Hamburg. Vor den Wahlen in Thüringen spricht Ministerpräsident Bodo Ramelow bei Markus Lanz über Fehler bei der Migration und mögliche Koalitionen.

Knapp zwei Monate vor der Landtagswahl in Thüringen rückt Markus Lanz die politische Situation des Freistaates in den Mittelpunkt seiner Sendung am Mittwoch. Es geht um eine Reihe harter Themen, wie das Erstarken der AfD, den schlechten Umfrageergebnissen der Thüringer Regierungsparteien Linke, SPD und Grüne und einem zunehmenden Antisemitismus, der in der Gesellschaft immer sichtbarer wird. Darüber diskutierte Lanz am Mittwochabend mit der Shoah-Überlebenden Eva Umlauf, Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Die Linke) und Jan Hollitzer, Chefredakteur der „Thüringer Allgemeine“. Vor allem der einzige Ministerpräsident der Linkspartei lieferte sich mit Lanz Wortgefechte.

Regierungsparteien in Thüringen bei Umfragen im Sinkflug

Hollitzer sagt, dass er in Thüringen derzeit eine absolute Verzweiflung und Orientierungslosigkeit vieler Wählergruppen wahrnehme, die mit dem politischen Angebot der regierenden Parteien derzeit unzufrieden seien. Das sehe man vor allem an den hohen Zustimmungswerten für AfD und BSW. Die Regierungsparteien Linke, SPD und Grüne hingegen seien in einer Krise und weit weg von einer Mehrheit, sagt Hollitzer.

„Ich nehme wahr, dass die Ostdeutsche Seele gerade ziemlich angegriffen ist“, sagt Ramelow dazu. Er kritisiert vor allem das Verhalten der Thüringer CDU, die eine Koalition mit seiner Linkspartei ausschloss, sich aber offen für eine Zusammenarbeit mit dem BSW zeige. Ein Paradox, sei Wagenknecht doch bekannt dafür gewesen, in vielen Punkten weiter links als seine Partei gestanden zu haben. Eine Koalition mit dem BSW könne er sich dennoch vorstellen. „Ich kämpfe gegen keine demokratische Partei und für mich ist das BSW erstmal Teil des demokratischen Spektrums“.

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Die AfD habe in Thüringen die Funktion der Kümmererpartei übernommen, sagt Hollitzer. Regierungsparteien seien immer mehr dazu aufgefordert zu liefern. In Zeiten zunehmender Krisen gestalte sich das jedoch zunehmend schwierig. „Aus der Opposition heraus gestaltet es sich einfacher, vermeintlich für die Interessen der Leute einzutreten“, sagt Hollitzer. Für das BSW sei die Oppositionsrolle wahrscheinlich die vermeintlich bessere Wahl: Erstmal Politik ohne Regierungsverantwortung betreiben und somit an Popularität gewinnen.

Ramelow: BSW gibt bei Migrationsfragen keine realen Antworten

Zum Ende der Sendung wird es dann nochmal emotional. Lanz fragt, warum die Politik der Thüringer Linkspartei von den Menschen derzeit so schlecht bewertet werde, während das BSW sich im Höhenflug befände. „Was ist der Punkt, wo Sie versagt haben?“, fragt Lanz. Mit der Frage zielt er auf die Migrationspolitik ab, in der sich die Linkspartei von den Positionen des BSW unterscheidet. Das BSW gebe keine realen Antworten auf die Migrationsfrage, sagt Ramelow. Er setze sich dafür ein, dass man den Migranten den Zugang zur Arbeit erleichtert, um sie möglichst schnell integrieren zu können.

Damit könne man auch den Betrieben helfen, die händeringend nach Arbeitern suchen. Und man nehme den Rechten ihr Narrativ, das sie immer wieder betonen. Flüchtlinge würden nicht arbeiten und sich das Leben vom Staat bezahlen lassen, sagt Ramelow. Lanz unterbricht: „Das ist jetzt aber ein anderes Thema“, sagt er. „Nein“, wird Ramelow lauter, den Zeigefinger auf Lanz gerichtet. Rassistisch geführte Diskurse würden Menschen, die Thüringen dringend als Arbeitskräfte bräuchte, davon abhalten, auch dort zu arbeiten.

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Als Lanz eingreifen will und den Kopf schüttelt, fährt Ramelow aus der Haut „Sie können da ja den Kopf schütteln, aber ich muss schließlich schauen, wo die Leute unterkommen“, sagt Ramelow. „Da können Sie doch nicht einfach sagen, das ist ein anderes Thema!“ Lanz bleibt ruhig und hakt nochmal nach. „Sie sehen nicht, dass Thüringen mit den Flüchtlingen auch überfordert war?“, fragt er Ramelow, der daraufhin einlenkt. „Mit der Art und Weise, wie wir mit Flüchtlingen umgegangen sind, haben wir uns selber überfordert“, sagt er.

Kein Wohlstand ohne Zuwanderung

Das sei jedoch ein ganz anderes Thema, gibt Ramelow Lanz recht, weil sich das auf der Verwaltungsebene abgespielt habe. Ansonsten sei Zuwanderung keine „Überforderung“. Ganz im Gegenteil wird er laut: „Wir werden den Wohlstand in Thüringen nicht mehr halten können ohne Zuwanderung.“ Dabei gehe es nicht nur um Fachkräfte, sondern um Menschen, die man zu Fachkräften ausbilden müsse, schließt Ramelow. Viel Platz, um Fragen zu stellen, blieb bei seinen Ausführungen nicht mehr übrig.

Das kritisiert auch Hollitzer: „So eine Vortragsweise wie eben unterbindet jede konstruktive Diskussion“, man habe es nicht geschafft über Sachen zu reden, die viele interessieren. Beispielsweise wie man mit Leuten umgeht, mit denen es tatsächlich Probleme gebe.