Hamburg (dpa/lno). Die extremistische Gruppe Muslim Interaktiv will erneut in Hamburg demonstrieren - und wird das trotz Protests auch dürfen. Es soll aber strengere Auflagen geben als bei der vorigen Versammlung.

Die islamistische Gruppe Muslim Interaktiv darf am Samstag in Hamburg erneut auf die Straße gehen, wird aber mit strengen Auflagen belegt. Das sagte Hamburgs Polizeipräsident Falk Schnabel am Mittwoch bei einer gemeinsamen Pressekonferenz von Polizei, Innenbehörde und Verfassungsschutz zum Umgang mit der extremistischen Gruppierung und ihren Versammlungen. „Wir sind eine strenge Versammlungsbehörde. Wir sind aber vor allen Dingen eine streng rechtsstaatliche Versammlungsbehörde“, betonte Schnabel.

Ein Versammlungsverbot sei wie schon vor der Demonstration der Gruppe am 27. April intensiv geprüft worden, führte der Polizeipräsident aus. Dazu sei auch Videomaterial von der vorangegangenen Kundgebung ausgewertet worden. „Ein Verbot wird sich rechtlich nicht halten lassen“, fasste Schnabel die Ergebnisse zusammen. Wie schon im April solle es aber die Auflagen geben, dass nicht zur Gewalt aufgerufen und das Existenzrecht Israels nicht geleugnet werden dürfe. Als zusätzliche Auflage solle auch die Forderung eines Kalifats auf deutschem Boden nicht erlaubt werden.

Weitere Einschränkungen seien Bestandteil der laufenden Kooperationsgespräche, sagte Matthias Tresp, der als Leiter der Schutzpolizei auch die Versammlungsbehörde verantwortet. Dazu gehörten die Marschroute und auch das Verbot einer sichtbaren Geschlechtertrennung. Der Anmelder habe sich bei den bisherigen Absprachen kooperativ gezeigt.

„Wir werden alle rechtlichen Mittel voll ausschöpfen“, versicherte Innensenator Andy Grote (SPD). Extremistische Meinungen seien aber eben nicht grundsätzlich rechtswidrig. „Das ist schmerzhaft, aber das ist dann auch das Wesen des Rechtsstaats.“ Bei der Kundgebung Ende April hatten die Demonstranten eine ihrer Meinung nach islamfeindliche Politik und Medienberichterstattung in Deutschland aggressiv angeprangert. Außerdem wurde ein Kalifat als Lösung gesellschaftlicher Probleme gefordert. Der Aufmarsch hatte bundesweit Empörung ausgelöst.

Diesmal werden wie schon bei der vorangegangenen Kundgebung Ende April rund 1000 Demonstranten erwartet. Die Polizei will nach Angaben von Tresp die Versammlung mit einem Großaufgebot begleiten. Auch Dolmetscher, Islamwissenschaftler und Fachleute des Staatsschutzes seien eingeplant, um mögliche Verstöße und Straftaten einordnen zu können. Der Chef der Schutzpolizei betonte aber auch: „Die Schwelle bis zu einer Auflösung ist eine hohe.“ Bislang sei zudem eine Gegendemonstration mit 100 Teilnehmern für Samstag angekündigt.

Muslim Interaktiv wird nach Angaben des Hamburger Verfassungsschutzes seit vier Jahren beobachtet. Es handele sich um eine extremistisch-islamistische Organisation, die die Grundwerte, die Demokratie und die Gesetze in Deutschland ablehne, sagte der Leiter des Hamburger Verfassungsschutzes, Torsten Voß. Die Gruppe sei zunächst vor allem in den sozialen Medien aktiv gewesen, habe dann auch Versammlungen organisiert und insbesondere mit der Ausrichtung von Iftar-Feiern versucht, Anschluss an bürgerliche Muslime zu finden. Beim Fastenbrechen (Iftar) versammeln sich während des Fastenmonats Ramadan nach Sonnenuntergang Muslime, um gemeinsam zu essen.

Der Verfassungsschutz habe vor der Teilnahme an diesen Feiern und anderen Versammlungen der Gruppe schon in der Vergangenheit gewarnt. „Wer jetzt zu diesen Versammlungen geht, macht sich mit Islamisten gemein“, betonte Voß. Jan Hieber, Leiter des Landeskriminalamtes Hamburg. Er sprach von einer „Tiktokisierung dieser Ideologie“. Gruppen wie Muslim Interaktiv repräsentierten ein neues Phänomen des politischen Islamismus.

CDU-Fraktionschef Dennis Thering nannte die Entscheidung „unerträglich“. „Diese Bilder sollten sich nicht wiederholen und es bleibt ein Rätsel, warum der rot-grüne Senat hier erneut diese Anmeldung zulässt.“ Der SPD-Innenexperte Sören Schumacher sagte dagegen: „Es wäre gut, wenn hier alle parteipolitisch etwas abrüsten und den Sicherheitsbehörden in ihrer schwierigen Arbeit gegen extremistische Gruppierungen den Rücken stärken würden.“ Wenn Thering ein politisches Verbot fordere, verteidige er nicht das Grundgesetz, sondern stelle sich gegen die Verfassung.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte zuletzt auch eine Gesetzesverschärfung ins Spiel gebracht. Derzeit werde geprüft, ob es Möglichkeiten gebe, gegen Äußerungen in Richtung Gründung eines Kalifats gesetzlich vorzugehen, sagte sie am Dienstag in Hamburg. Politische Maßnahmen zum Verbot einer weiteren Demonstration der Gruppe schloss sie jedoch aus. „Sie können sich nicht politisch über das Recht hinweg setzen“, betonte sie.