Eine Glosse von Florian Heil

Ich gehöre zweifelsfrei zu den Menschen, die die Gabe besitzen, sich ständig in der falschen Schlange einzureihen. Vor allem im Supermarkt überlege ich fieberhaft, wie ich am schnellsten aus dem Laden rauskomme, und schaffe es doch immer wieder, mich an die Kasse zu stellen, deren Bediener garantiert kurz aufstehen muss, um Zigarettengitter aufzuschließen, im Büro Vorbestelltes zu suchen oder aus Bosheit eine rauchen geht, nur um mich zu quälen.

Dabei gibt es natürlich vorbeugende Maßnahmen. Die Schlange mit der alten Omi, die dem Kassenpersonal ihre Geldbörse hinhalten könnte mit dem Satz „Schauen Sie mal, ob ich es passend habe“ ist tunlichst zu vermeiden. Beim Sicherheitscheck auf dem Flughafen steht man prinzipiell besser hinter wieselflinken Ostasiaten als einer mitteleuropäischen Großfamilie, soll der Flug noch erreicht werden. Und auf zweispurigen Straßen an Ampeln sind Fahrer der Marken Jaguar und Daihatsu sowie Hutträger im Allgemeinen unbeliebte Vordermänner, möchte man die Kreuzung noch während der ersten Grünphase überqueren. Carsharing-Nutzer hingegen sind zu empfehlen, da diese nach Minuten abgerechnet werden und sich verschwendete Zeit sofort im Portemonnaie bemerkbar macht.

Auf der Suche nach mehr Gelassenheit las ich vor Kurzem in einem Buch von Liv Hambrett, einer Australierin, die lange in Deutschland lebte. Gleich vier ihrer 101 Beobachtungen über Deutsche beschäftigen sich mit dem Phänomen, dass meine Mitbürger in einer Schlange gestresst wirkten und keinen Small Talk hielten, was in Down Under wohl gang und gäbe sei. Das fehlte gerade noch, vollbepackt in einer derart angespannten Situation den verbalen Nonsens seiner Mitmenschen kommentieren zu müssen. Australien ist sicherlich ein reizvolles Reiseland, doch ab und an merkt man dann doch, wie schön es in der Heimat sein kann.