Hamburg. Nach dem 1:1 im Volksparkstadion sind beide Nationen unter Druck. Nun droht sogar Superstar Schick auszufallen. Hilfe kommt vom HSV.

Ganz Tschechien hofft auf den HSV. Ein schmissiger Einstiegssatz, der natürlich einerseits Quatsch ist, andererseits am Tag nach dem suboptimalen 1:1 zwischen Tschechien und Georgien im Volksparkstadion aber auch nicht ganz falsch. Richtig wird es, wenn aus „dem HSV“ die HSV-Ärzte und aus „ganz Tschechien“ Tschechiens Nationaltrainer Ivan Hasek werden.

Dieser saß am Vorabend um Punkt 18 Uhr auf dem Pressepodium im ersten Stock des Volksparkstadions, referierte über das aus seiner Sicht gute Spiel seiner Mannschaft gegen Georgien, das aus tschechischer Sicht weniger gute Ergebnis und dann über das Aufregerthema Nummer eins in der Heimat: den drohenden Ausfall von Superstar Patrik Schick im Alles-oder-Nichts-Spiel gegen die Türkei am Mittwoch.

Tschechien hofft auf Wunderheilung bei Patrik Schick

„Wir sind nicht sehr optimistisch, was seine Verletzung angeht“, sagte Hasek, als er von den tschechischen Journalisten auf die Wade der Nation angesprochen wurde. Der 28 Jahre alte Schick vom deutschen Meister Bayer Leverkusen, der mit dem Verdacht auf einen Muskelfaserriss ausgewechselt werden musste, werde an diesem Sonntag im Krankenhaus weiter untersucht, um Gewissheit über seinen Zustand zu bekommen. „Dann werden wir sehen“, sagte Hasek, dessen Stimme allerdings wenig Zuversicht versprach.

Kurz zuvor, noch während die Partie lief, hatte HSV-Arzt Götz Welsch, der offizielle EM-Hamburg-Arzt, erste Vorkehrungen für ein schnelles MRT im Universitätskrankenhaus Eppendorf (UKE) getroffen. Am Tag danach übernahm HSV-Kollege Wolfgang Schillings, während der EM der medizinische Ansprechpartner der in Hamburg beheimateten Tschechen, das weitere Prozedere.

Entscheidungsspiel zwischen Tschechien und der Türkei

Tschechien muss sich also möglicherweise auf ein Schick-loses Gruppenfinale gegen die Türkei am kommenden Mittwoch (21 Uhr) einstellen. Auch wenn Teammanager Jaroslav Köstl am Sonntag sagte: „Eine erste leichte Untersuchung gestern Abend hat uns einen Anflug von Optimismus gegeben, den wir nach dem Spiel noch nicht hatten.“ Schick hin, Schick her: Nur ein Sieg – übrigens erneut im Volksparkstadion – würde zum Erreichen des Achtelfinales helfen.

Auf ein Erreichen der Runde der letzten acht träumen seit Sonnabend auch wieder die Georgier, die sich nach dem hart erkämpften 1:1 gegen Tschechien nicht so recht über ihre Gefühle im Klaren waren. Zum einen war da große Enttäuschung, dass Saba Lobjanidze in der fünften Minute der Nachspielzeit den sicheren Siegtreffer vergab. Dann war da aber noch größerer Stolz über den ersten EM-Punkt der georgischen Fußballgeschichte. Und schließlich auch noch riesengroße Vorfreude auf das Gruppenfinale gegen Portugal. Und Ronaldo.

Georgien muss gegen Portugal siegen

„Es ist Portugal“, sagte Georgiens französischer Nationaltrainer Willy Sagnol, als er lächelnd den auf Pressekonferenzen eher nicht üblichen Applaus der georgischen Journalisten über sich ergehen lassen hat. „Ich will diese Karte eigentlich nicht ausspielen: kleines Team gegen großes Team. Aber es ist Portugal!“

Ohne Frage ist Sagnol der Architekt des georgischen EM-Traums. Der frühere Bayernprofi hat vor drei Jahren die Nationalmannschaft übernommen, die bis dato sich noch nie für ein großes Turnier qualifiziert hatte. In den Play-offs wurde Griechenland im Elfmeterschießen geschlagen, dann bei der EM ein tolles Spiel gegen die Türkei (1:3) gezeigt, ein erster Punkt gegen Tschechien geholt und nun wird vom Achtelfinale und dem Ronaldo-Wunder geträumt.

Ex-Bayer Sagnol hat viel in Georgien bewegt

„Mein stärkstes Gefühl ist definitiv Stolz“, sagte Sagnol nach dem ersten Punktgewinn der georgischen EM-Geschichte, als er gefragt wurde, ob Stolz oder Enttäuschung über den knapp verpassten Fast-Sieg bei ihm überwiege. „Wenn du weißt, woher wir kommen, kann man nicht enttäuscht sein.“

Ohne einen Sieg gegen die scheinbar übermächtigen Portugiesen am Mittwoch (21 Uhr) in Gelsenkirchen kann man allerdings auch nicht weiterkommen. Schon jetzt scheint deswegen klar, dass Auf Schalke erneut Georgiens Torhüter Giorgi Mamardaschwili vom FC Valencia in den Vordergrund rücken dürfte.

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Der Spanienlegionär wurde nach der abwechslungsreichen Partie in Hamburg von der Uefa zum „Man of the Match“ ausgezeichnet und durfte sich nach den 95 Minuten mit 26 tschechischen Torschüssen genau wie Sagnol über einen lautstarken Pressekonferenzapplaus der georgischen Journalisten freuen.

Dieser war auch mehr als verdient. So hatte die „Süddeutsche Zeitung“ flugs ausgerechnet, dass seit Beginn der Datenerfassung noch nie eine derart hohe Anzahl an Torschüssen abgegeben wurde, ohne dass für das abfeuernde Team dabei ein Sieg heraussprang. „Er hat fantastisch gehalten“, lobte also Trainer Sagnol. Und laut Tschechiens Unglücksrabe Schick wäre seine Mannschaft zwar das bessere Team gewesen, „aber der Torwart hat uns gestoppt.“

Georgien verspricht vor Portugal-Spiel Kampf ums Achtelfinale

Ganz unbekannt ist dieser Teufelskerl mit dem langen Namen, den vielen „m“s und dem in Georgien typischen „-wili“ am Ende übrigens nicht. Mamardaschwili stand vor einem Jahr kurz vor einem Wechsel zum FC Bayern, er war nach eigener Aussage sogar schon „auf der Suche nach einem Haus in München“. Am Ende scheiterte der Deal aber am Geld, die kolportierten 35 Millionen Euro an Ablöse waren dem deutschen Rekordmeister unterm Strich zu viel.

Nun darf Mamardaschwili bei der EM glänzen – und hatte eine knappe Stunde nach dem 1:1 gegen Tschechien noch ein Versprechen für die enthusiastischen Pressevertreter Georgiens bereit: „Wir sind zufrieden und glücklich mit unserem ersten EM-Punkt“, sagte Mamardaschwili, und ließ im Hinblick auf das Entscheidungsspiel gegen Portugal noch einen pathetischen Nachsatz folgen: „Wir werden weiter kämpfen.“ (mit Material vom sid)