Vor 30 Jahren bewegte ihr Schicksal ganz Deutschland. Jetzt nahm die Behörde ihr das Kind weg.

Berlin. Es hätte eine so schöne Geschichte werden können. Von dem Mädchen, das sich mit 13 Jahren Heroin spritze, mit 14 auf den Babystrich ging, dann aber aus eigener Kraft den Drogen entsagte, durch ein Buch berühmt und reich wurde und schließlich ein erfülltes, zufriedenes Dasein mit Kind und Hund am Stadtrand von Berlin führte.

Doch 30 Jahre nach Veröffentlichung ihrer Jugenderlebnisse ("Wir Kinder vom Bahnhof Zoo") hat das Schicksal für Christiane F. (46) ein neues, trauriges Kapitel geschrieben.

Wie die Berliner "BZ" exklusiv erfuhr, ist Christiane wieder drogenabhängig und in der Szene abgetaucht. Ein Freund behauptet, dass sie regelmäßig Heroin konsumiert. Bereits vor einigen Wochen nahm das Jugendamt Christianes Sohn Elias* (11) in Obhut. Das Landratsamt Potsdam-Mittelmark bestätigte, dass Christiane "rückfällig" geworden ist. "Ihr Sohn lebt in einer Wohngruppe", sagt eine Sprecherin. "Eine Rückkehr zur Mutter ist zurzeit ausgeschlossen."

Rückblick: Nach Veröffentlichung ihres Buches 1978 riss Christiane F. von ihrer Tante in Schleswig-Holstein aus, brach ihre Buchhändler-Lehre ab. Sie ging nach Hamburg, lebte als Punkerin mit Alexander Hacke von den "Einstürzenden Neubauten" zusammen, tourte mit der Band durch die USA, feierte mit Nina Hagen in Hollywood und unterschrieb in New York einen Plattenvertrag. Sie spielte die Hauptrolle in einem Underground-Film. Als Hacke sie verließ, betäubte sie ihren Schmerz mit Heroin.

Aber sie bekam eine neue Chance. Eine Züricher Verlegerfamilie holte sie zu sich. In dem Haus ging die Kultur-Elite Europas ein und aus: Filmregisseur Federico Fellini, Friedrich Dürrenmatt, Loriot. Sie bewunderten ihre Intelligenz, ihre Vitalität, schmiedeten Zukunftspläne für Christiane. Doch die fand alles langweilig, stahl sich immer öfter hinaus in die Züricher Drogenszene. Sie ging zurück nach Berlin, wurde wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz verhaftet, landete für zehn Monate im Gefängnis.

Nach ihrer Haft reiste sie nach Griechenland und lernte den heroinsüchtigen Hippie Panagiotis kennen. Mit ihm lebte sie sechs Jahre zusammen, bis er wegen eines Überfalls in Haft kam. Zurück in Berlin, wurde sie von einem zehn Jahre jüngeren Junkie, den sie an der Methadon-Ausgabe kennengelernt hatte, schwanger.

Das Kind, endlich ein Halt, endlich eine richtige Verantwortung. Sie gab ihre Altbauwohnung im Norden Berlins auf, zog mit ihrem Sohn in eine bürgerliche Reihenhaussiedlung. Da musste sie scheitern.

Der erneute Absturz, der seit Jahren nach eigenen Aussagen drogenfrei lebenden Berlinerin, begann im Frühjahr, als sie Peter L. (37) kennenlernte - einen per Haftbefehl gesuchten Betrüger. "Wir haben uns schnell und heftig ineinander verliebt", sagt er. "Wir wollten mit ihrem Sohn in die Niederlande auswandern." Als das Jugendamt davon Wind bekam - seit 2005 betreut ein Sozialarbeiter die Familie - holte es Elias mit Polizeigewalt aus der Wohnung. Christiane F. entführte den Jungen kurze Zeit später aus dem Amt, floh mit Elias und Freund nach Amsterdam.

In der Fremde soll sich Christiane nicht mehr um Elias gekümmert haben, viel Alkohol getrunken und Drogen genommen haben. Offenbar gab es auch Streit. Horst Rieck, Co-Autor des Buches "Wir Kinder vom Bahnhof Zoo" zu "Spiegel Online", dass Christiane F. von ihrem Begleiter in Amsterdam nicht gut behandelt, unter Umständen sogar betrogen worden sein soll. Ende Juni war sie wieder mit Elias nach Berlin gekommen, hatte sich im Zug freiwillig der Bundespolizei gestellt. "Ich bin entsetzt, mit den Nerven am Ende", sagt Christianes Mutter Elisabeth T. *"Ich habe meiner Tochter 35 Jahre zur Seite gestanden. Jetzt weiß ich nicht mehr, wie ich ihr helfen soll." Elisabeth T. hat Elias bereits zweimal besuchen dürfen. "Er lebt in einem Einfamilienhaus mit sechs weiteren Kindern. Es geht ihm gut", sagt sie. Christiane F. hätte vom Jugendamt Auflagen bekommen. "Sie muss ihr Leben in den Griff bekommen. Das ist ihre einzige Chance, den Jungen wiederzusehen."

* Namen geändert