Berlin. Die Disqualifikation ihres ESC-Acts hat die Niederlande hart getroffen. Was ist in Malmö hinter den Kulissen wirklich passiert?

Der ESC 2024 ist vorbei – doch in den Niederlanden hat man längst noch nicht damit abgeschlossen. Zu groß ist die Empörung über die Disqualifikation des eigenen Kandidaten Joost Klein. Der Skandal zog so weite Kreise, dass in niederländischen Fernsehen sogar Sondersendungen ausgestrahlt wurden. In manchen Medien ist gar von einer „nationalen Krise“ die Rede.

Derweil ist der, der die Aufregung mutmaßlich verursacht hat, von der Bildfläche verschwunden: Joost Klein ist am Sonntag nicht mit dem Rest der niederländischen Delegation in sein Heimatland zurückgekehrt. Noch sei unklar, wann Klein in die Niederlande reist, sagte eine Sprecherin des für den ESC verantwortlichen Senders AVROTROS. Lediglich in den sozialen Netzwerken sendete Klein ein Lebenszeichen – in Form eines blauen Herzes, dass er am Sonntagmittag in seinen Broadcast-Channel „Eurovision 2024“ bei Instagram postete.

Skandal um niederländischen Teilnehmer: Was ist beim ESC passiert?

Was genau am vergangenen Donnerstag nach dem zweiten Halbfinale des Eurovision Song Contests hinter den Kulissen passiert ist, ist weiterhin unklar. Zwar gibt es inzwischen Stellungnahmen – die Informationen weichen aber in wichtigen Punkten voneinander ab.

AVROTROS äußerte sich noch am Samstag – kurz vor dem ESC-Finale – zu dem „Vorfall“ und erklärte, man halte die Disqualifikation für „unverhältnismäßig“ und sei „schockiert über die Entscheidung“. Nach Darstellung des niederländischen TV-Senders sei Joost Klein „entgegen klar getroffener Vereinbarungen“ nach seinem Auftritt im Halbfinale hinter der Bühne gefilmt worden. Seine Bitte, das zu unterlassen, sei nicht respektiert worden. Weiter heißt es: „Dies führte zu einer bedrohlichen Bewegung von Joost in Richtung Kamera. Joost berührte die Kamerafrau nicht.“

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    Noel Curran, Generaldirektor der Europäischen Rundfunkunion EBU, die den ESC veranstaltet, betonte gegenüber dem schwedischen Radiosender „Sveriges Radio“ jedoch, die Kamerafrau erzähle eine „andere Geschichte“. Und auch die schwedische Zeitung „Aftonbladet“ berichtet anders von den Geschehnissen. Demnach habe Klein die Kamera einer jungen Fotografin beschädigt. Mehrere Zeugen hätten bestätigt, dass sich der „Europapa“-Sänger sehr aggressiv verhalten habe.

    Spekulationen um „Vorfall“ beim ESC: Warum eskalierte die Situation?

    Derweil kochen die Spekulationen hoch, was Klein zu seinem Verhalten bewegt haben könnte. So kursiert in den sozialen Netzwerken ein Video, angefertigt von Keren Peles, die den israelischen Beitrag zum ESC 2024 geschrieben hat, in dem der Sänger offensichtlich gegen seinen Willen gefilmt wurde. Peles scheint sich darüber sogar lustig zu machen, schreibt: „Der niederländische Vertreter mag uns nicht und bat darum, nicht gefilmt zu werden.“ In einem anderen Beitrag der Songwriterin heißt es mit Blick auf die Niederlande: „Kein Antisemit hat das Recht, neben uns zu singen oder zu atmen, und kommt uns nicht in die Nähe.“

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    Gerüchten zufolge könnte es Peles gewesen sein, die von Klein angegangen wurde. Das würde aber den bisher veröffentlichten Informationen widersprechen, wonach es sich bei der Betroffenen um eine Produktionsmitarbeiterin handeln soll. Peles hat ihren Account, auf dem laut „Stern“ auch andere ESC-Teilnehmer heimlich gefilmt und verspottet worden waren, mittlerweile privat gestellt.

    ESC 2024: Frostige Stimmung zwischen den Delegationen

    Fest steht: Das Verhältnis zwischen der israelischen und einigen anderen Delegationen war während des Eurovision Song Contests frostig. Vor dem Wettbewerb hatten mehrere Beteiligte die Teilnahme Israels wegen dessen Vorgehen im Gazastreifen kritisiert. Während des ESC ließen sie das israelische Team dann offenbar ihren Unmut spüren.

    So zog sich Joost Klein während einer Pressekonferenz demonstrativ die niederländische Flagge über den Kopf, als Eden Golan aus Israel sprach. Zuvor hatte er das Gespräch mehrfach durch Zwischenrufe gestört. Bambie Thug aus Irland beschwerte sich zudem offiziell bei der EBU, dass ihr Beitrag im israelischen Fernsehen als „der gruseligste“ des Abends bezeichnet worden war. An einer ähnlichen Äußerung über einen „Exorzismus auf der Bühne“ im deutschen Fernsehen störte sich Thug offenbar nicht.

    Bambie Thug aus Irland im ESC-Finale.
    Bambie Thug aus Irland im ESC-Finale. © DPA Images | Jens Büttner

    Kritik an israelischer Delegation: Verhärterte Fronten beim ESC

    Andererseits scheint auch die israelische Delegation provokativ auf das Verhalten einiger Delegationen reagiert zu haben. So zeigt ein Video, wie ein Journalist des israelischen Senders KAN ein Mitglied des niederländischen Teams kurz nach dem Ausschluss Kleins von der ersten Probe mit Fragen reizt. Er fragt, wo der Sänger denn bei der Probe gewesen sei. Ein Sicherheitsmitarbeiter schreitet daraufhin ein und fragt: „Können Sie bitte damit aufhören?“

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    Der spanische Sender RTVE forderte die EBU öffentlich dazu auf, die Pressefreiheit beim ESC zu gewährleisten, nachdem ein spanischer Journalist angeblich von der israelischen Delegation schikaniert worden war. In elf Jahren beim ESC, so der Mann, habe er sich noch nie so unsicher gefühlt. Joost Klein selbst soll Gerüchten zufolge von Israel provoziert worden sein, indem sich Mitglieder der Delegation abfällig über seinen Beitrag äußerten – in dem Lied geht es unter anderem um die früh verstorbenen Eltern des Sängers.

    Am Ende bleibt nach dem ESC 2024 ein fader Beigeschmack. Den Verantwortlichen ist es nicht gelungen, ihr großes Ziel umzusetzen und politische Themen vom Wettbewerb fernzuhalten. Bei einem Event, bei dem Menschen aus über 37 Nationen aufeinandertreffen, scheint das auch gar nicht möglich. Nun müssen die Geschehnisse aufgearbeitet werden. Der siegreiche Act Nemo betone nach dem Joost Klein, dass dieser „hin und wieder ein bisschen repariert werden“ müsse. Vielleicht ist es ja sogar mehr als nur ein bisschen.