Pinneberg. Junge Judokämpferin des VfL Pinneberg erfährt, dass sie Diabetes hat. Wie ihr im Altonaer Kinderkrankenhaus geholfen werden konnte.

Seitdem sie fünf Jahre alt ist, betreibt Lilly Littau die japanische Kampf- und Selbstverteidigungssportart Judo. Die Hamburger Vizemeisterin trainiert zwei- bis dreimal pro Woche beim VfL Pinneberg. Doch zwischenzeitlich musste sie das Training für einige Wochen pausieren. Der Grund: Diabetes mellitus Typ 1. Mittlerweile gibt sie Entwarnung: „Mir geht es gut und ich kann wieder Judo betreiben wie zuvor.“

Vor gut 20 Monaten wäre es noch undenkbar gewesen, diese Worte von Lilly zu hören. Im Sommer 2022 kam die 14-Jährige ins Altonaer Kinderkrankenhaus. Schnell war klar: Lilly ist an Diabetes mellitus Typ 1 erkrankt.

Diabetes im Jugendalter: In Deutschland erkranken jährlich 29 von 100.000 Kindern

Damit ist sie nicht allein: Pro Jahr erkranken in Deutschland etwa 29 von 100.000 Kindern neu an dieser Diabetesvariante. Allein im Altonaer Kinderkrankenhaus und im Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) des Altonaer Kinderkrankenhauses werden jährlich rund 650 Patienten mit Diabetes mellitus Typ 1 behandelt.

Dr. Anna Gärtner ist im Altonaer Kinderkrankenhaus Lillys behandelnde Ärztin sowie Weiterbildungsassistentin Endokrinologie und Diabetologie.
Dr. Anna Gärtner ist im Altonaer Kinderkrankenhaus Lillys behandelnde Ärztin sowie Weiterbildungsassistentin Endokrinologie und Diabetologie. © Silke Fuchs/Altonaer KKH | Silke Fuchs

„Natürlich hat die Diagnose von Diabetes mellitus Typ 1 zunächst einmal eine massive Umstellung im Vergleich zum ,vorherigen Normal‘ zur Folge. Plötzlich ist alles anders. Das ist vor allem für Kinder und Jugendliche eine große Herausforderung. Wichtig ist dann, zu lernen, mit der neuen Situation umzugehen und zu merken, dass es ein Zurechtkommen im ,neuen Normal‘ gibt“, sagt Dr. Anna Gärtner, Lillys behandelnde Ärztin im Altonaer Kinderkrankenhaus sowie Weiterbildungsassistentin Endokrinologie und Diabetologie.

Notaufnahme: Ärzte stellen einen stark überhöhten Blutzuckerwert fest

Erhöhter Harndrang, großer Durst und Gewichtsverlust waren auch bei Lilly aufgetreten. Hinzu kamen leichte Übelkeit und Schlappheit. Gemeinsam mit ihrer Mutter fuhr Lilly darum ins Altonaer Kinderkrankenhaus. Dort wurde aufgrund der typischen Symptome direkt der Blutzucker bestimmt: Die behandelnden Ärztinnen stellten bei Lilly einen sehr hohen Blutzuckerwert weit über 200 mg/dl (Normwert: 70-140 mg/dl) fest.

„Ich habe mir viele Gedanken gemacht, wie es mit dem Judo-Training weitergehen wird. Werde ich, wenn es mir besser geht, wieder so oft wie vorher trainieren und an Wettkämpfen teilnehmen können?“, erinnert sich die 14-Jährige an die Zeit, als ihr Leben komplett umgekrempelt wurde. Die Sommerferien hindurch musste Lilly mit dem Judo-Training pausieren.

Diabetes bei Kindern: Lilly bleibt mit ihrer Mutter zwei Wochen in der Klinik

Um den Umgang mit der chronischen Erkrankung zu lernen, begab sich Lilly gemeinsam mit ihrer Mutter zwei Wochen lang in stationäre Behandlung. Ein interdisziplinäres Team, bestehend aus Ärztinnen, Diabetesberaterinnen, Pflegekräften, Ernährungsberaterinnen und psychosozialem Dienst, war rund um die Uhr für Lilly und ihre Mutter da.

„Ich habe mich in Altona von Anfang an gut aufgehoben und umsorgt gefühlt. Ich habe gelernt, was es heißt, mit meinem Diabetes den Alltag zu bewältigen“, berichtet Lilly. Dr. Anna Gärtner ergänzt: „Und das ist gar nicht so einfach; der Diabetes macht keine Pause. Lilly muss ihn in ihren Alltag integrieren.“

Therapie muss um den gewünschten Alltag herum organisiert werden

Für die Betroffenen und ihre Familien bedeutet dies einen hohen Organisationsaufwand. Wichtig ist, dass die Therapie um den gewünschten Alltag organisiert wird und nicht andersherum. Da es Lilly wichtig war, wieder trainieren zu können, wurde ein besonderer Fokus auf die Therapieanpassung bei energiereichen Tätigkeiten wie Sport gelegt. „Mittlerweile komme ich alle drei Monate zu Kontrolluntersuchungen nach Altona. Die Ärztinnen und anderen Mitarbeiterinnen haben immer ein offenes Ohr für mich“, sagt Lilly.

Was geschieht bei Lilly und anderen Menschen mit Diabetes mellitus Typ 1?

Lilly und andere Menschen mit Diabetes mellitus Typ 1 können zwar kohlenhydratreiche Mahlzeiten wie Spaghetti, Brot oder eine süße Nachspeise verdauen und als Blutzucker ins Blutgefäßsystem aufnehmen, – aber dann geht es nicht weiter.

Eigentlich soll der Zucker in alle Körperzellen weiter transportiert werden. Die Körperzellen nutzen Zucker als Energieträger; er ist der wichtigste Energieträger des Körpers.

Bei Menschen wie Lilly mit Diabetes mellitus Typ 1 fehlt Insulin. Insulin hat eine Schlüsselfunktion im menschlichen Körper, es öffnet bildlich gesprochen „Zuckertüren“ zwischen Blutgefäßen und Körperzellen. Fehlt dieser Schlüssel, bleiben die Türen geschlossen.

Als Folge dieser Blockade steigt das Blutzuckerniveau massiv an, auf der anderen Seite der „Zuckertüren“ gelangt der Zucker nicht in die Körperzellen. Fehlt den Körperzellen ihr Hauptenergielieferant, fühlen sich Menschen schlapp. So wie Lilly, als sie in die Notaufnahme kam.

Direkt nach der Aufnahme wurde Lilly das erste Mal Insulin gegeben, die Schlappheit verflüchtigte sich im Lauf der nächsten Tage, die Energie kehrte zurück.

Damit das so bleibt, muss sich Lilly künftig mindestens viermal am Tag Insulin geben. Zusätzlich muss der Blutzucker zur Therapieüberwachung gemessen oder auf einem Gewebezuckermesssensor abgelesen werden, mindestens vor und etwa zwei Stunden nach den Mahlzeiten.

Wurde zu viel oder zu wenig Insulin gegeben, muss angepasst werden: entweder noch mehr Insulin geben oder Kohlenhydrate essen.

„Aber nicht allen Kindern und Jugendlichen fällt es so anscheinend leicht, ihre Erkrankung in den Alltag zu integrieren. Daher versuchen wir nach Möglichkeit zu unterstützen“, hebt Dr. Gärtner hervor. Im Altonaer Kinderkrankenhaus gibt es für die Kinder und Jugendlichen mit Diabetes mellitus ein vielfältiges Schulungsangebot: Pumpenschulungen, Gruppenschulungen, Erlebnisschulungen (Segel- und Fußballschulung) und Ernährungsschulungen.

Umgang mit der Krankheit bedeutet auch das Kennenlernen von neuer Technik

Im Vordergrund steht immer, einen selbstbewussten Umgang mit dem Diabetes zu erlernen, sich auszutauschen und eine Selbstverständlichkeit in die Therapie zu bringen. Außerdem müssen neue technische Möglichkeiten der Insulinabgabe wie eine Insulinpumpentherapie mit automatisierter Insulinabgabe erlernt werden.

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Für die hohe Qualität in der Diabetesbehandlung hat das Diabeteszentrum für Kinder und Jugendliche am Altonaer Kinderkrankenhaus mit dem Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) das Siegel „Diabeteszentrum DDG“ von der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) erhalten.

Am Jahrestag ihrer Diagnose holt sich Lilly die Hamburger Vizemeisterschaft

Offenbar nicht ohne Grund: Exakt ein Jahr nach ihrer Diagnose wurde Lilly am 4. Juni 2023 Hamburger Vizemeisterin der U15. „Lilly ist eine Kämpferin. Als wir im Krankenhaus waren, meinte sie zu mir: ‚Mama, es gibt Schlimmeres. Ich schaffe das.‘ Es ist wirklich toll, wie Lilly mit ihrem Diabetes umgeht“, sagt Lillys Mutter mit einem stolzen und glücklichen Lächeln im Gesicht.

Das Altonaer Kinderkrankenhaus (AKK)

Gegründet 1859 verfügt das AKK heute über 221 stationäre Betten und 31 Plätze für teilstationäre Behandlungen.

In insgesamt 11 medizinischen Fachabteilungen werden pro Jahr rund 16.000 Patienten stationär sowie teilstationär und 45.000 Patienten ambulant behandelt.

Das AKK ist als Akademisches Lehrkrankenhaus der Universität Hamburg an der Ausbildung von Medizinstudenten beteiligt. Das AKK ist seit 2006 eine Tochtergesellschaft des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE).