Archäologie: Forscher fanden keinen Hinweis auf das Unglück

OSLO. Irgendwann vor etwa 200 Jahren muß es vor der norwegischen Küste zu einem schweren Unglück gekommen sein. Nur einen Kilometer vom rettenden Festland entfernt sank damals in der Nähe der Stadt Molde ein Schiff. Vielleicht waren Sturm und dunkle Nacht die Ursache, vielleicht war das Schiff auch herrenlos, weil die Mannschaft erkrankt war. Was passierte, weiß niemand, denn man wußte bis vor kurzem noch nicht einmal von der Existenz des Wracks.

Kein Küstenbewohner hat das Unglück damals zur Kenntnis genommen, kein Reeder scheint das Schiff je vermißt zu haben. Es ist, als hätte es nie existiert - bis es im Sommer 2003 von norwegischen Meeresarchäologen in 170 Meter Tiefe entdeckt wurde.

Die Forscher Frederik Særeide und Marek Jasinski hatten den Auftrag, den Meeresboden zu untersuchen, da man zum Gasfeld "Ormen Lange" eine neue Pipeline legen wollte. Wie zu erwarten, fanden die Forscher Wracks. Sie stießen auf die Überreste von insgesamt 14 Schiffen, zwölf waren aus der neueren Zeit, ein Wrack war 200 Jahre alt, aber bereits bekannt. Das 14. unterschied sich von allen anderen: Es gab in keinem Archiv Aufzeichnungen darüber. Jetzt sah man sich das Wrack mit Hilfe eines Mini-U-Boots näher an. Was sich da im Licht der Scheinwerfer auftat, verschlug den Forschern die Sprache und löste Euphorie aus.

Tausende von Gegenständen lagen verstreut auf dem Boden, die meisten gut erhalten, 400 wurden inzwischen an die Oberfläche gebracht. Das Rätsel konnte trotzdem bisher nicht gelöst werden. Marek Jasinski: "Die Konstruktion läßt ein Handelsschiff vermuten. Als es sank, war es schon ziemlich alt. Es wurde wahrscheinlich Mitte des 18. Jahrhunderts erbaut, sank aber erst 50 Jahre später.

Im 18. und 19. Jahrhundert gab es einen lebhaften Handel zwischen Rußland und dem westlichen Europa. Es befand sich auf dieser Route, und die Lage des Wracks läßt vermuten, daß es aus Rußland kam. "Aber Genaues können wir nicht sagen."

Das Schiff und seine Ladung geben bisher eher verwirrende Antworten. Die Schiffsglocke ist holländisch. Sie hat die Inschrift: "Soli Gloria Deo A: 1745". Die 1000 leeren Weinflaschen, die man fand, waren dagegen französisch. Eine Wasserflasche stammt aus Deutschland, das Fernrohr kommt aus England. An Bord waren auch chinesisches Porzellan, Besteck und ein doppelter Satz Navigationsgeräte, der offenbar verkauft werden sollte. Eine Münze an Bord stammt aus Holland, andere Münzen sind Kopeken aus der Zeit von Katharina der Großen.

Woher das Wrack stammt, ist also unklar. "Aber irgend jemand muß das Schiff vermißt haben", sagt Jasinski. "Ein Schiff dieser Art verschwindet nicht einfach spurlos. Unabhängig davon ist es ungewöhnlich, daß es in der Bevölkerung keinen einzigen Hinweis auf das Unglück gibt, nicht einmal Legenden."