New York. Gleich drei neue Berichte verheißen wenig Gutes für das Klima. Die UN fordern drastische Schritte. Doch: Es gibt Lichtblicke.

Die weltweite durchschnittliche Jahrestemperatur wird nach Einschätzung der UNO bis 2028 mit 80-prozentiger Wahrscheinlichkeit zeitweise die 1,5-Grad-Marke überschreiten. Der Mai 2024 sei der wärmste Mai seit Beginn der Wetteraufzeichnungen gewesen, sagte UN-Generalsekretär António Guterres am Mittwoch. Er berief sich dabei auf den EU-Klimawandeldienst Copernicus. Damit sei den zwölften Monat in Folge ein weltweiter Temperaturrekord verzeichnet worden.

„Wir spielen mit unserem Planeten russisches Roulette“, sagte Guterres und forderte vor dem Hintergrund dreier Unheil verheißender Klimaberichte drastische Maßnahmen zur Eindämmung der Erderwärmung. „Wir brauchen eine Ausfahrt vom Highway zur Klimahölle“, so der Generalsekretär.

Alarmierende Berichte zum Klimawandel

Die Berichte sind alarmierend: Die menschengemachte Erderwärmung habe zuletzt so schnell zugenommen wie nie seit dem Start der instrumentellen Aufzeichnungen, heißt es im „Indicators of Global Climate Change“ (IGCC).

Dem Report zufolge darf der Mensch grob noch 200 Milliarden Tonnen CO₂ produzieren, um die Erderwärmung auf längere Sicht auf 1,5 Grad zu begrenzen. Das entspreche etwa den aktuellen Emissionen von fünf Jahren. Allerdings ist die Spanne nach Angaben der Universität Leeds hoch und reicht von 100 bis 450 Milliarden Tonnen.

Die Weltwetterorganisation (WMO) prognostizierte hingegen, dass die Jahresmittelwerte in den anstehenden Jahren wohl mindestens einmal über der 1,5-Grad-Schwelle liegen werden. Das war erstmals bereits der Fall: Zwischen Februar 2023 und Januar 2024 hatten die Temperaturen diese kritische Schwelle im Schnitt geknackt.

Bisher war von Januar bis Dezember gerechnet 2023 das heißeste Jahr seit der Industrialisierung, mit einer globalen Durchschnittstemperatur, die nach Daten der Weltwetterorganisation (WMO) 1,45 Grad über dem Durchschnitt von 1850 bis 1900 lag.

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Vereinte Nationen fordern radikale Maßnahmen

Guterres rief daher zum radikalen Schritten auf, etwa einem Finanzierungs- und Werbeboykott der Industrie, die Profite mit fossilen Brennstoffen wie Gas, Öl und Kohle macht. Regierungen sollten Werbung der Branche verbieten, ähnlich wie Tabakwerbung. Finanzinstitute sollten stattdessen in erneuerbare Energien investieren. Er nannte die Unternehmen der Branche „Paten des Klimachaos“.

Sie hätten jahrzehntelang Fortschritte in Richtung klimafreundliche Energie blockiert. „Milliarden von Dollar wurden dafür aufgewendet, die Wahrheit zu verdrehen, die Öffentlichkeit zu täuschen und Zweifel zu säen“, sagte er.

Gleichzeitig hätten solche Firmen mit Billionen an Subventionen aus Steuergeldern Rekordgewinne gemacht. Es sei höchste Zeit, diese Profite mit einer Sondersteuer zu belegen, um Klimaschutzprojekte zu finanzieren.

Guterres regte auch die Einführung von Abgaben bei Schifffahrt, Luftverkehr und Brennstoffindustrie an, um mehr Geld für die Transformation zu nachhaltiger Energie in ärmeren Ländern zu haben. Die führenden Industrie- und Schwellenländer (G20), die 80 Prozent der weltweiten klimaschädlichen Emissionen erzeugen, müssten am meisten tun und ärmeren Ländern sowohl Technologien als auch Finanzhilfen geben.

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1,5-Grad-Marke nicht klar definiert

Das Ziel, die Erwärmung möglichst auf 1,5 Grad zu begrenzen, stammt aus dem Pariser Klimaabkommen von 2015. Darin geht es allerdings um die Durchschnittstemperatur über längere Zeiträume, nicht einzelne Jahre. Insofern wäre das Ziel mit kurzzeitigen Überschreitungen noch nicht verfehlt.

Eine formell vereinbarte Definition, was eigentlich genau als Überschreiten des 1,5-Grad-Ziels gewertet wird, gibt es allerdings nicht. Viele Klimaexperten gehen davon aus, dass die 1,5-Grad-Schwelle ohnehin längst nicht mehr zu halten ist.

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Sondereffekte beeinflussen Temperaturen – Trend bleibt aber

Zu berücksichtigen ist bei den gemeldeten Rekordwerten und Entwicklungen, dass zuletzt Sondereffekte wie das erwärmend wirkende natürliche Klimaphänomen El Niño eine größere Rolle spielten. Im IGCC-Bericht heißt es zudem, der Anstieg sei einerseits auf den hohen Treibhausgas-Ausstoß zurückzuführen, andererseits sei die Menge an kühlenden Aerosolen in der Atmosphäre gesunken.

Beispielsweise war infolge einer neuen Verordnung für sauberere Schiffskraftstoffe der Gehalt an Sulfat-Aerosolen stark zurückgegangen.

Auch wenn also – etwa durch das Nachlassen von El Niño – nicht stetig weiter neue Rekorde folgen werden: Der Trend des menschengemachten Klimawandels bleibt, solange weiter Treibhausgase erzeugt werden.

Copernicus-Direktor Carlo Buontempo betonte: „Zwar wird diese Abfolge von Rekordmonaten irgendwann unterbrochen werden, doch die allgemeine Signatur des Klimawandels bleibt bestehen, und es ist keine Änderung dieses Trends in Sicht.“

Menschen können das Ruder noch herumreisen

Die Autoren des IGCC-Berichts führen Hinweise an, „dass sich der Anstieg der CO₂-Emissionen im vergangenen Jahrzehnt im Vergleich zu den 2000er-Jahren verlangsamt hat“. Je nachdem, welche Klimaschutzmaßnahmen umgesetzt werden, könnte das aktuelle Jahrzehnt eine Umkehr einiger Werte bringen.

Guterres sagte, die Menschen hätten es in ihrer Hand, das Ruder noch herumzureißen. Dafür müsse aber in den kommenden 18 Monaten deutlich mehr Klimaschutz umgesetzt werden. Diejenigen, die am wenigsten zum Klimawandel beitragen, seien am stärksten von den Folgen betroffen. Aber nur 15 Prozent der Investitionen in erneuerbare Energien gingen in Entwicklungsländer außerhalb Chinas.

„Wir können eine Zukunft nicht akzeptieren, in der die Reichen in klimatisierten Blasen geschützt sind, während der Rest der Menschheit von tödlichem Wetter in unbewohnbaren Ländern heimgesucht wird“, sagte er.

pcl/dpa/AFP