Geesthacht. Die Elbestadt pflegt Städtepartnerschaften zu Plaisir (Frankreich) und Kuldiga (Lettland). Was die polnische Stadt ausmacht.

Im Geesthachter Ratssaal hängen sechs Flaggen: von Geesthacht, Schleswig-Holstein, Deutschland, Europasowie Frankreich und Lettland, den beiden verbliebenen Partnerstädten. Gut möglich, dass in nicht allzu ferner Zukunft mit der polnischen Fahne eine siebte hinzukommt. Nämlich dann, wenn die neue Städtepartnerschaft Geesthachts mit Bedzin (gesprochen benn-dschinn) zustande kommt. Eine Absichtserklärung in beiden Landessprachen haben die beiden Bürgermeister, Olaf Schulze und Łukasz Komoniewski, zumindest schon mal beim Besuch einer polnischen Delegation in Geesthacht unterschrieben.

Anschließend überreichte Komoniewski als Gastgeschenke eine Gedenktafel an das erste Treffen, die einen Ehrenplatz im Ratssaal erhalten soll, sowie einen Kompass mit einer Gravur auf Deutsch: „Lassen Sie diesen Kompass die Richtungen der Zusammenarbeit zeigen und immer zum gesetzten Ziel führen“. Dass Geesthacht auf der Suche ist nach einer neuen Städtepartnerschaft, hat einen guten Grund.

Geesthacht hat derzeit zwei Städtepartnerschaften

Denn von einst vier Beziehungen dieser Art bestehen nur noch die Kontakte zu Plaisir (Frankreich, seit 1975) und Kuldiga (Lettland, ab 1991). Zuletzt haben sich Delegationen aus diesen Gemeinden im Sommer 2022 besucht. Die seit 1966 gepflegten Verbindungen zu Hoogezand-Sappemeer waren 2019 von niederländischer Seite beendet worden. Die ebenfalls ab 1966 bestehende Partnerschaft mit Oldham in Großbritannien endete bereits 2004.

Bevor die Städtepartnerschaft mit Bedzin fix wird, soll es noch einen Gegenbesuch geben. Die Geesthachter Delegation erwartet eine Reise in eine vom Bergbau und der Zementindustrie geprägte Stadt. Sie ist mit rund 54.000 Einwohnern rund eineinhalb mal größer als Geesthacht und liegt im Süden des Landes etwa 100 Kilometer von der Grenze zu Tschechien entfernt zwischen den Großstädten Krakau und Kattowitz.

Wahrzeichen von Bedzin ist eine mittelalterliche Burg

Bedzin, das 1349 Stadtrecht erhielt, liegt im nordöstlichen Teil des Oberschlesischen Industriegebiets, zählt historisch aber zur Provinz Kleinpolen. Wahrzeichen ist eine gut erhaltene mittelalterliche Burg, mit deren Bau 1358 begonnen wurde. Infolge der dritten Teilung Polens 1795 wurde Bedzin Teil von Preußen, fiel nach dem Wiener Kongress (1815) wieder an das Königreich Polen.

Im Zweiten Weltkrieg wurde der Ort am 4. September 1939 von der Deutschen Wehrmacht besetzt. In Bedzin lebte damals eine der größten jüdischen Gemeinden in Kleinpolen mit 24.500 Mitgliedern. Eine SS-Einsatzgruppe trieb später eine Gruppe Juden in eine Synagoge und steckte diese in Brand. Dabei starben 40 Menschen. Vier Juden aus Bedzin waren auch am Aufstand gegen die SS-Bewacher im Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau beteiligt.

Olaf Schulze: „Heute ist es wichtig, Vorurteile abzubauen“

Dieser Teil der Geschichte war während des Besuchs zwar kein Thema, passt aber zu einer Bemerkung von Olaf Schulze vor der Unterzeichnung der Absichtserklärung. „Es ist – gerade in heutiger Zeit – wichtig, dass wir ein Verständnis füreinander entwickeln und Vorurteile abbauen“, sagte Schulze. Sein polnischer Arbeitskollege betonte, dass die Zusammenarbeit eine Chance für beide Städte sein könne und er überzeugt ist, dass es eine gute Zusammenarbeit werde.

Am Vortag der Unterschrift hatte Hans-Werner Madaus vom Komitee für Internationale Beziehungen eine Stadtrundfahrt vorbereitet. Besichtigt wurden die Schleuse, das stillgelegte Kernkraftwerk, das Pumpspeicherbecken, der Wasserturm samt Verweis auf die Beziehungen zu Alfred Nobel, das Rathaus, das Freizeitbad, der Menzer-Werft-Platz und die St. Salvatoris-Kirche. „Der polnische Bürgermeister meinte anschließend, dass wir zu wenig aus unserer Geschichte machen würden und war besonders vom Freibad angetan“, sagte Madaus, stellvertretender Vorsitzender des Begegnungskomitees.

Ratsversammlung muss Städtepartnerschaft beschließen

Für die Verständigung der Delegationen musste Geesthacht übrigens nicht eigens einen Dolmetscher engagieren. Diese Aufgabe übernahm Kamilla Golisz, die selbst aus Polen stammt und bei der Stadtverwaltung – passender könnte es kaum sein – für die Städtepartnerschaften zuständig ist.

Bedzin hat bereits fünf Städtepartnerschaften mit Griechenland, Ungarn, Frankreich, der Ukraine und Litauen. Warum eine größere Anzahl auch für Geesthacht sinnvoll ist, erläuterte Hans-Werner Madaus: „Bei einer Verschwisterung wollen wir voneinander lernen und profitieren. Wir können sehen, wie andere etwa bei der Schulpolitik oder Kindergärten arbeiten.“ Zudem können für manche gemeinsame Projekte EU-Fördergelder beantragt werden, wenn es eine bestimmte Anzahl an Partnerstädten gibt. „In der Bedziner Verwaltung gibt es eine Stelle, die sich nur um EU-Zuschüsse kümmert“, so Madaus.

Allerdings, das war Łukasz Komoniewski wichtig zu betonen: „Zu einer Stadt gehören Menschen und ich hoffe, dass diese die Möglichkeit bekommen, sich bald kennenzulernen.“ Weil eine Städtepartnerschaft aber auch von der Bevölkerung getragen werden soll, entscheidet über deren Abschluss formal erst die Geesthachter Ratsversammlung. Das dürfte nach dem Gegenbesuch in Bedzin der Fall sein.