visier der US-Sanktionsbehörden zu geraten.

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    Immerhin wurde der Ukraine-Krieg zwischen Xi und Putin während der gemeinsamen Gesprächen prominent thematisiert, auch wenn beide Staatschefs in ihrem Duktus stets nur von einer „Krise“ sprachen. „Beide Seiten sehen eine politische Einigung als den richtigen Weg, um die Ukraine-Krise zu lösen“, sagte Xi Jinping. Was auf dem Papier gut klingt, dürfte jedoch in der Praxis wenig glaubhaft sein. Denn China unterstützt Verhandlungen de facto nur zu den Bedingungen Russlands. So hat Peking bislang die geplante Friedenskonferenz in der Schweiz nicht öffentlich unterstützt und bislang noch nicht einmal bestätigt, ob es eine Delegation entsenden wird. In diplomatischen Kreisen heißt es, dass man hochrangige Vertreter der Volksrepublik ausschließen könne.

    Putins Drohung mit Atomwaffen kam nicht zur Sprache

    Und bis heute beschuldigt China beim Konflikt in der Ukraine fast ausschließlich die Vereinigten Staaten, die „Öl ins Feuer“ gießen würden. Russland hingegen habe „legitime Sicherheitsinteressen“ und wurde bislang von Peking mit keiner einzigen Silbe kritisiert. Auch dass der russische Präsident erneut mit Nuklearwaffen droht, kam während des Staatsbesuchs nicht zur Sprache. Kritische Untertöne sollten also ganz offensichtlich nicht die chinesisch-russische Harmonie stören.