Berlin. Was machen glückliche Paare anders? Paartherapeuten geben Tipps und verraten, warum Distanz in der Beziehung sogar wichtig ist.

Verliebt, verlobt, verheiratet, oft unzufrieden und unglücklich – Ehen in Deutschland wurden 2022 laut Zahlen des Statistischen Bundesamtes durchschnittlich nach 15,1 Jahren geschieden. Nach ewiger Liebe klingt das nicht. Und doch gibt es auch andere Beispiele, Paare, die ein Leben lang zusammen glücklich sind. Tom Hanks und Rita Wilson etwa, beide US-amerikanische Schauspieler, sind bereits seit 36 Jahren miteinander verheiratet – und den Berichten nach glücklich miteinander.

Was ist das Geheimrezept von Paaren, die so lange zufrieden und glücklich zusammenbleiben? Zwei Paartherapeutinnen und ein Paartherapeut verraten ihre Tipps für eine erfüllte Partnerschaft und Ehe.

Glückliche Beziehung: „Findet in dem Raum zwischen Nähe und Distanz statt“

„In meinen Augen sind es drei Sachen, die ein Geheimrezept für eine glückliche Partnerschaft ausmachen: Kommunikation, die Balance zwischen Autonomie und Zweisamkeit sowie ähnliche Grundwerte, die Paare miteinander teilen“, sagt Paartherapeutin Vera Matt. Paare müssten nicht immer alles gemeinsam machen. Wie viel Zeit man für sich selbst außerhalb der Partnerschaft brauche, sei individuell verschieden. „Die Balance zwischen Selbständigkeit und gemeinsamer Zeit zu finden und zu halten, ist sehr bedeutungsvoll für eine glückliche Partnerschaft“, erklärt Matt.

Vera Matt ist seit 2000 selbständige Paartherapeutin mit einer Praxis am Berliner Stadtrand im brandenburgischen Falkensee.
Vera Matt ist seit 2000 selbständige Paartherapeutin mit einer Praxis am Berliner Stadtrand im brandenburgischen Falkensee. © Thomas Ernst

Auch für die Paartherapeutin Jamila Mewes ist diese Balance entscheidend: „Eine glückliche Beziehung findet in dem Raum zwischen Nähe und Distanz statt.“ Glückliche Beziehungen würden die Wichtigkeit der individuellen Freiheit und der Pflege persönlicher Interessen anerkennen.

Beziehungs-Mythen: Das sind die größten Trugschlüsse

Dabei muss es nicht immer harmonisch zugehen. Denn dass Streit in einer guten und glücklichen Beziehung nicht vorkommen würde, ist einer der viele Mythen, die sich rund um das Thema Liebe ranken. „Streitigkeiten gehören zu jeder Beziehung, und damit die Fähigkeit, Konflikte auf faire und konstruktive Weise zu lösen“, das stärke die Beziehung langfristig, erklärt Mewes. „Ohne Reibung gibt es keine Wärme“, ergänzt Therapeutin Matt. Konflikte seien Wachstumschancen, aus denen man lernen könne.

Perfektion ist der Expertin zufolge ein weiterer Mythos: „Keine Beziehung ist perfekt. Romantische Filme mögen an der Stelle enden, wenn sich das Paar gefunden hat, doch in Wahrheit beginnt die Arbeit an der Beziehung erst dort.“

Jamila Mewes ist emotionsfokussierte Paartherapeutin und Beziehungscoach aus Berlin. Zusammen mit ihrem Mann Tino Mewes moderiert sie den Podcast
Jamila Mewes ist emotionsfokussierte Paartherapeutin und Beziehungscoach aus Berlin. Zusammen mit ihrem Mann Tino Mewes moderiert sie den Podcast "Intensiv gewollt" zum Thema Partnerschaftskrisen und Beziehungstipps. © Tino Mewes | Tino Mewes

Holger Kuntze, ebenfalls Paartherapeut, sieht das ähnlich: „Hinter einer langjährigen Beziehung steckt vor allem eine Menge Arbeit.“ Nur selten komme es vor, dass wir jemanden finden, der auch nach der ersten Verliebtheitsphase auf der Mittel- und Langstrecke die gleiche Vorstellung einer Beziehung habe wie man selbst. Als Erstes müssten wir akzeptieren, dass jeder eine unterschiedliche Idee von einer Beziehung hat.

Tipps der Experten: Wie eine glückliche Partnerschaft funktionieren kann

Selbst mit dem Wissen um die Unterschiede und Differenzen in der Liebe ist es im Alltag nicht immer einfach, sich diese dauerhaft bewusst zu machen, diese anzunehmen und die Partnerschaft lebendig zu halten, um so glücklich zu bleiben. Das raten die drei Therapeuten:

1. Aufgabenverteilung

Jamila Mewes: „Ungerechtigkeit bei Haushaltsaufgaben oder in der Kinderbetreuung kann zu Spannungen führen. Paare sollten Aufgaben fair verteilen und offen über Erwartungen diskutieren.“

2. Quality Time

Mewes: „Zeitmangel aufgrund von Arbeit, Familie oder sonstigen Verpflichtungen kann die Beziehung beeinträchtigen. Bewusst geplante ‚Quality Time‘ und Rituale können helfen, sich wieder näherzukommen. Das kann auch bedeuten, sich in einem vollen Familienalltag für Sex zu verabreden. Wir glauben, Sex muss spontan entstehen, was oft zur Folge hat, dass er gar nicht mehr vorkommt.“

3. Bei sich bleiben

Mewes: „Jeder Partner sollte eigenen Hobbys oder Interessen nachgehen, die ihm oder ihr persönliche Erfüllung bringen. Das Bewahren der eigenen Identität ist entscheidend für das persönliche Glück und die Zufriedenheit und kann die Anziehungskraft auf den Partner verstärken, da Unabhängigkeit und Selbstsicherheit oft als attraktiv empfunden werden. Beide Partner sollten sich gegenseitig ermutigen und unterstützen, ihr authentisches Selbst zu sein und zu bleiben.“

4. Wertschätzung

Mewes: „Nehmen sich Paare die Zeit, um dem Partner Dankbarkeit für sein oder ihr Dasein und die gemeinsamen Jahre auszusprechen, stärkt das die Verbundenheit.“ Zudem sei es wichtig, den Partner oder die Partnerin nicht als selbstverständlichen Teil des eigenen Lebens anzusehen, ergänzt Kollegin Vera Matt.

5. Check-ins

Vera Matt: „Ich empfehle Paaren regelmäßige ‚Check-ins‘, quasi wie TÜV-Untersuchungen, um zu überprüfen, wie es beiden geht, welche Bedürfnisse und Erwartungen sie an die Beziehung haben und wo sie als Paar stehen. Dafür kann man sich beispielsweise beim Lieblingsitaliener zusammensetzen. Um offen und reflektiert miteinander sprechen zu können, sollte das Paar zu dem Zeitpunkt keinen Konflikt haben.“

6. Kleine Gesten

Matt: „Kleine Gesten der Liebe und Wertschätzung sowie die Pflege der Beziehung durch gemeinsame Aktivitäten und Überraschungen halten die Partnerschaft lebendig und spannend. Das können bereits kleine Gesten sein, wie dem anderen den Lieblingsjoghurt mitzubringen oder ihm eine doofe Aufgabe abzunehmen.“

7. Abstriche machen

Holger Kuntze: „In langjährigen Beziehungen sollten Paare bereit sein, ihre eigenen Vorstellungen von einer Partnerschaft zu überdenken und auch außerhalb ihrer Komfortzone zu handeln, um das Gemeinsame zu stärken. Wenn mein Partner beispielsweise allein in den Urlaub fahren will und ich lieber gemeinsame Urlaube plane, sollte ich das nicht direkt aus meinen spontanen Gefühlen heraus abblocken, sondern erst einmal versuchen, die Enttäuschung auszuhalten. Es gibt kein ‚richtig‘ oder ‚falsch‘ in einer Beziehung. Es braucht allerdings die Bereitschaft, zu sagen: ‚Diese Liebe ist mir viel wert und dafür werde ich von der hundertprozentigen Erfüllung dessen, was ich mir für die Beziehung vorstelle, auch Abstriche machen.‘“

Holger Kuntze arbeitet in seiner eigenen Praxis in Berlin als Paartherapeut und hat ein Buch zum Thema geschrieben: „Liebe heißt Wollen“, erschienen beim Kösel Verlag.
Holger Kuntze arbeitet in seiner eigenen Praxis in Berlin als Paartherapeut und hat ein Buch zum Thema geschrieben: „Liebe heißt Wollen“, erschienen beim Kösel Verlag. © Sabine Engels Potsdam

8. Keine Gegenleistung erwarten

Kuntze: „Häufig kommen Menschen zusammen, gleichen ihre jeweiligen Ich-Bedürfnisse ab, merken nach ein bis fünf Jahren, dass diese unterschiedlich sind und trennen sich. Viele erwarten, dass ihr Partner ihre Bedürfnisse zu hundert Prozent erfüllt, was oft zu Enttäuschungen führt. Die Liebe ist kein Deal. Es ist sehr wichtig, dass man bereit ist, in einer Beziehung auf etwas zu verzichten, ohne sofortige Gegenleistungen zu erwarten. Gegenseitiges Geben in einer Beziehung sollte nicht als Verhandlung betrachtet werden, sondern als Geschenk – dann begegnen wir uns in Liebe.“