Berlin. Die Stadt war einst für ihre Schmuckherstellung berühmt, dann ging sie unter. Archäologen könnten nun ihre Ruinen gefunden haben.

Tu‘am war im 6. Jahrhundert auf seinem Zenit. In der Stadt wurde Perlenfischerei betrieben und Schmuckstücke von hoher Qualität produziert. Doch irgendwann verliert sich die Spur der Stadt in der Geschichtsschreibung. Regionale Spannungen und eine Epidemie bedeuteten wohl ihr Ende. Archäologen haben nun in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) Ruinen freigelegt, die zu der verschollenen Stadt gehören könnten.

Auf der küstennahen Sinniyah-Insel, die nur rund 40 Kilometer von Dubai entfernt liegt, wurden die Forscher fündig. Über die archäologischen Ausgrabugen von Häuserruinen berichtete jüngst das lokale Medium „The National“. Demnach waren die Wohneinheiten um schmale Gassen angelegt worden, was auf einer Fläche von 10 Hektar für eine Siedlung mit mehreren Tausend Einwohnern und damit für Tu’am spricht.

Archäologen fanden christliches Kloster in Siedlung

Die Archäologen nehmen an, dass die ausgegrabene Stadt einst das Zentrum eines Territoriums war, das die heutigen Emirate umfasst. In den vorherigen Jahren hatten sie bereits einige Häuser der Siedlung freigelegt, die – wie sich nun herausstellte, zu einer viel größeren Stadt gehörten. Die Überreste auf der Sinniyah-Insel werden auf das 4. bis 6. Jahrhundert datiert. Auch dabei entsprechen die archäologischen Spuren den Quellen aus frühen arabischen Aufzeichnungen, wonach Tu’am im 6. Jahrhundert seinen Zenit erreichte – und verschwand.

Die Forscher fanden in den vergangenen Jahren die Ruinen eines von nestorianische Mönchen gegründeten christlichen Klosters, das erst das zweite in den VAE entdeckte Kloster ist. Nestorianismus ist eine frühchristliche Lehre, die später aus der Kirche verbannt wurde. Zu Beginn der Ausgrabungen glaubten die Archäologen noch, die Siedlung sei um das Kloster herum errichtet worden. Ein Irrtum, wie sich mit dem Fund der großen Wohngebäude nun herausstellt.

„Unsere archäologische Arbeit hat die bei weitem größte Siedlung entdeckt, die jemals an der Golfküste der Emirate gefunden wurde“, zitiert „The National“ Prof. Dr. Power von der VAE-Universität. „Es ist ein wirklich wichtiger Ort. Niemand hat ihn jemals gefunden.“

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Perlen-Handel begründete den Aufstieg von Tu’am

Ob es sich bei der Siedlung wirklich um Tu’am handelt, können die Wissenschaftler nicht mit endgültiger Sicherheit sagen. Eine Inschrift mit dem Namen Tu’am wurde bisher nicht gefunden. Trotzdem sei das Fehlen anderer großer Küstenstädte aus der Epoche ein klares Indiz dafür, dass es sich um Tu’am handele, so Power.

Die Siedlung setzte sich zuerst aus kleinen Steinhütten zusammen, die von weggeworfenen Austernschalen umgeben waren. Mit dem zunehmenden Erfolg des Perlenhandels wurden schließlich größere Gebäude für die Arbeiterschaft errichtet. „Es sieht so aus, als ob die Reichen aus der dichten Nachbarschaft geflohen seien“, sagt Dr. Michelle Degli Eposti, Leiterin der italienischen archäologischen Mission in der Region Umm Al Quwain. Eine entsprechende Klassengesellschaft bildete sich.

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Laut den Archäologen sei die Kindessterblichkeit in der durch die zahlreichen Tonöfen verrauchten Stadt hoch gewesen. Sie fanden auch große Mengen an Dattelwein-Krügen aus dem Irak und Fischknochen. Die Stadt müsse durch ein Handelsnetzwerk, das durch Irak und Persien bis nach Indien reichte, gut vernetzt gewesen sein. Die Grabungen wurden unter der Leitung der regionalen Behörde für Tourismus und Archäologie in Zusammenarbeit mit internationalen Experten durchgeführt.