Berlin. Früher waren die US-Republikaner eine stolze Partei. Heute sind sie ein Propaganda-Trupp. Auch nach Trump dürfte sich das kaum ändern.

In den letzten Tagen des New Yorker Trump-Prozesses Ende Mai spielten sich Szenen ab, die an ein höfisches Zeremoniell im Mittelalter erinnerten. Der ehemalige US-Präsident saß im Saal des Strafgerichts in Manhattan. Hinter ihm hatte sich eine Kohorte aus republikanischen Unterstützern platziert: Repräsentantenhaussprecher Mike Johnson, Senatoren, Abgeordnete und Gouverneure wollten Donald Trump den Rücken stärken und vermutlich auch ihre Karrieren befördern.

Sie verhielten sich wie Höflinge, die sich um den König scharten. Dabei waren die Anschuldigungen gravierend. Es ging um den Vorwurf der Verschleierung von Schweigegeldzahlungen an die frühere Porno-Darstellerin Stormy Daniels sowie die illegale Verbuchung des Betrags, um den Wahlkampf von Trump 2016 nicht zu gefährden.

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Auch nach Trumps Verurteilung ist aus der Partei der Republikaner kaum ein kritisches Wort zu hören, zumindest nicht öffentlich. Es gibt nur ein Narrativ: Der Gerichtsbeschluss sei eine „politische Hexenjagd“ und eine „Gefahr für die amerikanische Demokratie“. Die Republikaner sind zu einem eingeschworenen Propaganda-Trupp geworden, der die Schwarz-Weiß-Ideologie ihrer Ikone verinnerlicht hat.

Es gilt die Trump-Devise: Alles tun, um Biden zu schaden

Der demokratische Präsident Joe Biden steht demnach für Finsternis, der republikanische Kandidat Donald Trump für Licht. Es gilt die Trump-Devise: Alles tun, um Biden zu schaden. Dessen Kompromisspaket – Sicherung der Südgrenze gegen Migranten sowie Finanzspritzen für die Ukraine, Israel und Taiwan – enthielt auch etliche Forderungen der Republikaner. Dennoch wurde es monatelang blockiert. Der Präsident sollte als politisch impotent dastehen.

Am Donnerstag stehen sich Donald Trump und Joe Biden in einem TV-Duell gegenüber.
Am Donnerstag stehen sich Donald Trump und Joe Biden in einem TV-Duell gegenüber. © AFP | BRENDAN SMIALOWSKI

Unter dem Banner von „America First“ formieren sich die Republikaner für die große Schlacht: für Protektionismus, gegen Flüchtlinge, gegen langfristige Ukraine-Hilfe. Trump verbreitet die verführerische Illusion, dass er den Ukraine-Krieg durch einen Blitz-Deal mit seinem autokratischen Bruder im Geiste Wladimir Putin beilegen könne. 

Die Parteibasis ist Trump in blinder Gefolgschaft verbunden. Für sie ist er eine Leuchtfigur, ein Systemsprenger, der den politischen Eliten den Kampf angesagt hat. Viele identifizieren sich damit. „Bei Trump handelt es sich um einen politischen und kulturellen Kult, gerade was seine eingefleischten Anhänger angeht. Rationale Überlegungen zählen da wenig“, sagte der Politikwissenschaftler Klaus Larres von der University of North Carolina in Chapel Hill unserer Redaktion.

Blinde Gefolgschaft: Trump hat Kultstatus eines Musik-Stars

Larres vergleicht Trumps „Kult“-Charakter mit dem von Musik-Stars wie Taylor Swift oder früher den Beatles, der auch etwas mit „Zusammengehörigkeitsgefühl“ und einem „Lebens- und Denkstil“ zu tun habe. Die Partei machte sich Trump untertan, indem er Angst und Schrecken verbreitete. Er kann Karrieren ermöglichen oder zerstören. So boxte er bei den Zwischenwahlen zum Kongress 2022 radikale Kandidaten durch, indem er gemäßigte Anwärter wegmobbte.

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In der Folgezeit wurde der MAGA-Flügel, benannt nach Trumps Wahl-Slogan „Make America Great Again“, immer mächtiger. Im Repräsentantenhaus hatten schrille Rechtsextreme wie Marjorie Taylor Greene, Matt Gaetz oder Lauren Boebert das Sagen. Trump-Kritiker wie Liz Cheney, Chris Christie oder Jeff Flake wurden auf offener Bühne attackiert oder warfen von selbst das Handtuch.

Auch vor den im November parallel zur Präsidentschaftswahl stattfindenden Kongresswahlen wird das Votum des Polit-Zampanos gefürchtet. „Dadurch ist Trump auch diesmal wieder Königsmacher der Partei, der immensen Einfluss darauf hat, welche Kandidaten sich bei den innerparteilichen Vorwahlen für Kongresssitze durchsetzen“, sagte Dominik Tolksdorf von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) unserer Redaktion.

Republikaner sind inzwischen eine rechtspopulistische Bewegung

Mit der Basis im Rücken haben Trump und seine Leute systematisch über Jahre den Parteiapparat übernommen. In einem Bundesstaat nach dem anderen hat er seine Anhänger zur Wahl von Parteispitzen mobilisiert. Der MAGA-Flügel bestimmt nun über Wahlprozesse und Parteizentralen. Wer sich mit Trump anlegt, wird niedergemacht. Die einst stolze „Grand Old Party“ hat sich in eine rechtspopulistische Bewegung verwandelt.

In Zeiten von Ronald Reagan galten für die Republikaner noch die programmatischen Eckpunkte Steuersenkungen, Deregulierung, starkes Militär. Davon ist heute nicht mehr viel übrig.
In Zeiten von Ronald Reagan galten für die Republikaner noch die programmatischen Eckpunkte Steuersenkungen, Deregulierung, starkes Militär. Davon ist heute nicht mehr viel übrig. © picture alliance / SvenSimon | SVEN SIMON

Sie ist inhaltlich entkernt, hat keine Debattenkultur und polarisiert gnadenlos. In der Reagan-Ära der 80er-Jahre galten noch die programmatischen Eckpunkte Steuersenkungen, Deregulierung, starkes Militär. Die Republikaner waren damals, wie die Demokraten, eine „Plattform-Partei“: Die Grundsätze hatten nie quasi-religiöse Gültigkeit. Eine Einigung mit der der anderen Seite gehörte zur politischen DNA des damaligen Amerika.

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Die Chancen, dass die Republikaner in der Zeit nach Trump wieder auf einen moderaten Pfad zurückkehren, sind gering. „Selbst bei einer krachenden Niederlage Trumps würden Kernthemen der MAGA-Bewegung die Partei weiter prägen – darunter Begrenzung von Einwanderung, Ausbau des Grenzschutzes, protektionistische Handelspolitik und die Förderung ‚traditioneller‘ (christlicher) Werte statt ‚Woke-Ideologie‘“, betont USA-Experte Tolksdorf.

„Die führenden Stimmen der Partei werden künftig wahrscheinlich nicht Jeff Flake oder Liz Cheney, sondern Politikerinnen und Politiker wie Elise Stefanik, Tom Cotton oder Tim Scott sein.“ Eine zweite Amtszeit Trumps wäre ein Crash-Test für die US-Demokratie, befürchten Beobachter. „Sollte Trump gewählt werden, würde das politische System und die institutionelle Gewaltenteilung ernsthaft auf die Probe gestellt – viel mehr als 2016“, prognostiziert DGAP-Mann Tolksdorf.