Heute nachmittag wird auf dem Heillgengeistfeld der traditionelle Hamburger "Dom" eröffnet. ? Warum heißt dieser Weihnachtsmarkt eigentlich so? Wie lange existiert er schon? Auf diese Fragen lassen wir Dr. Carl Schellenberg antworten.

Jedes Jahr, wenn die Lichter von Buden und Karussels wieder den Nachthimmel über dem Heiligengeistfeld röten, fragen Menschen (besonders die in unserer Stadt weilenden Fremden) wie eigentlich der Rummel zu seinem Namen "Dom" gekommen ist. Nun, er hat ihn tatsächlich vom Hamburger Dom, dem ehrwürdigsten Gotteshaus der nordischen Christenheit!

Die Kirche, die sich auf dem Platz des alten Johanneums am Speersort erhob ? staatsrechtlich eine Enklave im Hamburger Gebiet ? besaß eigene Marktgerechtigkeit; innerhalb -ihrer -Grenzen war ständig Ma-ntt, der sich allerdings gegen Weihnachten belebte. Während des verstärkten Betriebes, der acht Tage dauerte, durften nur Hamburger Bürger ihre Waren anbieten. Im 16. Jahrhundert war zunächst die der Kirche kurz vor der Reformation angebaute, wegen der dort von den Tischlern gestapelten Schränke als "Schappendom" bezeichnete große Halle der Schauplatz des Weihnachtsmarkts. Bald aber drang er über die Kreuzgänge auch in die Kirche ein, so daß, als infolge der religiösen Umwälzung der Gottesdienst zurückging, sich nicht einmal hier die Lustbarkeit zügeln ließ. Ja, . es entwickelte sich ein so wüstes Leben, daß die Stadtsoldaten, die der Rat herlieh, um im Dom Ordnung zu wahren, den Pöbel kaum bändigen konnten, zumal in der Weihnachtszeit die Gesellen der Handwerksämter auf der geheiligten Statte auch ihre angesagten Fehden ausfochten.

Als der Reichsdeputationshauptschluß im Jahre 1803 das kirchliche Gebiet Hamburg zuschlug, schienen die Tage des Christmarkts gezählt, denn das mittelalterliche Baudenkmal wurde trotz abratenden Sachverständigengutachtens der Spitzhacke überantwortet. Werter als die Kirche aber war den Hamburgern ihre Lustbarkeit vor dem Weihnachtsfest, und so bestimmte der Rat, daß der Trubel auf den Gänsemarkt zu verlegen sei. Diese Anhänglichkeit bewirkte, daß Hamburgs Volk auf den Jahrmarkt im Freien den Namen der ersten Kirche der Stadt übertrug. Jedoch bald, während der Franzosenzeit, verkümmerte der "Dom", und im Dezember 1813 fiel er ganz aus.

Als in den zwanziger und dreißiger

Jahren des vorigen Jahrhunderts der Gänsemarkt für den "Dom" nicht mehr ausreichte, wurde auf dem ? Großneumarkt und dem Zeughausmarkt der "Neue Dom" eröffnet. Von hier breitete sich über die Steinwege ein Treiben aus, das der Volksmund "Kuddelmuddel" nannte, also andeutend, daß die Händler hier Kleinkram und gebrauchte Sachen feilhielten, wie Berend Goos es in seinen Erinnerungen schildert.

War der "Dom" bis zur Mitte des vorigen Jahrhunderts ein Markt mit Verkaufsbuden geblieben, so beanspruchten nachher die Schaustellungen in immer größerem Ausmaß die Plätze, auf denen besonders Affentheater und Flohzirkus als Attraktionen für die Jugend von damals wirkten. Die wachsende Großstadt konnte den "Dom" freilich nicht lange mehr im Straßenverkehr dulden. Der Gänsemarkt beherbergte die lustige Zeltstadt zum letzten Mal im Jahre 1880, im nächsten Jahr gab die Polizei für sie den Spielbudenplatz und die Ringstraße heim Holstenplatz frei; und schon wenige Jahre später ergriffen die ersten Schausteller Besitz vom Heiligengeistfeld. Seit 1886 sind die Buden vom Pferdemarkt, wie der Gerhart-Hauptmann-Platz damals hieß, und vom Zeughausmarkt, seit 1892 auch vom Großneumarkt verschwunden; 1900 erst waren sie alle auf Hamburgs Festwiese zusammengezogen.

Wir übergehen die Geschichte des "Doms" in den großen Krisen der letzten Jahrzehnte, danken aber dem Senat, daß er uns den Weihnachtsdom erhalten hat, auch wenn die Anhäufung der übergroßen Fahrgeschäfte und Sensationsbuden eigentlich nur noch ein "Rummel" ist. Jedoch bedauern wir, daß der "Dom" schon um die Mitte des Dezember abgebrochen wird, weil der frühe Schluß die Beziehung der Volksbelustigung zum Weihnachtsfest lockert, eine Verbindung, die der Rouleauxmaler Niese auf dem Titelbild zu seinen Domblättern, das wir hier wiedergaben, so kindlich und naiv dargestellt hat. Seine Komposition, im Umriß ähnlich dem dreitürmigen Burgtor unseres Wappens, mit Weihnachtsmann, Nußknackern, Pfefferkuchen, Hampelmann, . brennenden Lichtern auf Tannenbäumen und dem vaterstädtischen Wappen als Bekrönung, das auch die Spitze der Tannenbäume im alten Hamburg zierte, zeigt, wie in der hamburgischen Weihnachtspoesie das Heimatgefühl mit seiner Vorliebe für das Alte und Überkommene an die Herzen rührt.