Frankreich: Innenminister Sarkozy mit Buhrufen und Beleidigungen empfangen. Seit Beginn der Unruhen am 27. Oktober wurden mehr als 2650 mutmaßliche Randalierer festgenommen.

Paris/Lyon. Die Krawalle in Frankreich haben sich am Wochenende vom Großraum Paris auf andere Städte verlagert. Die in der Hauptstadt befürchtete Randale nach dem Fußball-Länderspiel Frankreich gegen Deutschland blieben aus. In Paris waren 2000 zusätzliche Polizisten im Einsatz. In der Altstadt von Lyon, der drittgrößten Stadt Frankreichs, trieb die Polizei randalierende Jugendliche mit Tränengas auseinander; für gestern wurde daraufhin ein Versammlungsverbot verhängt. Im Norden und Westen des Landes beruhigte sich die Lage weiter. Die Zahl brennender Autos ging deutlich zurück.

Polizeichef Michel Gaudin sprach von einer "allgemeinen Beruhigung". "Die Dinge dürften sich schnell normalisieren", sagte er. In der 17. Nacht seit Beginn der Unruhen steckten Randalierer landesweit 374 Fahrzeuge in Brand; 212 Menschen wurden festgenommen. In der Vornacht waren noch 502 Autos in Flammen aufgegangen. Zwei Sicherheitskräfte erlitten Verletzungen.

Während des Fußballspiels Frankreich - Deutschland, das mit einem Unentschieden ausging, galt für die Pariser Innenstadt ein Versammlungsverbot. Ruhig blieb es in der Umgebung des am nördlichen Stadtrand gelegenen Stade de France, wo das Spiel stattfand. Meetro- und Regionalzüge wurden verstärkt überwacht.

In Lyon verlagerten sich die Krawalle erstmals vom Stadtrand in ein Stadtzentrum. In der historischen Altstadt lieferten sich junge Leute mehr als zwei Stunden lang eine Straßenschlacht mit den Einsatzkräften, warfen mit Steinen und kippten Mülltonnen um. Die Stadtverwaltung hatte ein Ausgehverbot für Jugendliche und für gestern ein Versammlungsverbot erlassen. In Lyon und Umgebung zündeten Randalierer 72 Autos an, in der Vornacht brannten 101 Fahrzeuge.

Nach einer Umfrage des "Journal du Dimanche" glauben 72 Prozent der Menschen in Franzosen nicht, daß Staatspräsident Jacques Chirac die sozialen Ursachen in den Griff bekommt, die den Unruhen zugrunde liegen. 25 Prozent trauen dies aber dem Rechtspopulisten Jean-Marie Le Pen zu. Je 50 Prozent der Befragten äußerten Vertrauen in Premier Dominique de Villepin und Innenminister Nicolas Sarkozy.

Dieser wurde mit Buhrufen und Beleidigungen empfangen, als er sich in Paris auf den Champs-Élyseees zeigte. Er wollte sich dort von den Sicherheitsvorkehrungen der Polizei überzeugen. Sarkozy kündigte an, die geplante Abschiebung von in die Krawalle verwickelten Ausländern könne möglicherweise schon am heutigen Montag beginnen. Eine Zahl wollte er nicht nennen. Seit Beginn der Unruhen am 27. Oktober wurden laut Polizei mehr als 2650 mutmaßliche Unruhestifter festgenommen, unter ihnen nach Angaben des Innenministers mindestens 120 Ausländer.

In mehreren Städten gab es Demonstrationen gegen die Unruhen, aber auch gegen den Ausnahmezustand. Während die Gewalt in Frankreich nachzulassen schien, brannten in Belgien mit mehr als 30 Fahrzeugen so viele Autos wie nie zuvor. Die Polizei meldete 50 Festnahmen.