Sievershütten. Die Salmiakrauten gibt es seit 75 Jahren. Wir haben die Manufaktur in Sievershütten besucht und ein paar erstaunliche Dinge gelernt.
- 1949 gründete Heinz Caspar im Hamburger Schanzenviertel die Firma Salmix.
- Die zog dann nach Farmsen und später nach Sievershütten im Kreis Segeberg um.
- Die genaue Salmix-Rezeptur wird genauso streng gehütet wie die Zauberformel von Coca-Cola.
Wer kennt sie nicht, die kleinen Salmis aus Sievershütten mit intensivem Lakritzgeschmack, die es hauptsächlich in Apotheken, aber auch online in Tüten oder Dosen zu kaufen gibt? Seit 1949 werden die Salmiakpastillen nun schon hergestellt, und sie sind auch 75 Jahren später immer noch so populär wie zur Gründerzeit der Firma Salmix. Doch was ist der Grund für die scheinbar unendliche Erfolgsstory? Wie werden die schwarzen Spitzrauten hergestellt? Und was macht sie so beliebt?
Rückblick. Die ersten Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg sind hart, geprägt vom Überlebenskampf in Trümmerwüsten, vom Verzicht auf jeden Luxus, von Hunger und Armut. Aber auch von kreativen Menschen mit Improvisationstalent und Unternehmergeist. Menschen wie Heinz Caspar.
Salmis: Ein Lebensmittel-Chemiker gründet die Firma Salmix im Januar 1949
1948, nach der Währungsreform in den drei westlichen Besatzungszonen und noch vor der Gründung der Bundesrepublik Deutschland, setzt der Lebensmittel-Chemiker eine geniale Idee in die Tat um. Er wird am heimischen Küchentisch zum Alchimisten, tüftelt, rührt und kocht so lange herum, bis er endlich die Ur-Rezeptur für seine Salmiakpastillen gefunden hat. Diese sollen nicht nur gut schmecken, sondern auch wohltuend bei Halsbeschwerden, Husten und Heiserkeit sein.
Aber Heinz Caspar ist auch ein Geschäftsmann. Er möchte Geld verdienen, bringt deshalb am 1. Januar 1949 in Hamburg einen chemisch-pharmazeutischen Betrieb, die Firma Salmix, an den Start. Zusammen mit Ehefrau Eva und vier Mitarbeitern beginnt die Produktion der Salmis im Herzen von Hamburg, in einem Gebäude in der Glashüttenstraße im Schanzenviertel. Später zieht das Unternehmen nach Farmsen um, am 1. Mai 1990 dann in den Kreis Segeberg, nach Sievershütten, eine 1000-Einwohner-Gemeinde östlich von Henstedt-Ulzburg. Wegen des steigenden Absatzes werden größere Räume benötigt.
Salmi-Manufaktur: Handarbeit ist an der Tagesordnung
Seit 2006 gehört die Salmix Sievershütten GmbH als eigenständige Marke zum Hamburger Unternehmen Pharma Peter. Das bedeutet: Auf dem Dorf wird mit sechs Angestellten produziert, die Belegschaft in der Zentrale am nördlichen Stadtrand Hamburgs ist für die Verwaltung, den Vertrieb, den Verkauf, die Vermarktung und die Produktentwicklung zuständig.
Doch zurück in die Gegenwart, zu einem Ortstermin in der Manufaktur; dort treffe ich Produktmanager Jonas Mollinga und Sebastian Buchholz, der in den Bereichen Öffentlichkeitsarbeit, Grafik sowie Produktentwicklung zu Hause ist, sich selbst als Allrounder bezeichnet. Meine Vorfreude, zusammen mit ihnen hinter die Kulissen schauen zu dürfen und etwas über die Kunst der Salmi-Herstellung zu erfahren, ist groß.
Alle Arbeitsschritte werden, wie schon vor 75 Jahren, zum großen Teil per Hand erledigt. „Damit unterscheiden wir uns von unserer Konkurrenz, die auf eine industrielle Lakritzproduktion setzt“, sagt Mollinga. Und in seiner Stimme klingt durchaus ein wenig Stolz mit.
Der Knauf an der Eingangstür zur Manufaktur hat die Form eines Salmis
Der rot geklinkerte Flachbau an der Holstenstraße sieht unspektakulär aus. Nur das auf dem Dach angebrachte Schild mit der Aufschrift „Salmix Spezialitäten“ lässt erahnen, dass hier ein Salmi-Riese sein Revier hat. Auffällig: Der große schwarze Knauf der Eingangstür hat die Form einer Spitzraute – die Liebe der Firmenverantwortlichen zum Detail ist offensichtlich.
Im Inneren des Gebäudes schlägt mir sofort eine intensive Duftwolke mit Anis-Note entgegen. Herrlich, denn ich liebe Lakritz. Spontan werden bei mir Erinnerungen an die Führung durch eine Fabrik der Schokoladenfirma Lindt & Sprüngli in den 1980er-Jahren wach; in Zürich roch es allerdings streng nach Kakao...
Hygienische Vorschriften sind so streng wie in einem Operationssaal
Vom schmalen Flur zweigen links der Empfangs- und ein Konferenzraum ab. Dort muss ich einen DIN-A-4-Zettel ausfüllen, auf dem es etwaige Krankheiten anzugeben gilt, außerdem werden genaue Anweisungen für den Aufenthalt in den Produktionsräumen gegeben. Besucher kommen nur ganz selten hierher, die hygienischen Vorschriften sind streng. Schließlich wird in Sievershütten ein Lebensmittel hergestellt. Und wehe, das zuständige Gesundheitsamt wittert Unregelmäßigkeiten. „Dass es diesbezüglich Ärger gibt, will hier niemand“, betont Sebastian Buchholz.
Nachdem der Bürokratie Genüge getan ist, folgt ein Prozedere, das der Vorbereitung auf eine Operation ähnelt: Der ausgiebigen Desinfektion von Händen und Kamera folgen das Anlegen eines weißen Kittels, von Schuh-Überziehern, einer Baretthaube für den Kopf. Erst jetzt kann es losgehen.
Die Salmiakpastillen werden im Einschichtbetrieb hergestellt
Die Tür zum Hauptraum geht auf, ein überdimensionaler Wrasenabzug aus Edelstahl sowie diverse Spezialmaschinen kommen ins Blickfeld. Die Salmiakpastillen werden von Montag bis Freitag im Einschichtbetrieb hergestellt, eine Tagesproduktion heißt Charge. Die Arbeit beginnt um 6 Uhr, Feierabend ist um 15 Uhr.
Die Vorbereitungen für den nächsten Ansatz, so wird die komplette Produktionskette bezeichnet, sind derweil abgeschlossen, es wird nicht viel geredet. Die vier zum Dienst eingeteiltem Angestellten, ganz in Weiß gekleidet, verstehen sich auch ohne Worte, sind ein eingespieltes Team. Die erforderlichen Handgriffe können sie im Schlaf, alle wissen, was sie zu tun haben.
Bei der Firma Salmix gelten die gleichen Regeln wie beim Weltkonzern Coca-Cola, dessen Führungskräfte die Rezeptur für die beliebte braunen Brause vermutlich nur unter Androhung von Folter verraten würden. Ganz wenige Geheimnisträger kennen das genaue Mischungsverhältnis, das Heinz Caspar einst aufgeschrieben hat; dieser elitäre Personenkreis ist zu absoluter Verschwiegenheit verdonnert. Das legendäre Buch der Bücher mit dem schwarzen Deckel wird demzufolge wie eine Reliquie gehütet und an einem sicheren Ort verwahrt. Aber Obacht, die Herstellung der Salmis beginnt...
- Produktionsschritt Nummer eins: die Zusammenstellung der Rohstoffe.
Auf einem Rollwagen befinden sich die wichtigsten Zutaten, die für die Salmix-Spezialität: Weizenmehl, eine spezielle Anis-Öl-Mischung, Salmiaksalz, flüssiger Zucker, hochwertiges Lakritzgranulat aus Süßholzwurzeln. „Mehr wird nicht verraten, der Rest ist geheim“, sagt Jonas Mollinga augenzwinkernd.
- Produktionsschritt Nummer zwei: der Kneter.
Die Rohstoffe werden in einer genau festgelegten Reihenfolge in den sogenannten Kneter gefüllt, dort gekocht und intensiv durchgewalkt. Das ist notwendig, um die gewünschte Beschaffenheit der 100 Kilogramm schweren Lakritz-Masse zu erreichen. In Sievershütten stehen zwei Kneter; wenn beide in Betrieb sind und auf Hochtouren laufen, können an einem Tag bis zu 1,6 Tonnen Salmiakpastillen hergestellt werden.
- Produktionsschritt Nummer drei: die Austragsmaschine.
Der Kneter wird geleert, die fertige Masse noch einmal begutachtet und dann per Hand in große Blöcke geschnitten. Diese landen anschließend nach und nach in der Austragsmaschine, deren Bedienung nicht ganz ungefährlich ist – das verrät das Warnschild an der Vorderfront; das Gerät verdichtet die Rohmasse zwischen mehreren Walzen und bringt sie auf die gewünschte Rautendicke.
- Produktionsschritt Nummer vier: der Salmi-Schneider.
Die so entstehenden kleinen, noch warmen Matten werden mit einem Laufband in Richtung Salmi-Schneider transportiert, auf dem Weg dorthin von zwei Ventilatoren abgekühlt und auf einem mehrstöckigen Regal zwischengelagert. Aber nur für kurze Zeit: Im Bauch des Gerätes wird das Material zerschnitten, spezielle Stanzen geben den kleinen Stücken die typisch längliche Rautenform, die das Produkt auch äußerlich einzigartig macht. Wenn dies geschehen ist, landen die Salmis in einer Auffangkiste.
- Produktionsschritt Nummer fünf: die Knuddelbox.
Im nächsten Schritt werden die Rauten in einer Box vorsichtig per Hand auf einem Sieb „geknuddelt“, von überflüssigen Lakritzrückständen und von Talkum, das das Zusammenkleben verhindert, befreit. Jeder Salmi erhält seine individuelle Form, kein Exemplar gleicht dem anderen – das ist typisch für eine Manufaktur.
- Produktionsschritt Nummer sechs: der Trockenraum.
Die kleinen Rauten werden nun auf große Bleche gepackt, bei einer Temperatur von etwa 40 Grad im Trockenraum gelagert. Dabei gilt: Je länger sie dort liegen, desto härter werden sie.
- Produktionsschritt Nummer sieben: Veredelung in der Poliertrommel
Ist die gewünschte Konsistenz erreicht, erfolgt die Veredelung in den Poliertrommeln. Diese sind Spezialanfertigungen aus unverwüstlichem Hartholz. In ihnen erhalten die traditionellen Spitzrauten ihren Schellack-Überzug. Da Schellack ein tierisch erzeugtes Harz ist, wird es nicht für die Produktion der veganen Salmis, die seit zwei Jahren zum Salmix-Sortiment gehören, verwendet.
- Produktionsschritt Nummer acht: Qualitätskontrolle und Verpackung
Nach dem mehrstündigen Polieren durchlaufen die Salmiakpastillen eine sorgfältige Qualitätskontrolle hinsichtlich der Kriterien Farbe, Aussehen, Geruch und Geschmack. Wenn es nichts zu beanstanden gibt, wird die sogenannte Bulkware in Kartons verpackt, zweimal pro Woche von einem Kleinlaster abgeholt und in die Zentrale von Pharma Peter an den Stadtrand von Hamburg transportiert. Die von den Apotheken gewünschte Portionierung und Abfüllung wird in Zusammenarbeit mit einer regionalen Behindertenwerkstatt erledigt.
So viel zum einzigartigen Herstellverfahren. Was aber macht das „schwarze Gold“ der Salmix Sievershütten GmbH außerdem noch so besonders? Da ist zunächst die emotionale Bindung der Kundinnen und Kunden, vor allem der älteren Generation, an das Produkt. In der Nachkriegszeit war es für Kinder Gang und Gäbe, sich vor der Schule für wenige Pfennige ein mit dem salzigen Lakritz gefülltes Zellophan-Tütchen am Kiosk zu holen. Auf dem dem Schulhof wurden die Salmis schnell zum Währungsmittel. Denn sie ließen sich vortrefflich gegen Murmeln oder andere begehrte Kleinigkeiten tauschen.
Salmis sind in der Nachkriegszeit auf dem Schulhof ein Währungsmittel
Ebenfalls unvergessen: der Salmi-Stern aus den 1950er-Jahren. Die Lakritzrauten wurden angeleckt, auf den Handrücken gepappt – schon stand für mehrere Stunden ein improvisierter Lolli fertig. Ansonsten gab es damals ja kaum etwas anderes zu naschen. Not macht erfinderisch, das bleibt im Gedächtnis haften.
Damals wie heute gilt: Qualität und Geschmack der Salmis aus Sievershütten sind vorzüglich. Die Ur-Rezeptur ist seit 1949 nie verändert worden, Salmix importiert aus dem Mittelmeerraum das beste Lakritzgranulat, das es gegenwärtig zu kaufen gibt. Außerdem wird bei der Produktion mehr Salmiaksalz als bei der Konkurrenz verarbeitet, genau 7,99 Prozent. „Andere deutsche Hersteller liegen zwischen 7 und 7,8 Prozent“, sagt Jonas Mollinga. Lakritzliebhaber schmecken das sofort.
In Höhe der Main-Linie verläuft der deutsche Lakritz-Äquator
Zu den Umsatzzahlen wollen sich Jonas Mollinga und Sebastian Buchholz nicht konkret äußern. Sie lassen aber durchblicken, dass die Geschäfte ausgezeichnet laufen. Dabei gibt es vor allem auf dem deutschen Markt noch viel Luft nach oben. Denn: Quer durchs Land zieht sich der Lakritz-Äquator. Nördlich des Mains ist die Süßigkeit sehr populär, südlich dieser Linie – Lakritz wird dort unter anderem Bärenschiss, Teufelsdreck oder Holzkuchen genannt – fristet sie dagegen ein Schattendasein. Eine überzeugende Erklärung für diesen extremen Kontrast konnte bislang noch niemand liefern.
Hauptabsatzmärkte für die Salmix-Salmis sind derzeit der pharmazeutische Bereich sowie das Internet. Mollinga: „In Deutschland gibt es circa 18.000 Apotheken, die unsere wichtigsten Geschäftspartner sind.“ Die Apotheken in den Bundesländer Hamburg, Schleswig-Holstein und Berlin werden dabei von firmeneigenen Außendienst-Mitarbeitern betreut. Um den Rest der Republik kümmern sich Handelsvertretungen und Großhandelspartner.
Wer den Besuch in der Apotheke scheut, kann selbstverständlich auch per PC, Laptop oder Smartpone unter www.salmix-lakritz.de einkaufen. „Unser Shop, in dem neben den 20 verschiedenen Salmix-Produkten auch die der Marke Canea-Sweets erhältlich sind, wird immer besser angenommen. Der Trend in diesem Bereich zeigt klar nach oben, es wird immer mehr im Internet bestellt“, sagt Jonas Mollinga.
Und wie sind Pharma Peter und die Salmix Sievershütten GmbH, die mit dem Slogan „Salmix. Sonst nix.“ für sich wirbt, angesichts des harten Konkurrenzkampfes auf dem Lakritzmark mit wesentlich größeren und bekannteren Unternehmen wie beispielsweise Haribo oder Katjes, für die nächsten 75 Jahre aufgestellt?
Exportgeschäft mit Lakritzprodukten rückt immer mehr in den Mittelpunkt
Salmix produziert einerseits für die eigene Marke, andererseits für mehrere Großkunden, die die Ware in ihren jeweiligen Ländern unter anderem Namen verkaufen. Überhaupt rückt das Exportgeschäft, hauptsächlich mit Skandinavien und den Beneluxstaaten, immer mehr in den Blickpunkt. „Wir pflegen bei der Produktentwicklung einen lebhaften Austausch mit unseren Großkunden, gehen in puncto Rezeptur und Form auf deren individuelle Bedürfnisse ein.“
Jonas Mollinga blickt zunächst einmal nicht 75, sondern nur zehn Jahre voraus. „Für mich steht fest, dass wir dann mit Salmix verstärkt auch in den Regalen von Geschäften in den Niederlanden, Schweden, Dänemark und Finnland stehen werden. Auch dort schätzt man unsere Salmiak-Pastillen sehr. Darüber hinaus wünsche mir, dass wir den Dialog mit Lakritzliebhabern intensivieren, damit deren Ideen und Vorlieben bei der Entwicklung neuer Produkte künftig verstärkt mit einfließen.“
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Das Salmix-Sortiment ist in den vergangenen Jahren um diverse Salmiak-Variationen vergrößert worden, das Geschäft steht nicht nur auf einer, sondern auf mehreren soliden Säulen. Die Verantwortlichen investieren zudem viel Hirnschmalz, um ihr Angebot noch vielfältiger, noch attraktiver zu machen. „Unser Entwicklungsteam ist ständig auf der Suche nach innovativen Produkten, nach neuen Geschmacksrichtungen“, so Mollinga. Um das Niemandsland in Bayern und Baden-Württemberg, aber auch in der Schweiz und in Österreich, zu erschließen, könnten neue Kreationen aus Lakritz und Schokolade interessant sein, für den Norden noch salzigere Angebote.
Salmis: Bis zum 30. September läuft ein Jubiläums-Gewinnspiel
Auf diesem Weg möchte Salmix die treue Kundschaft mitnehmen: Wer Ideen und Wünsche für neue Rezepturen hat, kann ein auf der Homepage hinterlegtes Kontaktformular online ausfüllen und so seine Vorschläge übermitteln.
Kreativität ist aber auch noch an anderer Stelle erwünscht. Bis zum 30. September läuft anlässlich des Juibiläumsjahres ein Gewinnspiel. Gesucht wird das schönste, möglichst auf einem neutralen weißen Hintergrund gelegtes Bild aus Salmix-Rauten und/oder -dragees. Was dann zu tun ist? Einfach fotografieren und die Aufnahme per E-Mail an loslegen@salmix.de schicken. Die besten fünf Einsendungen gewinnen einen Jahresvorrat an Salmiakpastillen oder -dragees.