Berlin. Das Versprechen von Wahlerfolgen motiviert die Partei zur Professionalität. Über die Radikalität der AfD darf das nicht hinwegtäuschen.

Weidel und Chrupalla als AfD-Chefduo wiedergewählt

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    Der AfD ist in den elf Jahren seit ihrer Gründung vieles vorgeworfen worden, nur nicht: Anlass zur Langeweile. Die Delegiertentreffen der Partei waren in der Vergangenheit oft genug ruppige Angelegenheiten, gut für überraschende Wendungen. Immer wieder hat die AfD gezeigt, dass sie in der Lage und willens ist, innerparteiliche Kämpfe vor laufenden Kameras und mit gebleckten Zähnen auszutragen.

    Nicht verwunderlich also, dass viele Beobachterinnen und Beobachter auch an diesem Wochenende in Essen den großen Krach erwartet haben. Doch der blieb aus.

    Der Bericht vom AfD-Parteitag: Der Fahrplan zur Macht und „das Wunder von Essen“

    Im Vorfeld weitgehend geeinte Kandidaturen, eine Parteitagsregie, die es versteht, aus den größten Konflikten schon vorab den Druck herauszulassen, Parteivorsitzende, die sich gegenseitig und die unterschiedlichen Teile der Partei umarmen: In Essen zeigt sich die AfD einen Schritt näher am politischen Prozess, wie er in anderen Parteien abläuft (bei denen sie ihn in der Vergangenheit freilich stets als unauthentisch verunglimpft hat).

    Es ist die Aussicht auf Erfolg, auf immer neue Stimmenrekorde, die die Partei diszipliniert. In der AfD stellt man gedanklich schon jetzt einmal den Champagner kalt für die Landtagswahlen in Sachsen, Brandenburg und Thüringen im Herbst. In allen drei Ländern kann die AfD hoffen, stärkste Kraft zu werden. Co-Parteichef Tino Chrupalla träumt auf offener Bühne davon, dass der Osten seinen Leuten die ersten Regierungsbeteiligungen bringen soll. Mit wem die AfD dafür zusammenarbeiten würde, ist zwar völlig offen – trotzdem wähnt die Partei die Macht in greifbarer Nähe.

    Die AfD wäre nicht die erste Rechtsaußen-Partei, die sich vor diesem Hintergrund um einen seriöseren Anstrich bemüht. Das zeigt ein Blick etwa nach Schweden, wo es die Schwedendemokraten unter anderem mit dieser Strategie zu erheblichem Einfluss auf die Regierung gebracht haben, oder nach Frankreich.

    Der neue, professionalisierte Lack kann den Kern der Partei nicht verbergen

    Doch der neue, professionalisierte Lack kann nicht verbergen, was darunter ist. Die AfD ist eine Partei, für die Deutschsein keine Frage von Staatsbürgerschaft ist, sondern von Genetik. Belege dafür gibt es genug, egal ob die jüngsten Äußerungen von Funktionären gegen die Fußballnationalmannschaft der Männer, oder die Vertreibungsfantasien auf dem Treffen in Potsdam, die sich auch auf Staatsbürger erstreckten.

    Theresa Martus ist Politik-Redakteurin in der FUNKE Zentralredaktion.
    Theresa Martus ist Politik-Redakteurin in der FUNKE Zentralredaktion. © FUNKE Foto Services | Reto Klar

    Sie ist eine Partei, die Patriotismus und Regeltreue behauptet und deren Kandidaten dann im Verdacht stehen, Geld von anderen Staaten anzunehmen. Sie ist eine Partei, die Unterschiede nicht sehen kann, ohne daraus Hierarchien zu bauen. Die Verunsicherung und Angst in der Bevölkerung aufgreift, nur um daraus Hass zu machen. Die als Antwort auf die Probleme der Gegenwart immer nur dasselbe Bild einer Vergangenheit anbietet, die es so nie gab.

    Vor ein paar Jahren sprach ein – inzwischen ehemaliger – Pressesprecher der Fraktion das Erfolgskalkül der AfD einmal aus, in einem Gespräch, in dem er sich unter Gleichgesinnten fühlte und vor einer laufenden Kamera, von der er nicht wusste: „Je schlechter es Deutschland geht, desto besser für die AfD.“

    Daran hat sich nichts geändert. Das Wohlergehen der Menschen im Land und der Erfolg der AfD stehen sich unvereinbar gegenüber.

    Wie lange die neue Harmonie in der AfD halten wird, ist offen und entscheidet sich wohl auch danach, wie erfolgreich die Partei bei den nächsten Wahlen sein wird. Zu einer seriösen Wahl-Option macht sie die AfD jedenfalls nicht. Die Wölfe bügeln nur ihr Schafsfell auf.