Düsseldorf. Nach 25 Minuten sah die Ukraine im zweiten EM-Spiel gegen Slowakei wie der sichere Verlierer aus. Am Ende siegte sie mit 2:1 (0:1).

Jeden Morgen, so sagte es Taras Stepanenko, Kapitän der Ukraine, würde seine Mannschaft im Trainingscamp der EM schreckliche Nachrichten aus der Heimat bekommen. „Es fällt schwer, sich auf Fußball zu konzentrieren“, sagte er. Nach einer bösen 0:3-Niederlage gegen Rumänien im ersten EM-Spiel gaben die Ukrainer ihren Fans einen großen Grund zum Feiern. Sie besiegten die Slowakei nach 0:1-Pausenrückstand noch mit 2:1 und wendeten mit viel Herz ein frühes EM-Aus ab. „Ich freue mich für meine Spieler, aber auch für das ukrainische Volk“, sagte Trainer Serhij Rebrov. „Die Spieler repräsentieren ein Volk, das nicht nur für die Freiheit der Ukraine, sondern für die Freiheit Europas kämpft.“ Es sei nicht so einfach, damit umzugehen.

Dabei hatte sich vor 47.000 Zuschauern in Düsseldorf zunächst überhaupt nicht angedeutet, dass die Ukrainer triumphieren würden. Von Beginn an spielten die Slowaken so forsch und mutig wie in der ersten Hälfte ihres Spiels gegen Belgien, das sie überraschend mit 1:0 gewonnen hatten. Sie zwangen den Gegner durch kluges, frühes Pressing zu Ballverlusten und setzten sich über die Außenpositionen immer wieder in Dribblings durch. Vor allem der Linksaußen Lukas Haraslin stieß immer wieder bis zur Grundlinie vor. In der zehnten Minute scheiterte er an Torwart Anatoliy Trubin, acht Minuten später flankte er perfekt auf Ivan Schranz, der aus kurzer Distanz das 1:0 köpfte - sein zweites Turniertor. Eins, das sich abgezeichnet hatte. Es überraschte, wie gut die Slowaken harmonieren, dabei sind sie eigentlich ein bunter Haufen. Die elf Startelf-Spieler stammen aus elf verschiedenen Klubs in neun Ländern. Die Mannschaft so einzustellen, dass sie eingespielt wirkt - eine große Leistung von Trainer Francesco Calzona. Ein Sieg hätte die Slowakei vorzeitig ins Achtelfinale gebracht.

Roman Jaremtschuk jubelt nach seinem Tor zum 1:2 für die Ukraine.
Roman Jaremtschuk jubelt nach seinem Tor zum 1:2 für die Ukraine. © dpa | Marius Becker

Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko: „Wir brauchen den Sieg“

Erst nach rund einer halben Stunde hatten sich die Ukrainer auf die frechen Slowaken eingestellt. „Wir brauchen den Sieg für die Stimmung der Menschen in unserem Land“, hatte Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko vor dem Spiel noch gesagt. Weite Pässe nach vorn brachten Entlastung - und Chancen. Artem Dovbyk (28.) und Mykhaylo Mudryk (36.) schossen Torwart Martin Dubravka an, Oleksandr Tymchyk donnerte den Ball an den Pfosten (34.). Es war ein munteres Spiel, das die Fans sahen, die Slowakei ging mit einer 1:0-Führung in die Pause.

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Hatte Calzonas Mannschaft wie gegen Belgien zunächst noch das nötige Glück bei gegnerischen Chancen, änderte sich das in der 54. Minute. Juraj Kucka verlor im Mittelfeld den Ball, bei einem Konter wurden die Ukrainer von ihren Gegenspielern in Ruhe gelassen. Oleksandr Zinchenko nutzte den üppig vorhandenen Platz zu einem Querpass in den Strafraum, dort verwandelt der freistehende Mykola Shaparenko zum 1:1 - die Fans feierten das Tor ausgelassen, schienen den Krieg in der Heimat für einen Moment zu vergessen.

Ukraines Olexander Sintschenko (hinten) und Peter Pekarik von der Slowakei im Kopfballduell.
Ukraines Olexander Sintschenko (hinten) und Peter Pekarik von der Slowakei im Kopfballduell. © dpa | Marius Becker

In der Schlussphase bestimmten die Ukrainer weiter das Spiel, der Slowakei ging wie schon gegen Belgien die Luft aus. In der zweiten Halbzeit erarbeitete sich Calzonas Mannschaft keine Torchance mehr, auch zahlreiche Wechsel halfen nicht. Schon früh nutzte sie das wenig attraktive Mittel des übertriebenen Zeitspiels.

Die Ukrainer hingegen bewiesen weiter Kampfgeist und Herz und kamen noch zum verdienten Siegtreffer. Einen Pass von Shaparenko spitzte der eingewechselte Roman Yaremchuk an Torwart Dubravka vorbei - 2:1 nach 0:1. Und der Wunsch von Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko ging in Erfüllung. Vor dem Spiel hatte er gesagt: „Wir brauchen diesen Sieg für die Stimmung der Menschen in unserem Land.“