Das Ehepaar Katharina John und Ulrich Tukur spricht mit dem Abendblatt in einem seiner seltenen Interviews über Trennungen, Grenzerfahrungen und seine Zukunft.

Hamburg. Seit 20 Jahren sind sie ein Paar, seit zehn Jahren verheiratet, gemeinsame Interviews geben sie äußerst selten. Der Schauspieler Ulrich Tukur, 55, („Das Leben der Anderen“, „Das weiße Band“) und die in Hamburg geborene Fotografin Katharina John, 41, sprechen im Hamburger Abendblatt über das Geheimnis ihrer Künstlerbeziehung während monatelanger Trennungen, über Grenzerfahrungen auf dem Jakobsweg und ein Leben im Hier und Jetzt.

Hamburger Abendblatt: Wie muss man sich Ihr gemeinsames Leben vorstellen?
Katharina John: Der Titel meines Buches ist Programm. „Unterwegs“.
Ulrich Tukur: Sie ist unterwegs, ich bin unterwegs, wir sehen uns also relativ selten. Das hält eine Beziehung spannend oder zerstört sie. Gerade habe ich in der Normandie einen französischen Film abgedreht. Die Geschichte zweier Ehepaare, die in die Jahre kommen und hoffen, dass in ihrem Leben noch etwas passieren möge; sie hocken aufeinander, die Beziehungen sind ritualisiert, die großen Gefühle verpufft. Es passiert nichts in diesem Film. Ausschläge gibt es nur unter der Oberfläche. Bei uns ist so ziemlich das Gegenteil der Fall, und die Gefühle sind beinahe so wie am ersten Tag.

Und wo waren Sie, Frau John?
John: Auf dem Jakobsweg. Zum dritten Mal. Vor zwei Jahren bin ich den Camino Français nach Santiago de Compostela gepilgert, letztes Jahr den Camino Portugues, in diesem Jahr war der des Nordens von Bilbao aus an der Reihe. Nächstes Jahr möchte ich in Sevilla starten.

Suchen Sie eine religiöse oder spirituelle Erfahrung?
John: Es ist die Grenzerfahrung, die mich reizt. Die komplette Entschleunigung. Einmal anhalten und drei Wochen lang etwas nur für sich tun, sich spüren, ein Ziel haben.

Herr Tukur, gehen Sie da mit?
Tukur: Nein. Ich laufe schon gerne mal 30 Kilometer am Tag, aber am Ende muss eine himmlische Trattoria warten und ein kühler Wein. Vor der spanischen Landküche habe ich Angst.
John: Mein Pilgerfreund Thomas Kretzschmar, der mich immer begleitet, hält wie ich da mehr aus, am Ende des Tages trockene Tortilla, sauren Wein und durchgelaufene Füße. Das geht nicht mit jedem.

Was war der Auslöser für Sie, den Jakobsweg zu gehen?
John: Ich wollte mein Leben überprüfen und wissen, ob ich nicht vielleicht in eine falsche Richtung gelaufen war. Mit 40 ändern sich die Dinge, das Leben wird ein bisschen endlich und man horcht in sich hinein. Habe ich es richtig gemacht?
Tukur: Lebe ich mit dem richtigen Mann?
John: Das habe ich mich nie gefragt. Na ja, vielleicht vor zehn Jahren, als du ein solcher Trottel warst. Aber Pilgern macht tatsächlich süchtig. Man sieht auf einer kurzen Strecke sein ganzes Leben.
Tukur: Und konzentriert sich auf das Hier und Jetzt. Den Trottel kriegst du nachher zurück.
John: Von meinem nachtragenden Mann habe ich eine kleine Lumix-Kamera geschenkt bekommen und begonnen, den Jakobsweg zu fotografieren. Er ist nicht nur schön, er ist steinig, matschig, verliert sich im Nebel. Man läuft durch herrliche Landschaften, aber auch an Autobahnen entlang. Die Fotografien, die so entstanden sind, hat Götz Loepelmann mit wunderbar assoziativen Texten versehen.

Können Sie eine Künstlerehe wie die Ihre zur Nachahmung empfehlen?
Tukur: Unabhängige Lebensbereiche sind wichtig. Im Hause der Beziehung muss es Zimmer geben, zu denen der andere keinen Zutritt hat.
John: Wir haben ja nicht den gleichen Beruf. Da entsteht keine Konkurrenz. Als Uli in Südafrika einen Film drehte, reiste ich mit, nahm meine Kamera und ging in die Townships, um Menschen kennenzulernen und zu porträtieren. Wir waren zwar zusammen, aber jeder machte unabhängig seine Arbeit.

Sie leben in Venedig und in der Toskana. Was hat Italien, was in Hamburg fehlt?
John: Es sind die Menschen, es ist diese Offenheit dort, das Spiel.
Tukur: Ich fühle mich hier genauso wohl wie in Italien. Die Italiener haben einen Galgenhumor, den wir in einer vergleichbaren ökonomischen Situation nicht besäßen. Das würde richtig bitter. Dafür funktioniert hier vieles besser. Ich kann mir schon vorstellen, eines Tages wieder in Hamburg zu leben.

Ist Ihnen etwas vollkommen fremd beim jeweils anderen?
Tukur: Katharina ist irrsinnig organisiert, ich bin wahnsinnig unorganisiert. Ich kriege keine Struktur in mein Leben hinein. Es passiert etwas, verschlägt mich in eine bestimmte Richtung und dem folge ich dann. Da greift sie ein und hilft mir sehr. Zum Dank lade ich sie dann ins Fischereihafenrestaurant ein.

Frau John, Sehen Sie Ihren Mann gerne in Uniform?
John: Ich glaube, viele Frauen tun das. Das ist sexy. Natürlich, das hat was. Die meisten geben es nur nicht zu.

Herr Tukur, haben Sie von Offiziersrollen wie „Rommel“ langsam genug?
Tukur: Ich habe so oft versucht, den Zweiten Weltkrieg zu gewinnen, dass mir schon ganz schwindelig davon ist. Es ist mir nicht gelungen. Also finde ich, dass es reicht. Ich habe mich mit diesen zwölf Jahren Wahnsinn, der in unserem Namen geschah, sehr intensiv beschäftigt. Es gibt aber auch andere Themenbereiche.

Zum Beispiel Filme wie die wunderbare französisch-belgische Produktion „Séraphine“ aus dem Jahr 2008, in der Sie den Kunstsammler Wilhelm Uhde spielten.
Tukur: Ja, oder mal eine Komödie. Auf der Basis von „Séraphine“ habe ich übrigens eine Novelle geschrieben, die im Herbst erscheint und in der ich in eine fantastische E.T.A.-Hoffmann-Welt eintauche.

Sie sagen, Sie hätten nie wirklich in der Zeit gelebt, in der Sie groß geworden seien. Neigen Sie zur Nostalgie?
Tukur: Mein schwäbisches Elternhaus war ein wenig eng und nicht sehr großzügig. Da habe ich mich weggeträumt in die Welt meines Großvaters und Urgroßvaters, in ferne Vergangenheiten, die Welt der Kelten, der Vor- und Frühgeschichte, des Mittelalters und vor allem hinaus in die Natur. Davon profitiere ich heute noch.

Sie beide verbindet eine große Liebe zu den 1920er-Jahren.
John: Die Ästhetik, die Materialien, der Stil, all das hat mit Respekt zu tun vor dem Leben, der Vergänglichkeit.
Tukur: Das Leben ist eine harte Sache, es ist nichts für Feiglinge. Der Mensch muss etwas daraus machen, was ansprechender ist als die Vorlage, die er findet. Wie er es macht, ist egal. Der Kampf um die schöne Form, die Bemühung, dieses Abenteuer erträglicher zu machen, ist allein was zählt.

Sie feiern die 1920er-Jahre auch seit 1995 in ihren musikalischen Programmen mit den Rhythmus Boys, mit denen Sie am 28. Mai in der Laeiszhalle gastieren.
Tukur: Ich feiere nicht die 20er-Jahre. Ich liebe gute, originelle, gefühlvolle Musik. Die Songs mögen vielleicht Schnee von gestern sein, aber mit Witz und Laune dargeboten, können sie das Leben für fünf Minuten in reine Freude verwandeln.

Sie bezeichnen sich als Melancholiker im Sinne einer mediterranen Tristesse. Woher nehmen Sie auf der Bühne die gute Laune?
Tukur: Galgenhumor und Verzweiflung. Das Leben ist so schön, und es geht so schnell vorbei. Ich schwebe im Dunkelblauen. Aber auch die Trauer kann etwas Süßes haben.

Frau John, mögen Sie die Lieder Ihres Mannes?
John: Ich mag sie sehr, könnte es aber durchaus verkraften, wenn er mal das ein oder andere aus dem Repertoire schmeißt.
Tukur: Ja ja. Wir müssen uns von ein paar Liedern trennen, aber was soll man machen, der „Kakadu“ kommt halt so gut an. Die Rolling Stones spielen ja nach 50 Jahren auch immer noch „Satisfaction“.

Herr Tukur, mögen Sie die Fotos Ihrer Frau?
Tukur: Natürlich. Beim schönsten Bild, das ihr je gelungen ist, habe allerdings ich auf den Auslöser gedrückt. Das war für den Trottel vom Anfang.

Ulrich Tukur & Die Rhythmus Boys Di 28.5., 20Uhr, Laeiszhalle, Karten ab 47 Euro