Nach der Demütigung gegen den spanischen Rekordmeister tun die internationalen Medien den Schalkern den Gefallen und widmen sich in erster Linie dem königlichen Traumtrio. Cristiano Ronaldo reagiert bescheiden.

Gelsenkirchen. Sie zauberten, zelebrierten Fußball par excellence, entzückten mit Traumtoren Real-Fans und neutrale Beobachter und brachten die bedauernswerten Schalker zur Verzweiflung. Das königliche Trio Cristiano Ronaldo, Gareth Bale und Karim Benzema - oder kurz: BBC - ließ nach einer „perfekten Nacht“ mit der 6:1 (2:0)-Demonstration in Gelsenkirchen auch Madrids Trainer Carlo Ancelotti schwärmen: „Alle haben fantastisch gearbeitet.“

Ronaldo, Bale und Benzema trugen sich in dieser Saison schon zum vierten Mal in ein- und demselben Spiel in die Torschützenliste ein. Zuvor war das Trio in der Primera Division auch gemeinsam gegen den FC Sevilla, Betis Sevilla und Almería erfolgreich.

Und was sagte Ronaldo nach den Doppelpacks der unglaublichen Drei mit ihrem geschätzten Marktwert von zusammen 214 Millionen Euro? „Wir Stürmer haben unseren Job erledigt.“ Das taten sie, und wie! Schalke-Kapitän Benedikt Höwedes blieb speziell angesichts der Fußballkünste Ronaldos nur anerkennende Resignation: „Ronaldo war überall. Wir haben gesehen, warum er Weltfußballer geworden ist.“

Ancelotti wusste schon vor dem denkwürdigen Real-Auftritt, dass der Portugiese nach seiner Zwangspause in der Primera División wegen einer Rangelei und abfälliger Gesten besonders motiviert war: „Ich habe die Vorfreude gespürt, die nach der Sperre von drei Spielen in ihm steckte.“ Ronaldo war deswegen „frustriert“, wie er freimütig zugab. Und am Ende eines Fußball-Abends allerhöchster Virtuosität „einfach sehr happy“.

Auch die internationale Presse war voll Hochachtung für Ronaldo - allen voran natürlich die heimischen Blätter. „Ronaldo führt das Dream-Team der Champions League an“, schrieb A Bola (Portugal).

Die ohnehin Real-freundliche spanische Sportzeitung Marca schrieb: „Dieses Mal fiel Schalke den Scharfschützen BBC (Benzema, Bale und Ronaldo, Anm. der Red.) zum Opfer.“

„Die Zukunft ist leuchtend, die Zukunft heißt Real Madrid: Bale, Ronaldo und Benzema treffen doppelt bei der orangenen Zerstörung“, titelte Mail Online und die Gazetta dello Sport (Italien) schrieb: „Real Madrid hat Schalke mit 6:1 übertrieben überwältigt.“

Die Schalker Klatsche entpuppte sich auch für das ZDF als durchaus deprimierender Abend. Vergleichsweise wenige 6,73 Millionen Zuschauer (Marktanteil: 21,4 Prozent) sahen ab 20.45 Uhr im Mainzer Sender die Schmach der Königsblauen im Achtelfinalhinspiel der Champions-League.

Draxler und Höwedes zerknirscht

„Der Klassenunterschied war deutlich. Wir brauchen nicht mehr vom Weiterkommen zu sprechen. Wir haben jetzt in der Bundesliga wichtige Spiele vor uns“, sagte ein sichtlich zerknirschter Julian Draxler dem ZDF. Der wie Draxler genesene Höwedes analysierte treffend: „Es hört sich bescheuert an bei 6:1, aber wir haben gut angefangen. Aber man sieht, dass jeder Fehler bestraft wird – und davon haben wir zu viele gemacht. Es hat nicht gereicht, weil Real eine große Klasse besser war.“

Mit der bitteren Lehrstunde fügten die „Königlichen“ dem Revierclub die höchste Europapokal-Heimniederlage der Clubgeschichte zu und können dem Rückspiel am 18. März in der spanischen Hauptstadt gelassen entgegen blicken. Benzema (13./57. Minute), Bale (21./69.) und Ronaldo (52./89.) zerlegten vor 54.442 Zuschauern in der ausverkauften Arena den Gastgeber nach allen Regeln der Fußball-Kunst und bescherten dem spanischen Spitzenclub im 26. Spiel den zweiten Sieg gegen ein Bundesliga-Team auf deutschem Boden. Klaas-Jan Huntelaas Traumtor in der Nachspielzeit konnte keinen Schalker mehr trösten.

„Wir haben zwölf Minuten gut mitgehalten – bis zum 0:1. Dann haben wir Fehler über Fehler gemacht. Und auf diesem Niveau werden die von einer Weltklassemannschaft wie Real gnadenlos bestraft“, sagte Schalkes Trainer Jens Keller, der sein Team nun bis zum Sonnabend (18.30 Uhr) wieder aufbauen muss. Dann tritt Schalke beim souveränen Bundesliga-Spitzenreiter Bayern München an. „Wir haben eine wahnsinnig junge Mannschaft. Sie muss aus den Fehlern lernen“, meinte Keller. „Am Sonnabend bei den Bayern wird es nicht leichter.“

Ancelotti fand auch Casillas unglaublich

Draxler, der nach seiner langen Verletzungspause erstmals wieder in der Startelf stand, hatte eine Minute nach dem 0:1 von Benzema den Ausgleich auf dem Fuß, scheiterte aber aus drei Metern am glänzend reagierenden Torhüter Iker Casillas. „Die Parade war unglaublich“, befand Real-Coach Ancelotti, der außerdem gestand: „Nach dem frühen Tor, haben wir viele Räume bekommen. Das war der Grund für eine perfekte Nacht.“

Ancelottis mit zahlreichen Superstars gespickte Mannschaft spielte nach dem 2:0 tatsächlich wie aus einem Guss und ließ den verunsicherten und zu wenig aggressiven Schalkern nicht den Hauch einer Chance.

Der deutsche Real-Profi Sami Khedira – Rekonvaleszent nach Kreuzbandriss – konnte sich als Tribünengast entspannt zurücklehnen. Real bestimmte in knalligem Orange statt königlichem Weiß mit sichtbar mehr Klasse das Geschehen. Ronaldo scheiterte einmal am Pfosten (32.) und zweimal am wackeren Fährmann (37./45.+1), der hielt was er halten konnte. Einzige versprechende Schalke-Aktion vor der Pause war ein Versuch von Kevin-Prince Boateng (36.), der aber besser dem hinter ihm besser postierten Klaas-Jan Huntelaar den Ball überlassen hätte.

Schalke verkroch sich auch nach der Pause erstmal nicht. Roman Neustädter (47.) setzte mit einem Distanzschuss ein kleines Signal. Doch das Spiel lief nach dem gleichen Muster weiter. Kurz darauf ließ Weltfußballer Ronaldo Joel Matip stehen und ballerte den Ball zu seinem zehnten Saisontor in der Champions League ins lange Eck.

Schalke-Fans feierten unverdrossen

Nun wäre Schadensbegrenzung angesagt gewesen. Doch S04 machte es dem Kontrahenten durch zu passive Defensivarbeit zu leicht. Benzema wurde zu seinem zweiten Treffer nach erneuter Hacken-Vorarbeit von Ronaldo freundlich eingeladen. Auch Bale und Ronaldo durften nochmal treffen – Schalke war die Angst vor dem scheinbar unabwendbaren Debakel anzumerken.

Trotz der Demütigung feuerten die Fans ihre Mannschaft bis zum Schluss an – und sangen unverdrossen die alte Uefa-Cup-Hymne aus erfolgreicheren Europacup-Tagen. Huntelaars Tor in der Nachspielzeit entlockte ihnen einen kurzen Jubel.

„Das Publikum war 93 Minuten lang Weltklasse, genauso wie unser Gegner“, bekannte Horst Heldt. Der Manager war verstimmt, weil sich die seit acht Pflichtspielen ungeschlagene Elf taktisch unklug verhielt. Statt Schadensbegrenzung nach dem 0:4 zu betreiben und einen defensive Grundordnung herzustellen, ließ sich die Mannschaft bis zum Ende im eigenen Stadion weiter vorführen. „Das lässt einen verärgert nach Hause fahren“, sagte Heldt.

Statistik

Schalke: Fährmann – Höwedes, Matip, Felipe Santana, Kolasinac (76. Christian Fuchs) – Kevin-Prince Boateng (59. Goretzka), Neustädter – Farfan (72. Obasi), Meyer, Draxler – Huntelaar. – Trainer: Keller

Real: Casillas – Carvajal, Pepe, Ramos, Marcelo – Alonso (73. Illarramendi) – Modric, Di Maria (68. Isco) – Bale (80. Jese), Benzema, Ronaldo. – Trainer: Ancelotti

Schiedsrichter: Howard Webb (Rotherham)

Tore: 0:1 Benzema (13.), 0:2 Bale (21.), 0:3 Ronaldo (52.), 0:4 Benzema (57.), 0:5 Bale (69.), 0:6 Ronaldo (89.), 1:6 Huntelaar (90.+1)

Zuschauer: 54.442 (ausverkauft)

Beste Spieler: – Ronaldo, Bale, Benzema

Gelbe Karten: Höwedes (2), Huntelaar – Di Maria

Erweiterte Statistik (Quelle: impire):

Torschüsse: 10:21

Ecken: 1:7

Ballbesitz: 44:56 %