Rund 500 Gäste nahmen in Kiel an der Trauerfeier für die frühere Ministerpräsidentin teil. Der Amtsinhaber fand bewegende Worte.

Kiel. Schleswig-Holstein hat am Freitag Abschied genommen von der Ehrenbürgerin und langjährigen Ministerpräsidentin Heide Simonis. Als einer von vier Trauerrednern würdigte Regierungschef und CDU-Politiker Daniel Günther die Sozialdemokratin in der Kieler Petruskirche.

Sie habe Schleswig-Holstein moderner und vielfältiger gemacht. „Wir waren stolz, sie als erste und damals einzige Ministerpräsidentin zu haben. Wir verneigen uns vor ihrer Lebensleistung“, würdigte Günther die Verstorbene.

Daniel Günther würdigt Heide Simonis als Pionierin der Politik

Heide Simonis war oft in ihrem politischen Leben die Erste und Einzige. Die erste Ministerpräsidentin eines Bundeslandes in Deutschland. Zuvor mit 33 Jahre die jüngste Bundestagsabgeordnete – und dies zu einer Zeit, als das Parlament männerdominiert war. Damals, 1976, waren 93 Prozent der Abgeordneten des Bundestags Männer.

„Heide Simonis war zeit ihres Lebens Vorreiterin und Wegbereiterin für viele Frauen in Deutschland“, würdigte Günther die Politikerin, die 1988 nach Kiel gekommen war – als Finanzministerin unter dem SPD-Ministerpräsidenten Björn Engholm. Hier war sie dann nicht die erste, aber die zweite Frau in Deutschland auf diesem Posten.

Als 1993 die Spätfolgen um den Barschel-Skandal aus dem Jahr 1987 auch Björn Engholm erreichten, wählte der Schleswig-Holsteinische Landtag Simonis zu dessen Nachfolgerin an der Regierungsspitze. „Mit der ihr eigenen Beharrlichkeit hat Heide Simonis viel für Schleswig-Holstein erreicht“, sagte Günther. Sie habe Politik so erklärt, dass jeder sie verstanden habe. Ihre Antworten seien ein klarer Schnack, kein Herumgeeiere gewesen. Unvergessen ihre Eröffnung der Kieler Woche, als sie den Menschen zurief: „Viel Spaß und macht keinen Scheiß.“

Daniel Günther über Heide Simonis: Die Menschen liebten sie

„Heide Simonis war authentisch“, sagte Günther dazu. Was Simonis bei den Menschen so beliebt gemacht habe, sei ihre unverwechselbare Art gewesen. „Sie war immer nahbar, ansprechbar, hat sich in die Sorgen und Nöte der Menschen hineinversetzen können“, sagte Günther. „Sie liebte das Land und die Menschen. Und die Menschen liebten sie.“

Nur kurz auf ihre größte Niederlage eingehend, sagte Günther, der Tag des Scheiterns habe tiefe Verletzungen bei Heide Simonis hinterlassen. „Er ist Teil ihrer Biografie, aber er ist nicht Teil ihres politischen Vermächtnisses. Das sind ihre Leistungen und zahlreichen Verdienste um unser Land“.

Hede Simonis’ politische Karriere wurde „hinterrücks“ beendet

Dieser „Tag des Scheiterns“, das war der 17. März 2005. Nach fast zwölf Jahren an der Spitze von schleswig-holsteinischen Landesregierungen stürzte ein Abweichler die Sozialdemokratin. Bis heute ist nicht geklärt, wer in den vier geheimen Abstimmungen über ihre Wiederwahl Simonis die Stimme verweigerte.

„Hinterrücks“ sei damit eine politische Karriere einer Frau beendet worden, die immer gerade heraus und offen war, erinnerte ihr Vorgänger Björn Engholm an die für Simonis dramatische Zeit. Er würdigte das große Pflichtbewusstsein seiner Nachfolgerin. „Sie war mitnichten eine Preußin, aber in ihrem Pflichtbewusstsein der Gesellschaft gegenüber war sie preußischer als die meisten, die sich heute als Preußen bezeichnen.“

Engholm: „Heide bleibt in unseren Köpfen und Herzen lebendig“

Heide Simonis' Vorgänger Björn Engholm gehörte zu den Trauerrednern.
Heide Simonis' Vorgänger Björn Engholm gehörte zu den Trauerrednern. © dpa | Marcus Brandt

Simonis habe für eine freie, offene, tolerante und soziale Gesellschaft gekämpft. Dabei habe sie die „Lasten der Aufgaben“ mit Frohsinn, Witz und Heiterkeit verbunden, erinnerte Engholm an die „wortgewaltige rote Freibeuterin“ und ihren Auftritt im Aachener Karneval. Engholm sprach genauso über die teils extravaganten Hüte („Heide hat einen Hauch von Ascot nach Schleswig-Holstein gebracht“) wie über die zahllosen Reden im Parlament, in denen sie „lustvoll ausgeteilt“ habe. „Es gibt schöne Erinnerungen in Fülle. Heide bleibt in unseren Köpfen und Herzen lebendig“, sagte Engholm.

Zuvor hatte die SPD-Landesvorsitzende Serpil Midyatli sichtlich bewegt Heide Simonis‘ Wirken gewürdigt. „Empathie, Wortgewalt, Klugheit – Schleswig-Holstein verliert eine einzigartige Sozialdemokratin mit großer Strahlkraft“, sagte Midyatli. Simonis habe sich nie gescheut, Verantwortung zu tragen. „Sie war oft die Erste. Was das damals bedeutete, mag man sich heute als Frau gar nicht vorstellen“.

500 Gäste bei Simonis-Trauerfeier in der Kieler Petruskirche

Konflikte durchzustehen, habe sie mit Witz, Charme und Ironie gemeistert. „Ihre Rüstung war ihre große Strahlkraft“, sagte die Landesparteichefin. „Heide Simonis war ein Vorbild. Ein Vorbild für Frauen in Politik, Gesellschaft und in Führungspositionen“, sagte Midyatli. „Sie war eine Wegbereiterin.“

Ihr Tod habe viele Menschen zutiefst berührt, sagte Pastor Gunnar Engel zu Beginn der Trauerfeier. Bei allen politischen Entscheidungen habe sie das Land stark durch ihre Art geprägt. Simonis habe oft auch gegen Widerstände oder den Status Quo einen neuen Weg beschritten. „Sie war ein Mensch für andere.“ Sie sei eine Vorkämpferin, ein Vorbild gewesen. „Sie war eine menschliche Politikerin oder ein politischer Mensch“, die kein Blatt vor den Mund genommen und die Dinge beim Namen genannt habe.

Rund 500 Gäste waren zum Abschied von Heide Simonis in die Kieler Petruskirche gekommen. Unter ihnen waren Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius, die SPD-Bundesvorsitzende Saskia Esken, Hamburgs Bischöfin Kirsten Fehrs und Ralf Stegner, der nach Simonis die Politik der Sozialdemokraten in Schleswig-Holstein maßgeblich geprägt hatte.

Seit 1967 war die jetzt Verstorbene mit dem Umwelt-Professor Udo Simonis verheiratet. Das Paar hatte vor Simonis’ politischer Karriere in Japan und zuvor in Sambia gelebt, wo Udo Simonis als persönlicher Berater des Präsidenten arbeitete.

Heide Simonis’ Schwester Dodo Steinhardt wischt sich bei der Trauerfeier in Kiel dabei Tränen aus dem Gesicht
Heide Simonis’ Schwester Dodo Steinhardt wischt sich bei der Trauerfeier in Kiel dabei Tränen aus dem Gesicht © dpa | Marcus Brandt

Heide Simonis war am 12. Juli nur wenige Tage nach ihrem 80. Geburtstag nach langer schwerer Krankheit gestorben. Ihre Parkinson-Erkrankung hatte sie Jahre zuvor selbst öffentlich gemacht.

An einem Titel, der in der Kirche gesungen wurde, hätte die Sozialdemokratin besonderen Gefallen gefunden: „Die Gedanken sind frei“ …