Bisher verschollene Dokumente zeichnen die Lage an Bord des Schlachtschiffes vor dessen Untergang am 27. Mai 1941 auf dramatische Weise nach.

Hamburg. "Außerordentlich starke Detonation auf 'Hood'. Hohe Säule von Eisenteilen wird sichtbar. Eine schwere schwarze Rauchwolke hüllt das Schiff ein, das schnell über das Heck absinkt und sich dabei um 180 dreht. Somit ist der Schlachtkreuzer ,Hood' fünf Minuten nach Gefechtsbeginn im Artilleriekampf vernichtet." So liest sich in der nüchternen Sprache des Kriegstagebuchs (KTB) der Untergang des seinerzeit größten Kriegsschiffes der Welt. Getroffen von Artilleriegranaten des deutschen Schlachtschiffes "Bismarck" versinkt der britische Schlachtkreuzer am 24. Mai 1941 in der Dänemarkstraße und reißt 1416 Mann mit in die Tiefe. Nur drei von ihnen überleben.

Festgehalten wurde die Tragödie im KTB der siegreichen "Bismarck", die drei Tage später ebenfalls ihr Schicksal ereilte. Eine wichtige Quelle zu den Geschehnissen und der Stimmung an Bord des deutschen Flaggschiffes sind auch die Aussagen von fünf Überlebenden, die von deutschen Einheiten geborgen wurden. Diese lange verschollenen Unterlagen geben einen Eindruck von der menschlichen Tragödie an Bord.

Am 18. Mai 1941 war die "Bismarck" von Gotenhafen zu ihrer ersten Unternehmung in den Nordatlantik ausgelaufen: Mit dem Schweren Kreuzer "Prinz Eugen" soll sie hier Handelskrieg führen - unter Führung des Flottenchefs Admiral Günther Lütjens, der sich mit seinem Stab eingeschifft hat.

Am 23. Mai 1941 um 19.22 Uhr heißt es: "Alarm. In Richtung 340 ein Schatten." Kurz darauf kommt es in der Dänemarkstraße zum ersten Gefecht. Die deutschen Schiffe nebeln sich ein und lösen sich vom Feind. Kapitän zur See Ernst Lindemann, Kommandant der "Bismarck", vermutet ein zufälliges Zusammentreffen. In sein KTB notiert er: "Operativer Einsatz feindlicher Seestreitkräfte bisher nicht erkennbar geworden."

In den frühen Morgenstunden des 24. Mai dann erneut "Alarm. Kreuzer kommt von achtern auf." Um 5.43 Uhr notiert Lindemann für das KTB: "Weitere Einheit an Backbord. Später als ,Hood' festgestellt." Und sieben Minuten später: ",Hood' und ,Prince of Wales' vereinigen sich und laufen mit Höchstfahrt in sehr spitzer Lage auf den Verband zu. Feuer eröffnen durch ,Hood' und ,Prince of Wales'. Feuer eröffnen auf ,Hood'. Feuervereinigung mit ,Prinz Eugen' auf das gleiche Ziel. In Höhe vor dem achteren Mast auf ,Hood' ein sich schnell ausbreitendes Feuer beobachtet." Die Kampfentfernung beträgt fast 30 Kilometer.

Über Bordlautsprecher gibt die Schiffsführung bekannt: "Gegner brennt." Der Matrosengefreite Georg Herzog stürzt nach oben. "Wie ich an Oberdeck komme, sehe ich Backbord achteraus eine Stichflamme." Über Lautsprecher kommt: "Gegner explodiert." Walter Lorenzen und seine Kameraden von der Leckwehrgruppe bringen ein dreifaches "Hurra" aus. Unterdessen vereinigen die beiden deutschen Schiffe ihr Feuer auf die "Prince of Wales", die "nach sicher beobachteten Treffern beider Schiffe unter Schwarzqualm abdreht und das Gefecht abbricht". Die "Bismarck" hat nur drei Treffer erhalten und zieht eine verräterische Ölspur hinter sich her. "Die allgemeine Begeisterung ist groß", erinnert sich der Matrosengefreite Herbert Mantey von der Schiffsartillerie.

Immer wieder greifen britische Torpedoflugzeuge an, sie können dem Schiff aber nichts anhaben. Der Matrosengefreite Otto Höntzsch bewundert ihre Flugmanöver: "Ich hatte das Gefühl, dass die Engländer mit sehr viel Schneid und Mut alles versuchten, ihre Torpedos ans Ziel zu bringen." "Prinz Eugen" wird entlassen, um auf eigene Faust weiter zu operieren. Durch die Schäden, die die "Bismarck" durch das Feuer der "Hood" erlitten hat, liegt das Vorschiff so tief im Wasser, dass es "an ein U-Boot erinnert", wie Höntzsch nach seiner Rettung zu Protokoll gibt. Trotzdem macht das Schlachtschiff noch stolze 27 Knoten.

London steht nach dem Verlust der "Hood" unter Schock. Sollte es der "Bismarck" gelingen, in den Atlantik durchzubrechen, würde sie allein durch ihr Auftreten auf den dortigen Schifffahrtswegen "eine schwere Beeinträchtigung britischer Seemachtstellung" erreichen, wie Lindemann in seinem KTB notiert. Churchill selbst gibt den Befehl: "Versenkt die ,Bismarck'." Die Royal Navy setzt alle größeren Einheiten, die sie in den Heimatstützpunkten zur Verfügung hat, in Marsch.

Am 25. Mai spricht der Flottenchef zur Besatzung. Der Matrosengefreite Höntzsch erinnert sich an seine Worte: "Wir haben noch einen schweren Kampf mit englischen Seestreitkräften zu bestehen. Wir werden siegen oder sterben." Mutlosigkeit macht sich breit. Dem Matrosengefreiten Otto Maus erscheinen seine Kameraden nach diesen Worten sehr niedergeschlagen: "Der Flottenchef hat so schön gesprochen, sie haben aber seinen Worten entnommen, dass wir schon verloren wären."

Am Morgen des 26. Mai hat die "Bismarck" das Operationsgebiet deutscher U-Boote und Flugzeuge erreicht. Hoffnung kommt auf: "Diese Nachricht löst große Freude aus." Abends gibt es erneut Fliegeralarm. Der Matrosengefreite Höntzsch sieht "vier Staffeln von vier Flugzeugen, die durch die Wolken brechend von allen Seiten angreifen". Die Männer der "Bismarck" wehren sich erbittert. Trotzdem gelingt einer Maschine ein folgenschwerer Torpedotreffer. Der Matrosengefreite Herzog hört über das Bordtelefon: "Ruderanlage unklar, Ruder liegt hart Steuerbord." Später "Schiff fährt im Kreis". Taucher gehen in die überfluteten Räume und kuppeln das Handruder ein. Das Schiff geht wieder auf Marschfahrt. Gegen Mitternacht eröffnen britische Zerstörer das Feuer. Sie können abgewehrt werden.

Das Gefecht dauert bis in die Morgenstunden des 27. Mai. Der Flottenchef verkündet: "Wir schießen bis zur letzten Granate." Der Gegner nutzt die Gefechtspause zur Heranführung weiterer Einheiten. Lorenzen beobachtet "Treffer auf Treffer, die zum größten Teil mittschiffs liegen. Die Schlagseite nach Backbord nimmt immer mehr zu." Gemeinsam mit anderen Seeleuten zerren sie im Granathagel Rettungsflöße aus den Halterungen. Noch immer schießt die eigene Artillerie Salve um Salve. Als die Wogen über dem Oberdeck zusammenschlagen, werden die Männer von Bord gespült.

"Da Treffer um Treffer im Wasser landet, gelingt es uns erst nach 15 Minuten, in das Schlauchboot zu klettern", sagt Manthey später aus. Ihr Schiff sehen die Männer nur noch, wenn eine Welle es hochhebt. Die Aufbauten sind zerstört und stehen in Flammen. Unter Deck aber hämmern noch immer die Maschinen. Auch die Schiffsartillerie feuert unverdrossen weiter, bis die Munition verschossen ist. "Kurz danach sah ich von ,Bismarck' nichts mehr, nur noch eine Rauchfahne." Lorenzen und Maus werden später von einem deutschen Versorgungsschiff aufgenommen.

Admiral Lütjens hadert mit seinem Schicksal. Er will seinen Vorgesetzten Rechenschaft ablegen, sich für sein Handeln verantworten. Das Kriegstagebuch muss gerettet werden. Um 7.10 Uhr setzt die "Bismarck" den letzten Funkspruch ab: "U-Boot senden zum Wahrnehmen des Kriegstagebuches." Bald darauf setzen die gegnerischen Zerstörer zum Fangschuss auf das deutsche Flaggschiff an. Der Kommandant gibt den Befehl zur Selbstversenkung und zum Verlassen des Schiffes. Als U 74 am Abend die Position der "Bismarck" erreicht, ist das Schlachtschiff gesunken. Damit ist auch das Kriegstagebuch verloren. Dann entdecken die U-Boot-Männer ein Floß, darin die entkräfteten Matrosengefreiten Manthey, Herzog und Höntzsch. Es ist eine Rettung in letzter Minute. Gelungen, weil der Flottenchef das Kriegstagebuch der Nachwelt erhalten wollte.