Rostende Schweißnähte, Löcher mit Klebeband abgedeckt, Hilfsarbeiter ohne Fachkenntnis – die Horrorgeschichte der strahlenden Atomruine Fukushima nimmt kein Ende.

Tokio. Als sich kürzlich Tausende von Kubikmetern radioaktiv verstrahlten Wassers aus undichten Tanks am havarierten Atomkraftwerk bei Fukushima ins Meer ergossen, war der Mechaniker Yoshitatsu Uechi nicht wirklich überrascht. Viel mehr fragte er sich, wann die Tanks wohl bersten würden, an denen er selbst mitgearbeitet hat.

Uechi ist eigentlich Automechaniker und Busfahrer. Er hatte keine besonderen einschlägigen Erfahrungen, als er im vergangenen Jahr für sechs Monate Teil eines Teams wurde, das hastig Tanks zusammenschweißte, um die rasch wachsende Menge von kontaminiertem Wasser an dem Kernkraftwerk aufzunehmen, in dem nach dem Erdbeben und dem Tsunami im März 2011 drei von vier Reaktoren durchschmolzen.

„Ich muss klar sagen, dass wir schludrig gearbeitet haben. Wahrscheinlich lecken die Tanks deshalb schon jetzt“, sagt der 48-Jährige. „Jedes Mal, wenn hier die Erde ein bisschen bebt, bricht mir der Schweiß aus“, sagt er.

Tanks befüllt, ehe sie fertig waren

Uechi berichtet davon, dass etwa der Rostschutz auf Nieten und Schweißnähten nicht wie vorgeschrieben unter trockenen Bedingungen aufgebracht wurde, sondern bei Regen und Schneefall. Manche Tanks seien befüllt worden, bevor sie fertig waren.

Teruaki Kobayashi von der Kraftwerksbetreibergesellschaft Tepco gibt zu, dass die Tanks in großer Eile gebaut wurden: „Wir hatten einen Notstand und mussten so viele Tanks wie möglich bauen. Deren Qualität ist entsprechend gering.“ Inzwischen scheint die Situation am Kraftwerk stabilisiert zu sein und die Ingenieure und Arbeiter können sich auf das konzentrieren, was sie seit zwei Jahren versuchen: Die Ruine in geordneten Bahnen stillzulegen. Bisher erinnerte die Arbeit an den Reaktorblöcken einer sysiphotischen Maulwurfsjagd, wie es der Industrieminister Toshimitsu Motegi einmal beschrieb: Immer, wenn man ein Problem gelöst hatte, sei woanders ein neues aufgetaucht.

Derzeit stehen auf dem Gelände des Kraftwerks etwa 1000 Tanks mit rund 370.000 Kubikmetern hoch kontaminierten Wassers. Etwa ein Drittel davon sind Leichtbau-Container mit Gummidichtungen, die von Bolzen zusammengehalten werden. Sie waren von vornherein nur als Provisorium gedacht. Die anderen zwei Drittel sind robuster gebaut. Derzeit konzentriert sich Tepco darauf, die Tanks mit den Gummidichtungen zu ersetzen und die Gesamtkapazität des Wasserlagers auf 800.000 Kubikmeter zu erhöhen. Das soll bis März 2016 fertig sein.

Am Freitag gab die Firma dieses Ziel bekannt; ihr Chef Naomi Hirose sagte: „Das schlimmste Szenario wäre, wenn wir keine Lagerkapazität mehr hätten.“ Auch die Wartung der bestehenden Tanks sei jetzt im Fokus der Bemühungen. Im August schaute die Welt auf Fukushima, als sich ein Drittel des Inhalts eines 1000-Kubikmeter-Tanks in den Pazifik ergoss. Einen Monat zuvor musste Tepco zugeben, dass auch größere Mengen kontaminierten Grundwassers ins Meer geflossen seien.

Kaum jemand im Werk, der sich wirklich auskennt

Die Aufmerksamkeit für ein drängendes Problem ist da: „Wir sollten davon ausgehen, dass die Tanks früher oder später undicht werden“, sagt der Atomkraftwerksexperte Toyoshi Fuketa.

Das Problem werde noch ein paar Jahre weiter bestehen, denn derzeit wird noch Wasser benötigt, um die geschmolzenen Kerne der zerstörten Reaktoren zu kühlen. Es wird wohl noch Jahre dauern, bis ein luftgekühltes System installiert werden kann, das den sicheren Rückbau des Kraftwerks erlaubt.

Die Arbeit an den Tanks ist gefährlich und muss schnell erfolgen. Noch immer strahlt das Kühlwasser mit medizinisch bedenklicher Kraft, sodass an gründliches und sorgfältiges Arbeiten kaum zu denken ist. Erfahrene Experten haben mittlerweile eine so hohe Belastung auf ihren Dosimetern, dass sie nur noch kurz auf die Baustelle dürfen. Den Rest erledigen Leiharbeiter, deren Arbeitsqualität oft zweifelhaft ist.

Ein Mitarbeiter, der ungenannt bleiben möchte, ist seit der Kernschmelze bei den Aufräumungsarbeiten dabei. Er erzählt, dass kaum noch jemand im Werk arbeite, der sich wirklich auskenne. Fast alle seine Kollegen hätten die Strahlenhöchstdosis erreicht oder besser bezahlte Jobs angenommen.

Tellergroßes Loch mit Klebeband abgedeckt

Uechi, der gelernte Automechaniker, berichtet, dass er vor einem Jahr auf einen der etwa zehn Meter hohen Tanks geklettert sei, um einen provisorischen Schlauchanschluss zu ersetzen. Was er vorfand, war ein tellergroßes Loch, das lediglich mit Klebeband notdürftig abgedeckt war. Mit einem Fußtritt hätte man direkten Kontakt mit dem verstrahlten Wasser gehabt, sagt er.