Tokio. Die deutsche Botschaft in Nordkorea ist verwaist. Ändert sich das? Schließlich hat Deutschland in der Region eine besondere Bedeutung.

Wer die Website der deutschen Vertretung in Nordkorea besucht, stößt auf eine seltene Bekanntmachung. In fetter, weißer Schrift auf rotem Untergrund heißt es da: „Die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Pjöngjang ist derzeit geschlossen.“ Hält man seinen Cursor über diesen Schriftzug, sieht er aus, als würde beim Draufklicken etwas passieren, doch es geschieht: nichts. Die Website wirkt wie die ganze Institution, die sie vorstellen soll: verwaist.

Die staatlichen Aktivitäten Deutschlands in der Demokratischen Volksrepublik Korea – besser bekannt als Nordkorea – ruhen seit mittlerweile rund vier Jahren. Geschlossen wurde die Botschaft in Pjöngjang im März 2020, als das damals neuartige Coronavirus seine Kreise zog und Nordkorea mit radikaler Abschottung reagierte. Die Grenzen wurden geschlossen, Institutionen aus dem Ausland mussten das diktatorisch regierte Land, das auch keine Hilfen von außen annahm, verlassen.

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Die Reise einer deutschen Delegation nach Nordkorea war heikel

Nun aber deutet sich eine Wende an. Ende vergangener Woche erklärte Georg Schmidt, der deutsche Botschafter im mit Nordkorea verfeindeten Südkorea, in einem Interview mit Pressevertretern in Südkorea: „Ob, wann und in welcher Größe die Botschaft wiedereröffnet wird, ist eine politische Entscheidung, und die wird in Berlin getroffen.“ Schmidt fügte aber hinzu: „Ich glaube, in politisch schwierigen Zeiten ist es wichtig, die Kommunikationskanäle offenzuhalten.“

Schwierig sind die politischen Zeiten gerade allemal: Nordkorea hat sich zuletzt intensiv mit Staaten vernetzt, die dem Westen eher feindlich gegenüberstehen. So scheint Pjöngjang nicht nur Russland mit Waffenteilen zu beliefern und so Moskaus Krieg gegen die Ukraine zu unterstützen. Auch die Hamas profitiert in ihrem Krieg mit Israel wohl von nordkoreanischer Unterstützung. Ebenso kooperieren Iran und Nordkorea, laut Beobachtern betrifft dies den Bau einer Überschallrakete.

Im Februar reiste eine deutsche Delegation nach Pjöngjang, um sich den Zustand der Botschaft anzuschauen.
Im Februar reiste eine deutsche Delegation nach Pjöngjang, um sich den Zustand der Botschaft anzuschauen. © picture alliance/dpa/TASS | Yuri Smityuk

Georg Schmidt hat laut Medienberichten in Südkorea bestätigt, dass die deutsche Regierung immer wieder in Kontakt mit der nordkoreanischen Regierung stand. Im Februar reiste dann eine deutsche Delegation nach Pjöngjang, um sich über den Zustand des Botschaftsgebäudes in Kenntnis zu setzen. „Es handelt sich um eine rein technische Reise, um unsere Liegenschaft in Augenschein zu nehmen“, erklärte ein Sprecher des Außenministeriums damals wiederum Table.Media.

Unter den aktuellen Umständen war so eine Reise heikel. Die Spannung auf der koreanischen Halbinsel ist so hoch wie wohl seit Jahrzehnten nicht. Nord- und Südkorea verharren seit 1953 bis heute offiziell im Kriegszustand. Damals war der zuvor über drei Jahre wütende Koreakrieg nach Millionen von Todesopfern durch einen Waffenstillstand angehalten worden. Zuletzt ist Kriegsrhetorik wieder zum Umgangston geworden: Nordkoreas Diktator Kim Jong-un ließ ein Wiedervereinigungsdenkmal in der Hauptstadt abreißen und erklärte, man wolle keinen Krieg, aber werde ihn auch nicht vermeiden.

Nordkorea: Deutschlands besondere Bedeutung

Die regelmäßigen Raketentests aus Pjöngjang geben hier einen Geschmack. Aber auf der Südseite der Grenze wirkt man auch nicht nur deeskalierend. Südkoreas seit zwei Jahren regierender rechtspopulistischer Präsident Yoon Suk-yeol hat die Anzahl von Militärmanövern mit dem Sicherheitspartner USA sowie Japan erhöht. Gegenüber Kim Jong-un hat Yoon angekündigt, Südkorea werde auf jede Provokation aus dem Norden mit „mehrfach stärkeren“ Strafen reagieren.

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    Könnte Deutschland eine fruchtbare Rolle spielen und als Vermittler auftreten? John Everard, ehemaliger britischer Botschafter in Nordkorea, sieht die deutsche Inspektion im Februar jedenfalls als „echten Fortschritt“. Gegenüber der Nachrichtenseite „NK News“ sagte Everard: „Lange Zeit schien es, als würde die Demokratische Volksrepublik Korea jeden Schritt zur Wiedereröffnung westlicher Botschaften aufhalten. Das hat sich jetzt geändert.“

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    Die Überlegung Deutschlands, in Pjöngjang wieder ein Lager aufzuschlagen, könnte auch andere westliche Staaten zu ähnlichen Schritten bewegen. Selbst wenn die Beziehungen zwischen westlichen Staaten und Nordkorea allgemein schlecht sind, haben doch zahlreiche Länder bis zur Pandemie Vertretungen in Nordkorea geführt. Dazu gehörten Großbritannien, Schweden und Frankreich, die sich teilweise sogar die Räumlichkeiten in Pjöngjang geteilt haben.

    Nordkorea und Südkorea wollen offiziell die Wiedervereinigung

    Dabei kommt Deutschland unter den westlichen Staaten eine besondere Rolle zu, auch wegen der Geschichte nationaler Teilung. Kim Nu-ry, Professor für Deutsche Literatur an der Chung-Ang-Universität in Seoul und einer der in Südkorea führenden Experten für die deutsche Teilung, sagt: „Deutschland gilt immer wieder als Referenzwert für das geteilte Korea.“ Denn wenn es um die Frage gehe, wie man aus einer geteilten Nation eine wiedervereinte mache, gebe es kaum ein anderes Vorbild als das deutsche.

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    Und diese Sonderrolle hat Deutschland eben auf beiden Seiten der Grenze. Dies bestätigt Ji Seong-ho, Parlamentarier der konservativen People’s Power Party in Südkorea und einst Flüchtling aus Nordkorea. „Der deutsche Fall wird im Norden nie erwähnt“, sagt Ji zwar. „In Deutschland verschwand letztlich der kommunistisch regierte Staat von der Landkarte. Dieses Szenario gefällt dem Norden natürlich nicht.“

    Aber beide Staaten – Nord wie Süd – wollen offiziell die Wiedervereinigung, wenngleich sie sich darüber uneins seien, auf welche Weise dies geschehen solle. So ist auch in Südkorea die Hoffnung groß, dass Deutschland als neuerlicher Gesprächspartner Nordkoreas zumindest eine neue Ebene schaffen könnte, damit man in Korea wieder miteinander sprechen kann.

    Denn so unterschiedlich die Teilungsgeschichten in Deutschland und Korea – und so zufällig die deutsche Wiedervereinigung – auch sein mögen: Wären die politischen Akteure in Deutschlands Osten und Westen nie bereit gewesen, miteinander zu sprechen, wären sie womöglich bis heute nicht vereinigt.