Hamburg. Gerade in der Pandemie boomte das Geschäft mit Tischen, Stühlen und Regalen. Davon profitierte auch die City. Die Hintergründe.

Möbel? Für ein neues Bett, einen Beistelltisch oder etwas Schönes im Badezimmer haben sich die Hamburger bisher meist ins Auto gesetzt und sind zu den großen Anbietern im Grünen gefahren. Zu Möbelhäusern am Rande der Stadt, oft architektonische Missgriffe und so groß, dass Kinder auch schon mal verloren gingen und ausgerufen werden mussten.

„Der kleine Lukas sucht seine Eltern“, schallte es da durch die mehrstöckigen Gebäude, voll von Tischen und Teppichen, aber oft ohne Tageslicht. Nun zieht es die Branche in die City. Aus groß wird überschaubar, aus den gesichtslosen Klötzen nicht selten ein stylischer Standort unter Denkmalschutz.

Einzelhandel Hamburg: Clic in die City gezogen

Rolf Benz, Die Wäscherei oder Clic sind Beispiele für Einrichter, die es in die Innenstadt gezogen hat. Dazu kommen Marken, die ihre Möbel bisher im Internet angeboten haben und diese nun auch zum Anfassen in Alsternähe präsentieren – wie Westwing und Home24. Die Gründe für den Zuzug in die City sind vielfältig. Modehändler haben Pro­bleme mit Überkapazitäten und machen in guten Lagen Platz für andere Sortimente. Dazu kommt: Möbel haben während Corona eine Sonderkonjunktur erlebt – und die Anbieter wollen die guten Geschäfte über die Zeit der Pandemie hinaus retten.

Prominentes Beispiel: Westwing eröffnet seinen ersten Flagship-Store im Herzen von Hamburg. Kunden kennen die Marke aus dem Internet, wo der Anbieter aus München eine große Auswahl an Möbeln und Accessoires wie Leuchten oder Textilien verkauft. Westwing, seit Oktober 2018 an der Frankfurter Wertpapierbörse notiert und in elf europäischen Ländern aktiv, hat sich mit dem Geschäft in Hamburg zum ersten Mal für einen stationären Shop entschieden.

Auch Home24 eröffnete in der Innenstadt

Im historischen „Heine-Haus“ am Jungfernstieg werden den Kunden ab November eine Auswahl der Westwing Collec­tion und andere Marken präsentiert. Auf mehr als 500 Quadratmetern können die Besucher zum einen kleinere Produkte direkt kaufen und mitnehmen, während größere Möbelstücke in der Filiale mit Blick auf die Binnenalster bestellt werden können. Dabei wird die digitale Technologie der Marke in der realen Welt fortgeführt: Alle Informationen zum Produkt sollen über einen QR-Code auf dem Etikett aufrufbar sein, zudem unterstützen die Mitarbeiter die Kunden bei der Erstellung von Raumkonzepten.

Auch Home24 hat sich von der Strategie verabschiedet, ausschließlich im Netz auf Kundenfang zu gehen. Wie der Einrichter Clic hat es Home24 zuletzt vom Stilwerk in die City gezogen. An der Dammtorstraße, in einem Geschäft mit einer großen Schaufensterfront und direkt neben einem weiteren Möbelhaus, Bolia, zeigt der Internethändler seit einiger Zeit eine Auswahl seiner Eigenmarken. Dazu gibt es Beratung „und auch Accessoires unserer der Marke Butlers, die Kunden direkt mitnehmen können“, wie ein Firmensprecher sagt.

Gegenüber wird BoConcept einziehen

Das Angebot werde gut angenommen, bekäme „gerade im Umfeld mit anderen Anbietern von Möbeln die richtige Aufmerksamkeit“, so der Sprecher weiter. Im Internet äußern sich Kunden bereits durchaus positiv über die Kombination aus virtuellem und realem Einkauf: „Tolle Möglichkeit, um online ausgesuchte Möbel vor dem Kauf real mal Probe zu sitzen, genial!“, heißt es in einer Onlinebewertung. „Sogar das Leder konnte ich als Muster anfassen!“, freut sich eine Kundin über die Vorteile eines Besuches vor Ort.

Direkt gegenüber wird derweil bald BoConcept einziehen, die Gegend um den Gänsemarkt damit zur Möbelmeile. Denn auch die Marke FDB Møbler steht hier in den Startlöchern, noch ist das Haus am Jungfernstieg zwar verhängt, aber bald können Hamburger hier dänisches Design kaufen.

Nachfrage nach Möbeln stark gestiegen

Der Einkauf von Sofas oder Sesseln im Internet hatte während der Pandemie stark zugelegt, wie auch die Ausgaben für Möbel insgesamt. Seit Corona investierten die Menschen in Deutschland wieder mehr in ihr Zuhause, schließlich waren die Familien in Homeoffice und mit Onlineunterricht mehr daheim – und wegen der Reisebeschränkungen auch seltener im Urlaub.

Deutlich zugenommen hat dabei – wohl auch wegen der Zwangsschließungen der Läden – der Marktanteil der Onlinehändler: Er stieg bis Ende 2021 innerhalb von zwölf Monaten von 11,5 auf 13,1 Prozent. Zugleich liegt dieser Wert aber noch deutlich unter den Anteilen des E-Commerce in anderen Branchen, etwa bei Mode oder Elektrogeräten. Auch aus diesem Grund präsentieren sich Home24 & Co. nun vermehrt in den Einkaufsstraßen, wo sie ihre Marke bekannter machen und ein Shoppingerlebnis zwischen echten Sofas und Sitzgruppen bieten wollen.

Home24 SE musste Umsatzprognose korrigieren

Gleichzeitig geht aber die Sorge um, dass die Ausgabefreudigkeit der Menschen abrupt abgebremst werden könnte. So hat die börsennotierte Home24 SE gerade ihre Umsatzprognose nach unten korrigiert. Die Inflation und der Krieg in der Ukraine, „die zu einem historischen Rückgang des Konsumentenvertrauens führen“, so Home24, führe zu einem verhaltenen Ausblick, wobei das Unternehmen im schlechtesten Szenario von einem Umsatzrückgang von sieben Prozent verglichen mit dem Vorjahr ausgeht.

Auch bei Otto ist der Bereich Home&Living während der zurückliegenden Corona-Jahre außerordentlich stark gewachsen. „Wir wissen aber natürlich um den Umstand, dass hier auch sonderkonjunkturelle Effekte eine Rolle gespielt haben“, sagte ein Sprecher des Hamburger Handelskonzerns. „Entsprechend haben wir eine Normalisierung des Marktes eingepreist, die jetzt auch eingetreten ist.“

Die Wäscherei wagt sich in die City

Nicht nur die Möbelhändler, die bisher ausschließlich im Netz zu finden waren, haben sich in bekannte Viertel der Hansestadt eingemietet. Mitten im Hin und Her von Lockdowns und Hiobsbotschaften in Sachen Corona ist Rolf Benz in eine Hamburger Eins-a-Lage gezogen, in die Stadthöfe. Diese Nachbarschaft kam der Premium-Marke sehr entgegen. „Das Stadthöfe-Quartier liegt zwischen Neuer Wall und Große Bleichen. Das sind die beiden Straßen in Hamburg mit dem hochwertigsten Einzelhandelsangebot. Wer nach Luxus- und Designer-Marken sucht, findet sie hier“, lobt Alexander Raab, der neben dem Rolf-Benz-Geschäft weitere Möbelläden in Hamburg betreibt.

Auch die Wäscherei ist in der Innenstadt aktiv, und zwar gleich mit zwei Standorten im Hamburger Hof, die das große Hauptgeschäft in der City Nord unterstützen und bekannter machen sollen. Mit den beiden Läden in Toplage wagt Inhaber Michael Eck zum ersten Mal den Schritt in die City. Er profitiert dabei von gesunkenen Mieten. Beispiel: Eine Immobilie am Jungfernstieg, die Eck ebenfalls angeboten bekommen hatte, kostet nun 20 Prozent weniger als vor der Pandemie.

Einzelhandel Hamburg: Auch Hardeck ist neu

Neu in Hamburg ist zudem Hardeck. Neben der jetzt unschön als Baustelle verhängten Gänsemarktpassage hat sich das Einrichtungshaus aus Bochum angesiedelt. Vor der Tür stehen Sofas für müde Passanten, drinnen wird sogar gekocht, denn auch für Küchen ist die Marke aus dem tiefen Westen bekannt. „Fläche ist nicht mehr alles“, argumentiert Inhaber Dirk Hardeck. Auf „nur“ 1500 Quadratmetern präsentiert der Einrichter seine Möbel. Es ginge heute eher darum, zu in­spirieren und am Ende auf den Onlineshop hinzuweisen.