Paris. Der Vorsitzende der französischen Republikaner verkündet eine Allianz mit dem Rassemblement National – nicht ohne Konsequenzen.

Der 11. Juni 2024 hätte in Frankreich Geschichte schreiben können – als Ende des „cordon sanitaire“, der Brandmauer um die Rechtsextremen. Ein halbes Jahrhundert hatte sie gehalten: Die französische Politik war unterteilt in Anhänger der Republik und Anhänger eines autoritären, unter dem rechten Urahnen Jean-Marie Le Pen offen antisemitischen und xenophoben Staates.

Den Tabubruch hat Eric Ciotti, der Präsident von Les Républicains (LR) – dem Pendant zur CDU/CSU – vollzogen: Etwa so, wie wenn die CDU mit der AfD anbandeln würde, kündigte er am Dienstag eine „Allianz“ seiner Partei mit dem Rassemblement National (RN) an. Der Südfranzose reagierte damit auf die Ansetzung von Neuwahlen durch Präsident Emmanuel Macron – und das eher schlechte Resultat der ehemals stolzen Massenpartei der Républicains (7,5 Prozent Stimmen) bei den Europawahlen von Sonntag.

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Frankreich: Republikaner ziehen Konsequenzen

Kaum getätigt, stieß die Ankündigung auf vehementen Einspruch durch gemäßigte Republikaner. Sie forderten umgehend den Parteiausschluss Ciottis. „Kein Platz für Verräter“, empörte sich die ehemalige Präsidentschaftskandidatin Valérie Pécresse.

Der Angesprochene ruderte halbwegs zurück: Er sprach nur noch von einigen Dutzend Wahlkreisen, in denen die Absprachen zwischen RN und LR gültig sein sollten. Es half nichts: Die LR-Direktion hat ihren Vorsitzenden am Mittwoch in einer Krisensitzung mit sofortiger Wirkung entlassen.

Angenommen wird, dass der strittige LR-Chef seinen eigenen Wahlkreis in Nizza im Kopf hatte, als er den mit der Partei nicht abgesprochenen Vorstoß unternahm.

Das Lager von Präsident Emmanuel Macron sabotierte die Republikaner derweil von der Mitte aus: Innenminister Gérald Darmanin bot ihnen an, dass die Macron-Partei Renaissance dort, wo Kandidaturen der Republikaner gefährdet sind, ihren eigenen Kandidaten zurückzieht.

Kommt jetzt die Implosion der Republikaner?

Dieses vergiftete Geschenk liefe darauf hinaus, dass sich die Republikaner einerseits mit dem rechten RN und andererseits mit der zentristischen Renaissance verbünden könnten – was politisch natürlich nicht denkbar ist. Letztlich könnte sich Ciottis Vorstoß in sein Gegenteil verkehren, nämlich die Implosion der Républicains – einer Partei, die bis auf Charles de Gaulle zurückgeht und weitere Präsidenten wie Georges Pompidou, Jacques Chirac oder Nicolas Sarkozy hervorgebracht hatte. Jetzt wird sie von ihren beiden Rändern her geschreddert.

Ob der versuchte Tabubruch weitere Kreise ziehen könnte, ist noch offen. Das hängt vor allem von der Mehrheitsstimmung in der LR ab. Die Basis scheint lokalen Allianzen mit den Lepenisten geneigter zu sein als die Pariser Direktion. In dieser Angelegenheit ist das letzte Wort noch lange nicht gesprochen.