Mexiko-Stadt. Gewalt und Kriminalität treffen in Mexiko nicht selten auch Touristen. Immer mehr beliebte Urlaubsorte gelten als brandgefährlich.

Es war ein grausames, aber traurigerweise typisch mexikanisches Ende, das die drei Surfer Ende April erlitten. Die beiden Australier und der US-Amerikaner, alle um die 30 erst, wurden im Bundesstaat Baja California mit Kopfschüssen hingerichtet und in einen Brunnen geworfen. Und das nur, weil sie nicht die Reifen ihres SUV herausrücken wollten. Darauf hatten die Mörder ein Auge geworfen, weil sie diese für ihren eigenen Geländewagen wollten.

Lesen Sie auch: Mexiko-Stadt droht auszutrocknen – Warnung vor „Punkt Null“

In Mexiko werden Menschen auch schon für wesentlich weniger getötet. Das touristisch so attraktive Land an der Grenze zwischen Nord- und Mittelamerika ist eigentlich nur noch für Gefahrensucher wirklich geeignet. Der Tod der drei Wassersportler belegt tragisch und mit international großem Aufsehen, dass die entfesselte Gewalt in Mexiko schon lange auch vor Ausländern und besonders vor Touristen keinen Halt macht.

Urlaub in Mexiko: Hier ist es besonders gefährlich

Rund 100 Menschen werden in dem zweitgrößten Land Lateinamerikas jeden Tag Opfer eines Gewaltverbrechens. 2022 – dem letzten Jahr, für das Daten des mexikanischen Außenministeriums vollständig verfügbar sind – starben in Mexiko 192 US-Bürger. 46 dieser Todesfälle sind von den örtlichen Behörden als Tötungsdelikte eingestuft worden.

Dass auch Touristen in Mexiko immer wieder Opfer von Gewalttaten werden, bewies Anfang Mai der Tod dreier Surfer. Die sterblichen Überreste der Männer wurden an einem Strand im mexikanischen Bundesstaat Baja California gefunden.
Dass auch Touristen in Mexiko immer wieder Opfer von Gewalttaten werden, bewies Anfang Mai der Tod dreier Surfer. Die sterblichen Überreste der Männer wurden an einem Strand im mexikanischen Bundesstaat Baja California gefunden. © AFP | GUILLERMO ARIAS

Auch deutsche Urlauber kommen immer wieder in Mexiko ums Leben. 2018 wurde ein Radfahrer, der mit seinem Bike auf Weltreise war, im Bundesstaat Chiapas erschossen. 2021 geriet eine deutsche Urlauberin in Tulum in eine Schießerei von Drogenbanden und starb. Urlaub in Mexiko hält derzeit immer eine Prise zu viel Gefahr bereit.

Wusste man vor ein paar Jahren noch genau, wo im Land die Gefahr droht und welche Region man besser meidet, kann Urlaub heute russisch Roulette gleichen. Denn das Organisierte Verbrechen hat im größten spanischsprachigen Land der Welt immer mehr Regionen erobert und sich an vielen Ecken dabei auch des Machtmonopols bemächtigt.

Gerade der Bundesstaat Baja California im Nordwesten Mexikos nahe der Grenze zum US-Bundesstaat Kalifornien wird immer gefährlicher. 2023 wies der idyllische Flecken mit seinen Surferstränden die zweithöchste Mordrate des Landes auf, gleich hinter dem Bundesstaat Guanajuato im Zentrum Mexikos, das mit seinen malerischen Städten ebenfalls ein beliebtes Touristenziel ist. Nach Angaben des Verteidigungsministeriums gehen bis zu 90 Prozent der Verbrechen auf das Konto der Mafia und der Drogenkartelle.

Experten warnen vor „Mafiokratisierung“ des Landes

In den vergangenen Jahren haben sich in Mexiko die Kartelle noch einmal stärker ausgedehnt, auch befeuert durch eine Atomisierung der Mafias in viele kleine und regionale Banden, die sich nicht nur dem Drogenhandel, sondern auch dem Menschenschmuggel und der Schutzgelderpressung widmen. Teilweise liefern sich diese Banden in Staaten wie aktuell Chiapas oder zuvor in Quintana Roo auf der Halbinsel Yucatán auf offener Straße Revierkämpfe und vertreiben dabei die Menschen aus ihren Häusern und Dörfern. Oder verschrecken die Urlauber.

Sogar in touristischen Regionen Mexikos kommt es häufig zu Gewalttaten. Wie hier Mitte Juli 2023 in Acapulco, wo Einsatzkräfte nach einem Mord an einem Journalisten auf offener Straße den Tatort abriegelten.
Sogar in touristischen Regionen Mexikos kommt es häufig zu Gewalttaten. Wie hier Mitte Juli 2023 in Acapulco, wo Einsatzkräfte nach einem Mord an einem Journalisten auf offener Straße den Tatort abriegelten. © AFP | FRANCISCO ROBLES

Edgardo Buscaglia (63) berät internationale Organisationen und Regierungen im Kampf gegen Korruption und Organisierte Kriminalität. Er ist außerdem Lehrbeauftragter an der Columbia University in New York und forscht selbst in dem Bereich. Dem Experten zufolge hat in Mexiko eine „Mafiokratisierung“ stattgefunden. In der Konsequenz sei Mexiko inzwischen „nicht mal mehr eine Demokratie mit minimalen Standards“, so Buscaglia. Auch die „Economist Intelligence Unit“ (EIU), das Analyse- und Rechercheinstitut der „Economist Group“, stuft Mexiko mittlerweile als „hybrides Regime“ ein.

Auch interessant: Deutschlands verzweifelter Kampf gegen die Drogen-Kartelle

Aber die Urlauber schreckt das offenbar nicht ab: 271.000 Besucher kamen vergangenes Jahr aus Deutschland. Das sind knapp zehn Prozent mehr als im Jahr davor. In den ersten drei Monaten dieses Jahres stieg die Zahl nochmal an. Mehr als 80.000 Urlauberinnen und Urlauber aus Deutschland besuchten zwischen Januar und März das Land der Azteken und Mayas. In der Liste der wichtigsten Touristenmärkte steht Deutschland für Mexiko an Platz neun.

Mexiko-Stadt gilt noch als sicher – größtenteils

Dabei hat sich das einstmals günstige Urlaubsland inzwischen zu einer teuren Destination entwickelt. Die starke Gentrifizierung in den Großstädten, der Zuzug Hunderttausender gutverdienender US-Amerikaner seit der Pandemie, die als digitale Nomaden arbeiten, und die große Attraktivität Mexikos bei einer bestimmten Schicht von Reisenden, haben die Preise in die Höhe getrieben. Hinzu kommt, dass der mexikanische Peso die am stärksten aufwertende Währung der Schwellenländer ist und der Euro dagegen in den vergangenen Jahren mehr als 25 Prozent seines Wertes verloren hat.

Daher liegt Mexiko-Stadt inzwischen laut der britischen Zeitschrift „The Economist“ auf Platz 16 der teuersten Städte der Welt, noch vor Metropolen wie Washington oder Mailand. Immerhin ist die Megalopolis noch ein „Safe Spot“ im ganzen Land, zumindest wenn man sich an Regeln hält und bestimmte Stadtteile meidet.

Allerdings fühlt man sich dann gerade in Quartieren wie Roma oder Condesa wie im falschen Land. In diesen Stadtteilen ist mittlerweile Englisch die lingua franca. Und die „Gringos“ ziehen den Groll der Einheimischen auf sich, die sich von ihnen aus ihren angestammten Vierteln verdrängt fühlen, weil sie der Mietenexplosion zum Opfer fallen. Da werden auch mal mehr als 4000 Euro Miete für 100 Quadratmeter aufgerufen.