London. Der Gründer von Wikileaks ist auf dem Weg in seine Heimat. Dort erwartet ihn seine Frau mit den beiden Kindern – und besonderen Plänen.

Am Ende ging alles ganz schnell: „Julian ist frei“, schrieb Stella Assange, die Frau des Wikileaks-Gründers Julian Assange, am Dienstagmorgen auf dem Kurznachrichtendienst „X“. Es ist das Ende einer jahrelangen Odyssee in Großbritannien.

Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von X, der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und wieder ausgeblendet werden.
Externer Inhalt
Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Assange sieht älter aus und hat sichtlich an Gewicht zugenommen. Seine Haare, die schon während der Hochphase seiner Prominenz in den frühen 2010er-Jahren grau waren, sind dünner und kurz geschnitten. „Worte können unsere immense Dankbarkeit dir gegenüber nicht ausdrücken – ja, dir, der du jahrelang mobilisiert hast, um dies zu verwirklichen“, schreibt Stella Assange an die Unterstützer ihres Mannes. Nun erwartet ihn offenbar ein neues Leben, eines in Freiheit. Und doch wirft der Fall noch etliche Fragen auf.

Assange ist Australier – wie bewertet die dortige Regierung den Fall?

Assange wurde Berichten zufolge bei seinem Flug auf die Nördlichen Marianen von Stephen Smith begleitet, dem australischen Hochkommissar in Großbritannien. Seine Rolle entspricht der eines Botschafters. Auf Smiths Anwesenheit dürfte Assanges Team gedrängt haben. Und das nicht ohne Grund: Ein Bericht aus dem Jahr 2021 legte nahe, dass der damalige CIA-Chef Mike Pompeo während der Amtszeit von Donald Trump über eine Entführung oder sogar Tötung Assanges nachgedacht hat. Auch wenn eine solche außergerichtliche Tötung unter der derzeitigen Regierung in Washington ausgesprochen unwahrscheinlich erscheint, ist nachvollziehbar, warum Assanges Team auf der Anwesenheit des hochrangigen Diplomaten bestanden hat.

Was bedeutet die Freilassung für Assanges Familie?

Stella Assange äußerte sich nach der Freilassung ihres Mannes erleichtert. Die schwedisch-spanische Anwältin war 2011 von dem Anwaltsteam des Wikileaks-Gründers angeheuert worden, um seine Auslieferung nach Schweden zu verhindern. Seitdem hat sie durchgehend für die Freilassung Assanges gekämpft. 2015 gingen die beiden eine Beziehung ein, sie bekamen zwei Söhne. Die beiden wurden 2017 und 2019 geboren, als sich Assange noch in der ecuadorianischen Botschaft vor den britischen Behörden versteckte.

Lesen Sie mehr: USA und juristische Deals - wie Assange freikommen konnte

Von Australien aus, wohin Stella Assange geflogen war, um das zukünftige Leben der Familie vorzubereiten, sagte sie am Dienstag der britischen BBC, dass sie ihre beiden Söhne noch nicht über die Freilassung ihres Vaters unterrichtet habe. „Wir waren uns erst in den letzten 24 Stunden wirklich sicher, dass es tatsächlich passiert.“ Sie sei 24 Stunden vor seiner Freilassung mit den Kindern nach Australien aufgebrochen. Den Kindern habe sie gesagt, dass sie sich auf einen Familienbesuch begeben würden.

Dabei hätten auch Sicherheitsbedenken eine Rolle gespielt. „Wir waren sehr vorsichtig, denn offensichtlich kann niemand einen Fünf- und einen Siebenjährigen davon abhalten, es zu einem beliebigen Zeitpunkt laut herauszuposaunen.“ Wäre das Abkommen vorzeitig bekannt geworden, hätte das dazu führen können, dass es scheitert. „Wegen der Sensibilität rund um die Unterschrift des Richters unter das Abkommen waren wir sehr vorsichtig und haben ihnen die Informationen nach und nach schrittweise mitgeteilt.“

Es seien „harte Jahre“ gewesen und dass sie erst wirklich glauben würde, dass er frei sei, wenn sie wieder vereint seien, sagte Stella Assange. Sie habe immer noch Angst, dass etwas schiefgehen könnte. Sollte alles klappen, wird Assange sich in Australien von den körperlichen Strapazen der Haft erholen. Seiner Frau zufolge hat er 2021 einen leichten Schlaganfall erlitten, dessen Folgen er noch immer spüre.

Assange besteigt ein Flugzeug: Seine Familie hofft auf ruhigere Zeiten.
Assange besteigt ein Flugzeug: Seine Familie hofft auf ruhigere Zeiten. © AFP | -

Wie geht es für Assange weiter, wenn er in Australien eintrifft?

Stella Assange erklärte, dass ihr Mann eine Begnadigung durch US-Präsident Joe Biden ersuchen werde. „Die Tatsache, dass es ein Schuldbekenntnis nach dem Spionagegesetz in Bezug auf das Erlangen und Offenlegen von Informationen zur nationalen Verteidigung gibt, ist natürlich eine sehr ernsthafte Sorge für Journalisten und speziell für Journalisten im Bereich der nationalen Sicherheit“, sagte Stella Assange der Nachrichtenagentur Reuters.

Assange und sein Team planten zudem, eine Spendenkampagne zu starten, um die Kosten des Charterfluges wieder hereinzubekommen. Diese beliefen sich auf 500.000 US-Dollar. „Es ist australische Politik, dass er seinen Rückflug selbst bezahlen muss“, sagte sie Reuters.

Stella Assange kam als Anwältin ins Team von Julian Assange. Später gingen die beiden eine Beziehung ein und bekamen zwei Söhne.
Stella Assange kam als Anwältin ins Team von Julian Assange. Später gingen die beiden eine Beziehung ein und bekamen zwei Söhne. © Screenshot YouTube/FMG

Wie reagieren die Amerikaner?

James Clapper, der zur Zeit der Wikileaks-Enthüllungen Direktor der nationalen Nachrichtendienste war, äußerte sich deutlich über den Deal. „Entscheidend war Assanges Schuldbekenntnis in dem Punkt der Spionage“, sagte Clapper in einem Interview mit dem US-Sender CNN. „Ich glaube, die Strafverfolgungsbehörden und die Geheimdienstgemeinschaft hätten dem nicht ohne dieses Schuldbekenntnis zugestimmt. Er hat im Wesentlichen sieben Jahre in der ecuadorianischen Botschaft in London in Haft verbracht“, sagte Clapper. Anschließend habe Assange 62 Monaten lang in einem „harten Gefängnis in London“ gesessen. „Also hat er seine Schuld in gewisser Weise beglichen.“ 

Wikileaks hatte 2010 Hunderttausende interne Papiere des US-Militärs und diplomatische Depeschen amerikanischer Diplomaten veröffentlicht. Die Dokumente enthielten Hinweise darauf, dass es sowohl in Afghanistan als auch im Irak mehr zivile Todesopfer durch die USA und Koalitionstruppen gab, als Washington öffentlich zugab. Die Papiere deuteten zudem darauf hin, dass die USA wussten, dass irakische Sicherheitskräfte Kriegsgefangene folterten. Die Enthüllungen brachten Washington damals in schwere Erklärungsnot.