Er wollte sich umbringen und seine Kinder mit in den Tod nehmen. Deswegen ging er mit einem Hammer auf die schlafenden Geschwister los.

Kassel. Dass es kein normaler Einsatz wird, wusste Mechthild Diels schon beim Alarm. „Die Leitstelle ist sonst nüchtern und kontrolliert. Aber der Kollege stockte und konnte gar nicht richtig sprechen“, sagt die Notärztin. Seit Jahrzehnten ist sie Medizinerin, seit 16 Jahren fliegt sie auf dem Rettungshubschrauber „Christoph 7“. Der Einsatz im nordhessischen Berndorf war der schlimmste ihres Lebens. Im April hat ein Familienvater in dem Örtchen bei Korbach seine drei Kinder mit Hammerschlägen fast getötet und sich erst am nächsten Tag der Polizei gestellt. Wie durch ein Wunder überlebten Kim-Katharina, Anna-Lena und Jonas.

Vorausgegangen war eine Geschichte, die sich jährlich tausendfach abspielt: Ein Paar trennt sich, die Kinder leben bei der Mutter. Der Vater darf sie zwar sehen, leidet aber unter der Trennung. Dann ist auch der Job weg und er beginnt zu trinken. „Die Kinder waren mein Leben“, lässt der 40-Jährige am Mittwoch zum Prozessauftakt vor dem Kasseler Landgericht erklären. „Ich habe sie immer geliebt, war auch mal streng, aber nur mit Worten. Aber die Trennung hat mich völlig zermürbt.“

Immer wieder habe er an Selbstmord gedacht. „Aber ich wollte die Kinder nicht ohne Vater zurücklassen.“ Sein Plan war, mit einem Mietwagen gegen einen Pfeiler zu rasen. „Doch die Wahrscheinlichkeit, dass auch meine Kinder sterben, war viel zu gering. Die Vorstellung, dass sie ihr Leben unter den Folgen leiden würden, konnte ich nicht ertragen. Deshalb verfiel ich auf die Idee mit dem Hammer.“

Als der Dreijährige und seine fünf und sieben Jahre alten Schwestern auf der Ausziehcouch schliefen, schlich sich ihr Vater mit einem Zimmermannshammer in den Raum und schlug auf die Köpfe seiner Kinder ein. Immer wieder. Die beiden Teddybären und ein bunter Plüschvogel, den eines der Kinder an sich gedrückt haben muss – alles voller Blut. „Mit wuchtigen Hieben“ schlug der Mann zu, heißt es in der Anklageschrift, um die Kinder aus niederen Beweggründen und heimtückisch zu töten.

Dann raste er über die Autobahn. „Ich verstehe bis heute nicht, warum mir der Mut zum Selbstmord fehlte. Ich habe es bis Hamburg nicht geschafft, gegen einen Pfeiler zu fahren oder ein Brückengeländer zu durchbrechen.“ Deshalb fuhr er die gut 300 Kilometer zurück nach Kassel und stellte sich.

Es grenzt an ein Wunder, dass die Kinder trotz zertrümmerter Schädel die Stunden überlebten, bis die Retter kamen. Bei der Ältesten spricht die Anklage zum Entsetzen der Zuhörer von einem „erheblichen Verlust der Hirnsubstanz“.

Diels hatte Anna-Lena zu versorgen. „Da liegt ein kleines Mädchen vor mir und ich diagnostiziere gerade „rund 20 Kilo, etwa vier Jahre“, da schlägt das Kind die Augen auf und sagt „Aber ich bin doch fünf.“ Ich war wie erstarrt.“ Drei Blutkonserven hat Anna-Lena gebraucht. „Für so ein Körperchen ist das sehr, sehr viel.“ Eine Woche liegt die Kleine im Koma. Aber sie lebt. Genauso wie Kim- Katharina und Jonas.

Ein halbes Jahr später sitzt ihr Vater vor der 6. Großen Strafkammer und muss womöglich lebenslang ins Gefängnis. „Ich habe Alpträume und sehe nachts meine Kinder blutüberströmt“, ließ er erklären. „Ich kann nur hoffen, dass mir meine Kinder einmal verzeihen werden.“ Ihnen musste von Psychologen klargemacht werden, dass es ihr Vater war, der ihnen das alles zugefügt hat. Vielleicht haben sie es noch nicht begriffen, vielleicht sind sie aber auch kräftiger als alle glauben: Bei einem Fest für alle Retter am Wochenende tollten die drei herum, wie inzwischen vier, sechs und acht Jahre alte Kinder es nun einmal tun.