Mehrere rassistische Vorfälle auf Sylt sorgen für gewaltiges Echo. Auf Ausbleiben der Punks folgt größere Demo am Sonntag. Mehr im Blog.

Die rechtsextremen Parolen, die in einem Video auf den Beat von Gigi D'Agostinos 2000er-Hit „L’Amour toujours“ gesungen wurden, finden offenbar viele Nachahmer. Der kurze Clip zeigt mehrere junge Menschen, die in einem Sylter Nachtclub auf diese Melodie „Ausländer raus“ und „Deutschland den Deutschen“ grölen.

Der Staatsschutz Schleswig-Holstein und die Staatsanwaltschaft Flensburg ermitteln gegen mehrere mutmaßlich Beteiligte – unter anderem wegen Volksverhetzung. Und: Inzwischen kamen zahlreiche weitere Vorfälle dieser Art ans Licht.

In diesem Blog hält Sie das Abendblatt über die Entwicklungen in dieser Sache auf dem Laufenden.

Hunderte bei Demo gegen rechts auf Sylt am Sonntag

Wesentlich erfolgreicher als am Tag zuvor war die Demo gegen Nazis am Sonntag auf Sylt. Nach Abendblatt-Informationen beteiligten sich rund 550 Menschen an der Aktion vor dem Rathaus in Westerland, zu der ein Bündnis linker Gruppen aufgerufen hatte.

Erwartet worden waren 800 Demonstranten. Mit dabei waren nicht nur Sylter, sondern Menschen aus anderen Teilen Nordfrieslands: Teilnehmer aus Husum, Niebüll und auch von der Nachbarinsel Föhr gingen gegen Rechtsradikalismus auf die Straße.

Christina Tussing kam mit ihrer Zwillingsschwester Caro am Morgen von Föhr nach Sylt. „In Deutschland passieren gerade gruselige Dinge, Rechtsradikalismus wird immer populärer, was man auf den Videos aus der Pony Bar in Kampen gesehen hat. Wir wollen ein Zeichen gegen diese Entwicklung setzen“, sagt Christina Tussing.

Die Zwillingsschwestern Caro (l.) und Christina (r.) Tussing kamen aus Föhr nach Sylt, um auf der Nachbarinsel gegen rechts zu demonstrieren.
Die Zwillingsschwestern Caro (l.) und Christina (r.) Tussing kamen aus Föhr nach Sylt, um auf der Nachbarinsel gegen rechts zu demonstrieren. © AURORA SYLT | Georg Supanz

Sie engagiert sich auch bei der Aktion „Flötende gegen die AfD“ auf dem gleichnamigen Instagram-Kanal (Floetende_gegen_die_afd) sind entsprechende Aktionen zu sehen. „Es geht darum, Krach zu machen, laut zu werden. Wir machen da Quatsch. Man muss der AfD mit Quatsch begegnen.“

Zu den Rednern gehörten Politiker und die 3. stellvertretende Bürgermeisterin der Gemeinde Sylt, Katrin Kupfer. Die Polizei sprach von 450 Teilnehmern und einem friedlichen Verlauf der Veranstaltung. Auch in Keitum gab es eine Kundgebung mit wenigen Teilnehmern. Am Sonnabend hatte eine kleine Gruppe Punks in Westerland demonstriert.

  „Wir zeigen klare Kante: Rassismus und rechtsextremes Gedankengut haben keinen Platz auf Sylt. Egal, ob Inselbewohner oder Tourist, wir stehen für eine bunte und lebenswerte Insel“, erklärte das Bündnis „Sylt gegen Rechts“.

Sylt: Nur sieben Personen bei Demo in Westerland

Zu dem für Sonnabendnachmittag geplanten Umzug der Gruppe Aktion Sylt in Westerland sind deutlich weniger Teilnehmer erschienen als erwartet. Laut einem Reporter vor Ort haben nur sieben Personen daran teilgenommen. Die Teilnehmer zeigten Banner mit den Aufschriften „Menschenrechte statt rechte Menschen“, „Die Pogrome von morgen verhindern“ und „Refugees welcome“.

Zur Demo gegen Rassismus am Sonnabendnachmittag in Westerland kamen nur sieben Personen.
Zur Demo gegen Rassismus am Sonnabendnachmittag in Westerland kamen nur sieben Personen. © AURORA SYLT/Georg Supanz | Unbekannt

Die erwarteten Punks sind nicht angereist. Ein Sprecher der Gruppe Aktion Sylt, vermutete, dass das an der kurzen Vorbereitungszeit gelegen hat. Die Gruppe hatte am Donnerstagabend zur Teilnahme an den Aktionen aufgerufen. Nach Angaben der Polizei hatte der Veranstalter bis zu 50 Teilnehmer erwartet. An der Mahnwache vor dem Pony-Club haben 13 Personen teilgenommen. Alles verlief friedlich. Am Sonntag ist um elf Uhr eine Demo durch Keitum geplant und um 14 Uhr eine Kundgebung am Rathausplatz in Westerland.

Zur Mahnwache gegen Rassismus am Sonnabendabend vor dem Pony Club in Kampen vor auf Sylt kamen nur sieben Personen.
Zur Mahnwache gegen Rassismus am Sonnabendabend vor dem Pony Club in Kampen vor auf Sylt kamen nur sieben Personen. © AURORA SYLT/Georg Supanz | Unbekannt

Punks wollen auf Sylt gegen Rechts demonstrieren

Nach dem Rassismus-Eklat auf Sylt planen Punks am Wochenende mehrere Kundgebungen auf der Nordsee-Insel. Unter dem Motto „Laut sein gegen rechts!“ rief die Gruppe Aktion Sylt am Donnerstagabend via Instagram zur Teilnahme an den Aktionen auf. Am Samstagnachmittag sei ein Umzug durch Westerland geplant, am Abend eine Mahnwache mit Musik in der Bar im Ort Kampen, in der Gäste zu Pfingsten rassistisch gegrölt hatten. Am Sonntag sei dann eine Laufdemo angesetzt. 

Organisator Jonas Hötger sagte dem „Spiegel“: „Wir laden jeden ein, der sich dem Rechtsruck in der Gesellschaft entgegenstellen will.“ Demonstrationsmittel sind demnach „Musikbox, Transparente, Banner, Plakate, Bollerwagen, Musik“. 

Daneben ist am Sonntag eine weitere Demonstration von der Gruppe „Sylt gegen rechts“ geplant. Die Punks riefen dazu auf, auch an dieser Demonstration teilzunehmen. “Wir wollen aber auch eigene Redebeiträge vorbringen und andere Orte besuchen„, sagt Hötger. Daher melde man auch selbst Demonstrationen an.

Fremdenfeindliche Parolen in Rostock

In Rostock-Evershagen sollen Jugendliche am Donnerstagabend zur Melodie des Liedes „L'Amour toujours“ von Gigi D'Agostino mutmaßlich volksverhetzende, fremdenfeindliche Parolen von sich gegeben haben. In Verbindung mit einer vermeintlichen Ruhestörung habe die Polizei gegen 19.15 Uhr in einer leerstehenden Halle mehrere Personen festgestellt, teilte die Polizeiinspektion Güstrow am Freitag mit. Die Polizei ermittle gegen die 13 bis 18 Jahre alten Jugendlichen wegen des Verdachts der Volksverhetzung.

Rassistische Gesänge auch auf Fehmarn – Zeugen gesucht

Die Polizei ermittelt wegen möglicher rassistischer Gesänge zum Party-Hit „L'Amour toujours“ jetzt auch auf der Ostseeinsel Fehmarn. Bei einer Tanzveranstaltung zum Rapsblütenfest sollen rund 15 Personen „ausländerfeindliche Parolen“ gesungen haben, wie die Polizei am Mittwoch mitteilte. Der Vorfall habe sich in einer Scheune in dem zur Stadt Fehmarn gehörenden Ort Petersdorf in der Nacht zum 5. Mai ereignet. Der Veranstalter hätte das Abspielen des Musikstückes wegen des Vorfalls abgebrochen.

Das Staatsschutzkommissariat der Bezirkskriminalinspektion Lübeck ermittelt wegen des Verdachts der Volksverhetzung und sucht Zeugen. Die Polizeidirektion Lübeck hat nach eigenen Angaben am Montag, 27. Mai, Kenntnis von dem Geschehen erhalten.

Udo Lindenberg spricht erstmals über Sylt-Skandal

Einige Tage hatte es gedauert, bis sich Hamburgs Ehrenbürger Udo Lindenberg zu den Vorfällen rund um das Sylt-Video äußerte.

Am Mittwochabend veröffentlichte er ein Statement, in dem er den Grölern sagt: "Keiner vermisst euch."

Sind die rechtsradikalen Rufe zu Partylied von Gigi D’Agostino strafbar?

Der 200er-Hit „L’Amour toujours“ stand in den vergangenen Tagen in den Schlagzeilen, weil zu der Melodie mehrfach rechtsextreme Parolen gesungen wurden: Deutschland den Deutschen – Ausländer raus! Doch wie verhält sich das Ganze aus polizeilicher Sicht? Ein Sprecher der Hamburger Polizei lieferte dem Abendblatt eine Einschätzung.

Das bloße Rufen des Textes ist nicht strafbar", erklärte er. In Verbindung mit der Hitlergruß-Geste bestehe jedoch der Verdacht des Paragrafen 130 StGB – Volksverhetzung. Die Geste allein stelle einen Straftatbestand nach Paragraf 86a StGB dar – Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen.

Medienbericht: „L’Amour toujours“ auf Spotify mit Nazi-Parolen verknüpft

Die rassistischen Parolen haben dem 1999 veröffentlichten Song von DJ Gigi D’Agostino dieser Tage zu traurigem Ruhm verholfen. Das Interesse um das Lied beförderte den Titel an die Spitze der Charts und sorgte auf Spotify jüngst für den nächsten Eklat.

Recherchen des Medienmagazins DWDL.de zufolge verknüpfte die Suche des Musikstreaminganbieters die Schlagworte „Ausländer raus“ und „Deutschland den Deutschen“ automatisch mit dem Songtitel „L’Amour toujours“. Wer also nach den rassistischen Parolen suchte, wurde umgehend auf den in Verruf geratenen, Partysong verwiesen.

Eine offizielle Erklärung für die Verknüpfung wollte Spotify gegenüber DWDL.de nicht abgeben. Man sei sich der Thematik allerdings bewusst und kündigte an, die Verbindung aufzulösen. Am Mittwoch, 29. Mai, wird das Lied nicht länger angezeigt, wenn man besagte Parolen eingibt.

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Nazi-Gesänge in Pony Club auf Sylt: Ermittlungen gegen drei Menschen

Nach den fremdenfeindlichen Parolen im Pony Club auf Sylt ist nun klar: Die Ermittlungen richten sich gegen zwei Männer und eine Frau. Das bestätigte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Flensburg dem Abendblatt am Mittwoch.

Auch zu der Attacke gegen eine Frau in Kampen, die zuvor rassistisch beleidigt worden sein soll, gibt es Neuigkeiten. Der Sprecher der Flensburger Staatsanwaltschaft erklärte, dass inzwischen nicht mehr gegen Unbekannt ermittelt wird. Es gebe nun einen männlichen Tatverdächtigen.

Der Sylter Pony Club in Kampen stand in den vergangenen Tagen in den Schlagzeilen. Mehrere junge Menschen hatten sich bei einer dortigen Party gefilmt und rechtsextreme Parolen gesungen.
Der Sylter Pony Club in Kampen stand in den vergangenen Tagen in den Schlagzeilen. Mehrere junge Menschen hatten sich bei einer dortigen Party gefilmt und rechtsextreme Parolen gesungen. © Timo Strohschnieder | Timo Strohschnieder

Rassistische Parolen zu „L’Amour toujours" auch in Hamburg

Auch in Hamburg sind bei der Polizei mehrere Fälle rechtsextremer Gesänge nach Vorbild des Sylter Videos angezeigt worden.

Einer davon soll sich direkt beim Schlagermove ereignet haben. Wie Polizei-Sprecherin Laura Wentzien bereits am Montag mitteilte, soll eine größere Gruppe auf St. Pauli zu „L’Amour toujours" ausländerfeindliche Parolen gerufen haben. Teile der Gruppe hätten sogar den „Hitlergruß“ gezeigt.

Doch das war nicht der einzige Fall, bei dem in Hamburg zu diesem Partylied rechtsextreme Parolen gerufen worden sein sollen, bestätigte Polizeisprecher Thilo Marxsen dem Abendblatt am Mittwoch.

  • Bei einer privaten Feier in Bramfeld sollen am Sonnabend sechs Beschuldigte im Alter zwischen 21 und 34 Jahren ein ähnliches Verhalten an den Tag gelegt haben.
  • Es soll am Wochenende ausländerfeindliche Rufe dieser Art an den U-Bahn-Stationen Kellinghusenstraße und Sternschanze gegeben haben.
  • Schon Anfang des Monats (8. Mai) sollen sich bei einer Feier in einem Eppendorfer Vereinsheim ähnliche Szenen abgespielt haben. Zuerst berichtete der NDR über diese Anzeigen.

Zudem berichtete das Abendblatt vor wenigen Tagen über „Ausländer raus“-Gesänge am Jungfernstieg. Am Sonnabend feierten Fans des türkischen Fußball-Erstligisten Galatasaray Istanbul an der Alster die Meisterschaft ihres Clubs. In diesem Rahmen soll eine Gruppe junger Männer zu „L’Amour toujours" die rassistischen Liedzeilen gerufen haben.

Schüler eines Elite-Internats singen Nazi-Parolen – das hat nun Konsequenzen

Bundesweit für Schlagzeilen hat auch ein Vorfall am Elite-Internat Louisenlund in Schleswig-Holstein gesorgt, der in dieses Muster passt. Schüler der Einrichtung sollen bei einer Feier eben jene Nazi-Parolen gesungen haben, die im Pony Club auf Sylt für einen landesweiten Aufschrei gesorgt haben. Der Vorfall wird nun Konsequenzen haben, und das nicht nur für die beteiligten Schüler.

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Nazi-Gegröle in Nachtclub ist nicht der einzige Vorfall auf Sylt

Kurz nachdem das Video aus dem Pony Club auf Sylt viral gegangen war, wurden weitere Vorfälle bekannt, die sich am Pfingstwochenende ganz in der Nähe ereignet haben sollen. Laut Polizei wurde an Pfingstsonntag ebenfalls in Kampen eine 29 Jahre alte Frau auf der Straße zunächst fremdenfeindlich beleidigt und dann körperlich angegriffen.

Außerdem soll auch in einem anderen Sylter Nachtclub ein rechtsextremer Liedtext gesungen worden sein. Laut Polizei ebenfalls „Deutschland den Deutschen, Ausländer raus“. Ob es einen Zusammenhang zwischen diesen Taten gibt, wird derzeit geprüft.