Leipzig. Manuel Baum, ehemaliger Schalke-Trainer, prognostiziert im EM-Achtelfinale einen Sieg Österreichs gegen die Türkei. Woran er das festmacht.

Wenn Österreich am Dienstag, 2. Juli, 21 Uhr, im EM-Achtelfinale auf die Türkei trifft, dann sieht der ehemalige Schalke-Trainer Manuel Baum das Team rund um den Dortmunder Marcel Sabitzer im Vorteil. Seit Sommer 2023 ist Baum Leiter des Nachwuchsleistungszentrums von RB Leipzig und jetzt bei der EM 2024 als Experte beim Streamingsender MagentaTV im Einsatz. Baum ist dort für den Taktik- und Analyse-Kanal regelmäßig im Einsatz.

In seinem Analyseformat „Tiefenlauf“ schreibt Baum folgendes über die Stärken der favorisierten Österreicher: Sie nutzen „Tiefenläufe, vor allem Marcel Sabitzer ist schon 32,6 Kilometer gelaufen, um Lücken hinter oder zwischen den gegnerischen Ketten zu kreieren. Dies wird auch gegen defensiv verwundbare Türken wichtig sein.“ Und weiter: „Österreich stresst den Gegner früh im Spielaufbau (meiste Defensivduelle (248) d. Gruppenphase) und attackiert sehr hoch im 4-2-3-1, lenkt den Gegner dabei auf eine Seite und schiebt in der Folge mit allen Spielern in Richtung Ballseite, um hohe Ballgewinne zu erzielen.“ 132 gewonnene Bälle, über 100 Pässe ins letzte Drittel sowie eine Laufleistung von 344 Kilometern sprechen hier für sich.

EM 2024: Österreich sehr variabel - kaum Dribblings

Des Weiteren hebt Baum die Variabilität der Österreicher hervor. Sie passen die Struktur häufig an den Gegner an: „Gegen die Niederlande agierte man mit Ball zuletzt im 2-4-3-1, in welchem die Flügelspieler Wimmer und Schmid die Halbräume besetzten und die gegnerische Abwehr tief banden. Dadurch kreiert man viel Raum und Zeit im Übergangsspiel – unter anderem für die als Breitengeber fungierenden Außenverteidiger Stefan Posch und Alexander Prass/Philipp Mwene.“

Ins Dribbling gehen die Österreicher hingegen kaum. So stehen für das Team von Ralf Rangnick die drittwenigsten Eins-gegen-Eins-Situationen in der Gruppenphase. Forciert werden vor allem die von Baum zu Beginn bereits analysierten Tiefenläufe.

EM 2024: Der Calhanoglu-Ausfall und die Folgen für die Türkei

Für die Türkei, die „gegen den Ball zuletzt im 4-1-4-1 mit Ismail Yüksek hinter Hakan Calhanoglu und Özcan im Zentrum aufliefen“, sei das hohe Anlaufen mit vielen Mannorientierungen in der Spielfeldmitte prägend. Das führe mitunter aber zu großen Abständen zwischen den Ketten. Entscheidend wird laut Baum, dass nach Balleroberungen auch ohne Calhanoglu schnelle Lösungen gefunden werden, um dem Gegenpressing der Österreicher, die die zweitmeisten Balleroberungen der Gruppenphase verzeichneten, zu entkommen. „Generell agiert die Türkei bei dieser EM sehr fluide und mit vielen Rochaden im eigenen Ballbesitzspiel. So besetzen z.B. Flügelspieler und Außenverteidiger im Wechsel den Halbraum oder die Breite.“ So ist es nicht verwunderlich, dass besonders Ferdi Kadioglu und auch Mert Müldür, der sehenswert gegen Georgien traf, auftrumpfen.

Dagegen stellt Baum die Stärken der Österreicher. „Österreich stresst den Gegner früh im Spielaufbau“, führte Baum aus. Mit 248 Defensivduellen haben die Österreicher in der Gruppe einen Bestwert aufgestellt. „Sie attackieren sehr hoch im 4-2-3-1, lenken den Gegner dabei auf eine Seite und schieben in der Folge mit allen Spielern in Richtung Ballseite, um hohe Ballgewinne zu erzielen“, erläuterte Baum weiter. Dies gelang bereits im März 2024 beim 6:1-Testspielerfolg gegen die Türkei, als das Team von Ralf Rangnick ganze neun Abschlüsse nach Balleroberung verzeichnete.

Österreichs Maximilian Wöber (rechts) im Zweikampf mit dem Niederländer Xavi Simons.
Österreichs Maximilian Wöber (rechts) im Zweikampf mit dem Niederländer Xavi Simons. © Jürgen Fromme / firo Sportphoto | Jürgen Fromme

Bei den Türken sieht Baum „trotz der Eins-gegen-Eins-Spieler um Arda Güler und Kenan Yildiz Schwierigkeiten, zwingend gefährlich zu werden. Auch deshalb gab die Türkei über die Hälfte der Abschlüsse von außerhalb des Strafraums ab.“ Fünf Tore aus 50 Abschlüssen bestätigen dies.

Folgerichtig sieht Baum die Österreicher am Dienstagabend dann auch im Vorteil, wenn sie mit den Türken um das letzte von acht Viertelfinal-Tickets kämpfen. Der 44-jährige Baum tippt auf ein 3:1 für Österreich, die dann auf Rumänien oder die Niederlande treffen würden.