Hamburg. Tomas Capurro ist der neue Trainer des HRC. Er will die Spieler jeden Tag etwas besser machen – und in die Top vier der Bundesliga.

Von der Berliner Mauer hatte er in der Schule im Geschichtsunterricht gehört, Deutschlands schwärzeste Jahre zwischen 1933 und 1945 waren ihm ein Begriff. Aber sonst? „Ich wusste wirklich nicht viel über Hamburg und die Rugby-Bundesliga“, sagt Tomas Capurro, „aber als mir die Vereinsführung in unserem ersten Telefonat den Plan erläuterte, den sie habe, war ich sofort interessiert.“

Mitte Juli war das – und sechs Wochen später sitzt der 34-Jährige im Café Alex am Jungfernstieg und erklärt wort- und gestenreich, warum er sich für seine neue Arbeitsstelle entschieden hat. Tomas Capurro, den seine Freunde nur „Tomy“ nennen, ist in der Saison 2023/24, die an diesem Sonnabend (16 Uhr) mit einem Gastspiel bei Germania List in Hannover beginnt, neuer Cheftrainer der Bundesligamänner des Hamburger RC.

Erster Argentinier als HRC-Chefcoach

Die Umbesetzung war notwendig geworden, weil zwischen Capurros englischem Vorgänger Gareth Jackson und der Vereinsführung Differenzen auftraten, die in die Auflösung von dessen bis 2024 datiertem Vertrag mündeten.

Noch nie in der Vereinsgeschichte war ein Argentinier Chef der Ersten Herren, aber die HRC-Verantwortlichen sind überzeugt, in Capurro, der für zwei Jahre unterschrieben hat, den Mann für die längerfristige Zukunft gefunden zu haben.

„Er ist ein begeisterungsfähiger Trainer und Pädagoge, der viel Erfahrung auf einem hohen Rugbylevel erlangt hat, die er bei uns gewinnbringend einsetzen kann“, sagt HRC-Präsident Jörn Wege. Begeisterungsfähig muss man wohl sein, wenn man innerhalb weniger Tage die Entscheidung trifft, das alte Leben hinter sich zu lassen und auf einem neuen Kontinent ins kalte Wasser zu springen.

Freundin blieb in Buenos Aires

Wenn seine Freundin, die er seit zwölf Jahren kennt und die wegen ihres Jobs als leitende Ernährungsberaterin einer großen Klinik in Buenos Aires nicht mit nach Hamburg kommen konnte, dem Abenteuer nicht zugestimmt hätte, „dann wäre ich niemals gekommen. Aber sie unterstützt mich und sieht die Chance, die sich mir bietet. Also bin ich hier“, sagt er.

Was Tomas Capurro, der bis vor zwei Jahren noch aktiv spielte, aber bereits im Alter von 18 Jahren sein erstes Jugendteam coachte, am HRC-Weg am besten gefällt, ist das konsequente Einbinden des eigenen Nachwuchses.

„Ich habe viele Jahre mit Jugendlichen gearbeitet und bin überzeugt davon, dass das der richtige Weg ist. Der Verein bindet mich auf allen Ebenen ein, das ist toll. Ich möchte das argentinische Flair einbringen und sehe den Verein als meine Familie an. Rugby ist mein Leben“, sagt der studierte Sportlehrer, der Zusatzausbildungen als Crossfit-Coach und Videoanalyst vorweisen kann.

Capurro hat noch keine Wohnung

Dass er noch immer fast täglich im Fitnessstudio schuftet, sieht man ihm an. Selber spielen allerdings wird er in Hamburg nicht mehr: „Maximal noch zum Spaß oder im Training.“ Seit 14 Tagen ist Capurro, der aus einer Rugbyfamilie stammt und deshalb nie den argentinischen Nationalsport Fußball im Verein ausübte, nun in Hamburg.

Eine eigene Wohnung hat er noch nicht, untergekommen ist er zunächst bei HRC-Spieler Noel Bandholz und dessen Familie. „Aber ich fühle mich schon jetzt, als würde ich mein gesamtes Leben hier leben. In Argentinien gelten die Deutschen als kühl, aber die Wärme, die mich hier von allen Seiten empfangen hat, hat dieses Vorurteil sofort widerlegt“, sagt er.

Sich ein fundiertes Urteil über die Leistungsfähigkeit des eigenen Kaders, der in Henning Brockmann (nach Heidelberg) nur einen signifikanten Abgang zu verkraften hat, oder die Stärke der Konkurrenz zu erlauben, das traut sich Tomas Capurro noch nicht zu.

Klare Vorgabe: Derbysiege gegen St. Pauli

„Wir haben intern gesagt, dass unsere Vorbereitung bis zum dritten Saisonspiel dauert“, sagt er. Zwei Ziele allerdings hat er bereits definiert. „Das erste lautet, maximal aggressiv in Abwehr und Angriff zu spielen. Das zweite, dass jeder sich jeden Tag ein bisschen verbessern muss. Das ist Teil des Prozesses.“

Um diesen Prozess glaubhaft vorzuleben, will der neue Chefcoach so schnell wie möglich die deutsche Sprache erlernen. Aktuell ist Englisch Trumpf, der spielende Co-Trainer Josh Harvey unterstützt, wo immer er kann. Und eine Sache gibt es, die Tomas Capurro bereits eingebläut wurde.

Die beiden Derbys gegen den FC St. Pauli, der wegen fehlender Aufsteiger aus Liga zwei den Abstieg vermied und zum Saisonauftakt am Sonnabend (15 Uhr, Rugbyarena Stadtpark) RK 03 Berlin empfängt, müssen gewonnen werden. Kein Problem sei das, sagt er, er habe schließlich vor, möglichst kein Spiel zu verlieren. „Rugby soll vor allem Spaß machen. Und Spaß hat man am meisten, wenn man gewinnt!“