Hamburg. Insbesondere während der Fußball-EM wird auch in Hamburg viel gegrillt. Asklepios-Expertin gibt Tipps zu Prävention und Erster Hilfe.

  • Jedes Jahr müssen 30.000 Kinder mit Verbrennungen ärztlich behandelt werden.
  • 60 Prozent der Unfälle sind laut Experten vermeidbar.
  • Auch in der Küche lauern Gefahren.

Viele Hamburger freuen sich auf die Grillsaison. Insbesondere während der laufenden Fußball-Europameisterschaft wird in fast jedem Garten der Grill angeworfen. Dr. Christiane Goedecke sieht diese Zeit jedoch auch kritisch: Denn jeden Sommer versorgt die Kinderchirurgin, die als Oberärztin an der Asklepios Klinik Nord-Heidberg arbeitet, kleine Patienten mit schwersten Verbrennungen und Verbrühungen.

Bundesweit müssen jedes Jahr rund 30.000 Kinder mit diesen Verletzungen behandelt werden. „Ich weiß nicht, ob der Sommer, wenn wieder gern gegrillt wird, sogar noch heftiger ist als die Weihnachtszeit, aber zu beiden Zeiten kommt es gehäuft zu diesen Unfällen.“

Grillen in Hamburg: 60 Prozent der Unfälle sind vermeidbar, sagt die Hamburger Kinderchirurgin

Dabei sind laut einer Studie 60 Prozent der Vorfälle, bei denen sich Kinder verbrühen oder verbrennen, zu vermeiden: „Wenn man die Gefahren kennt, kann man sein Kind schützen“, sagt die Mutter einer zehnjährigen Tochter. Beim Grillen gelte deshalb: Der Grill müsse stabil stehen, möglichst windgeschützt. Kinder sollten nicht in der unmittelbaren Umgebung spielen. „Das klingt selbstverständlich, ist aber manchmal in kleinen Gärten schwierig. Einen Abstand von etwa zwei Metern zum Grill sollten die Kleinen einhalten.“

Es sei wichtig, Kinder über die Gefahren aufzuklären und zu warnen. „Eine gesunde Angst schützt dann vor Unfällen“, sagt die Medizinerin, die in Schwerin geboren wurde und in Kiel studiert hat. Es sei auch keine gute Idee, Kinder „mal kurz“ selbst die Würstchen grillen zu lassen. „Das sollte bitte immer ein Erwachsener tun.“

Hamburger Ärztin: Grillanzünder wie Spiritus bitte unbedingt vermeiden

Flüssige Grillanzünder wie Spiritus sind unbedingt zu vermeiden, die Explosionsgefahr sei enorm: „Sie mögen sich nicht ausmalen, wie ein Kind aussieht, wenn es in diese Wolke gerät.“ Am sichersten seien Elektrogrills, doch heiß würden diese natürlich auch. Auch nach dem „aktiven“ Grillen sei die Gefahr noch nicht gebannt: „Insbesondere in Parks und am Strand wird die Kohle gern mal irgendwohin gekippt, ohne sie mit Wasser abzulöschen. Das Problem: Die Kinder laufen versehentlich barfuß darüber und werden dann mit verbrannten Fußsohlen, was schmerzhaft und langwierig ist, in die Klinik gebracht.“

Grillen in Hamburg: Heißes ist für empfindliche Kinderhaut gefährlicher als für Erwachsene

Der Grill sei im Sommer die Hauptgefahrenquelle, doch auch im Haus müsse man achtsam sein, rät die Asklepios-Ärztin: „Beim Herd muss man aufpassen. Früher riet man dazu, immer nur die hinteren Herdplatten zu nutzen. Bei den modernen Küchen gibt es jedoch oft diese Kochinseln, die für kleine Kinderhände von allen Seiten gut erreichbar sind.“

„Kinder sollte man niemals so nah an den Grill heranlassen“, sagt die Hamburger Ärztin Dr. Christiane Goedecke. Jeden Sommer sieht sie die Folgen schwerer Unfälle.
„Kinder sollte man niemals so nah an den Grill heranlassen“, sagt die Hamburger Ärztin Dr. Christiane Goedecke. Jeden Sommer sieht sie die Folgen schwerer Unfälle. © Getty Images | StefaNikolic

Dafür seien durch Backöfen verursachte Verbrennungen stark zurückgegangen: „Das liegt daran, dass die Backöfen in den neueren Küchen oft rückenschonend und daher weiter oben untergebracht sind, also außerhalb der Reichweite von kleinen Kindern.“ Tassen mit heißem Tee oder Kaffee sollten möglichst weit von der Tischkante entfernt stehen.

Hamburger Ärztin: „Coffee-to-go-Becher am Kinderwagen machen mich nervös“

Ein „bisschen nervös“ werde sie selbst immer, berichtet Dr. Christiane Goedecke, wenn sie Eltern mit den beliebten Coffee-to-go-Bechern sehe. „Eine entsprechende Halterung gehört ja mittlerweile fast zur Grundausstattung eines Kinderwagens dazu. Wenn sich jedoch ein paar Erwachsene mit Heißgetränken in der Hand übers Baby beugen, möchte ich fast dazwischenspringen.“

Denn die zarte Haut eines Babys oder auch Kindes sei extrem empfindlich: „Da kann eine Flüssigkeit, die 40 Grad heiß ist, bleibende Schäden anrichten, während Erwachsene bei der Berührung nur kurz spüren: autsch, heiß.“

Doch was tun, wenn es trotz aller Vorsicht zu Verbrühungen und Verbrennungen kommt? „Kühlen, kühlen, kühlen“, rät die Expertin. Jedoch nicht zu kalt, das sei das andere Extrem: „Ein feuchter Lappen, der unter lauwarmes Wasser gehalten wurde, reicht völlig.“ Sie erlebe häufig, dass Kinder mit Verbrennungen eiskalt abgeduscht würden und dann „quasi als Eiszapfen“ in die Klinik kämen. Ein Zäpfchen (Paracetamol/Ibuprofen) gegen die starken Schmerzen sei auch gut.

Grillen in Hamburg: Bei Verbrennungen lieber den Kinderarzt aufsuchen

Sollte der betroffene Bereich nur gerötet sein und sich keine Brandblasen bilden, könne man das Kind zu Hause versorgen. Grundsätzlich gelte aber: Lieber einmal mehr den Kinderarzt konsultieren oder in die Klinik fahren. Denn wenn sich die Brandblasen öffnen, sei das eine Wundfläche und damit eine Eingangspforte für Keime. „Man möchte nicht, dass sich die Wunde dann noch entzündet.“

Selbst Wund- und Brandsalbe aufzutragen sei nicht immer ratsam. „Und bitte keine Zahnpasta auf die Fläche schmieren. Diesen Pseudo-Tipp findet man leider im Internet, aber er ist Quatsch. Im Krankenhaus muss man die Paste dann erst wieder mühsam von der Wunde entfernen, und das tut doppelt weh.“

Unfall beim Grillen ist laut Expertin aus Hamburg oft „traumatisches Erlebnis“

Ein Unfall mit Verbrennungen sei oft ein „traumatisches Erlebnis“ für Kinder und Eltern. Oft blieben Narben, nicht selten auch Angst vor Feuer. „Ist die Wunde gut verheilt, dann bitte insbesondere jetzt im Sommer an Sonnenschutz denken. Die neue Haut ist zart und braucht Schutz.“

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Für weitere Informationen empfiehlt die Kinderchirurgin den Verein Paulinchen aus Norderstedt:„Die machen tolle Aufklärungsarbeit, auch für Kitas und Schulen.“