Berlin. Ab nächstem Jahr soll die ePA Standard werden. Doch die Hausärzte zweifeln an der Umsetzung und fürchten „Frust auf allen Seiten“.

Die Idee ist so einfach wie einleuchtend: eine individuelle, elektronische Ablage für alles, was mit Gesundheitsversorgung zu tun hat. Befunde, Diagnosen, Laborberichte nicht mehr auf Papier, sondern digital, die medizinische Historie eines Patienten problemlos abrufbar beim nächsten Arztbesuch.

All das soll die elektronische Patientenakte, kurz ePA, leisten. Schon seit 2021 können Versicherte in Deutschland auf Wunsch eine solche Akte anlegen lassen, bisher wird das aber kaum genutzt. Ab dem nächsten Jahr soll sich das ändern. Anfang 2025 wird die ePA flächendeckend eingeführt: Für gesetzlich Versicherte, die nicht ausdrücklich widersprechen, wird dann eine solche Akte angelegt.

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Für Patientinnen und Patienten ebenso wie für die, die sie behandeln, kann die Akte große Verbesserungen bringen. Das sieht auch der Verband der Hausärzte und Hausärztinnen so. Trotzdem schlägt der Verband jetzt Alarm: Denn gut ein halbes Jahr vor dem Start, so die Hausärzte, sei die Akte so unausgereift, dass der Start schief zu gehen drohe.

ePA: Hausärztin fürchtet „Frustration auf allen Seiten“

„Eine gut funktionierende ePA für alle wäre zweifelsohne ein Segen“, sagt Nicola Buhlinger-Göpfarth, Co-Vorsitzende des Verbands, dieser Redaktion. „Stand jetzt ist die Umsetzung allerdings so schlecht, dass wir leider mit einem Chaos-Start rechnen müssen.“

Konkret beklagt der Verband unter anderem Probleme bei der Verbindung der Akte mit den Systemen der Praxen. Jana Husemann ist Digitalexpertin im Hausärztinnen- und Hausärzteverband, kennt diese Probleme aber auch aus ihrer Praxis als niedergelassene Ärztin.

Bei den wenigen Patienten und Patientinnen, die die Akte einsetzen wollten, scheitere es oft an der Anmeldung, sagt sie. „Und das eine Mal, dass bei uns tatsächlich ein Patient mit ePA kam, hat es so lang gedauert, sie zu öffnen, dass wir abgebrochen haben.“

Technisch soll die ePA ab Januar zwar stabiler laufen. „Ich bin aber skeptisch, ob es so viel schneller wird, dass es praktisch nutzbar ist.“ Grundsätzlich, betont sie, sei sie eine große Befürworterin der elektronischen Patientenakte. „Gut gemacht kann das zu einer Verbesserung der Versorgung beitragen.“ In der aktuellen Form aber, fürchtet sie, könnte die ePA zu „Frustration auf allen Seiten“ führen.

Gesundheitsministerium zeigt sich irritiert über Kritik

Husemann, die ihre Praxis in Hamburg hat, arbeitet in einem der Gebiete, in denen ab dem 15. Januar 2025 noch einmal eine vierwöchige Testphase gestartet werden soll. Anschließend kommt die elektronische Akte für alle gesetzlich Versicherten. Ärztinnen und Ärzte müssen dann Daten aus aktuellen Behandlungen in die ePA eintragen. Auf Wunsch von Patientinnen und Patienten müssen außerdem die Krankenkassen in begrenztem Umfang ältere Befunde, Laborwerte und ähnliches in der Akte nachtragen. Patientinnen und Patienten können auch selbst Dokumente hochladen.

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    Zugang zur Akte für die Versicherten gibt es über Apps, die die Krankenkassen bereitstellen. Patienten können außerdem Stellvertreter benennen, die für sie auf die Akte zugreifen können, etwa Familienmitglieder. Für Menschen ohne Smartphone soll laut Gesundheitsministerium darüber hinaus eine Einsichtnahme der ePA in ausgewählten Apotheken ermöglicht werden.

    Im Bundesgesundheitsministerium zeigt man sich irritiert über die Kritik des Verbandes. „Die ePA für alle kann nur ein Erfolg werden, wenn die Ärzteschaft die Vorteile der Digitalisierung für die Versorgung ihrer Patienten erkennt“, so ein Sprecher von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD).

    Deswegen setze die Bundesregierung alles daran, den ePA-Start Anfang kommenden Jahres so reibungslos wie möglich zu gestalten. Mögliche Anfangsschwierigkeiten mit der elektronischen Patientenakte sollten bei Testläufen in den Modellregionen schnell erkannt und beseitigt werden.

    Verbraucherschützer sehen vor allem ein großes Problem

    Das Ministerium verweist zudem darauf, dass die Bundesregierung plant, die Anbieter von Praxissoftware zur besseren Performanz zu verpflichten. Ein entsprechendes Gesetz befinde sich in der regierungsinternen Abstimmung und soll Mitte Juli ins Kabinett. „Die Patientenakte darf nicht daran scheitern, dass die Praxissoftware zu langsam arbeitet“, so der Sprecher.

    Auch Verbraucherschützer sehen keine grundsätzlichen Hindernisse auf dem Weg zur flächendeckenden Nutzung der Akte. „Wenn man Dinge nicht ausprobiert, kann man sie nicht weiterentwickeln“, sagt Thomas Moormann, Leiter des Teams Gesundheit und Pflege beim Verbraucherzentrale Bundesverband. „Ich würde mir da mehr Gelassenheit und Unterstützung wünschen.“ Probleme mit der Software der Praxen lägen zumindest in Teilen nicht an der ePA, sondern auch an den Herstellern der Software. „Dort müssen die Ärzte Druck machen.“

    An einer Stelle allerdings sieht Moormann großen Nachbesserungsbedarf. Versicherte können in der Akte festlegen, wer Zugriff auf welche Dokumente hat – damit können sie regeln, dass nicht alle Ärzte und Praxen alle Informationen in der Akte sehen können. Das kann relevant sein, wenn es etwa um Diagnosen und Befunde geht, die immer noch stigmatisiert werden, wie HIV oder psychische Erkrankungen.

    Bei der Medikamentenliste in der Akte aber fehlt diese Option. „Man kann nicht einzelne herausnehmen, obwohl man ja auch von den Medikamenten Rückschlüsse auf Diagnosen und den Lebensstil ziehen kann“, sagt Moormann. „Da muss unbedingt eine andere Lösung gefunden werden.“