London. Der 61-Jährige tritt als neuer britischer Premierminister an – seine Labour-Wirtschaftspolitik dürfte schon bald von sich reden machen.

Ein neu gewählter Premierminister muss, bevor er sich in die Arbeit stürzt, erst mal die Erlaubnis vom Chef einholen. Von dieser Pflicht wird natürlich auch der frischgebackene Ministerpräsident Keir Starmer nicht ausgenommen. Man erinnere sich: Großbritannien ist eine Monarchie, und jede Regierung heißt offiziell „His Majesty’s Government“. So muss der Wahlsieger zunächst zum Buckingham Palace fahren und Charles III. höflich bitten, die nächste Regierung bilden zu dürfen.

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Am Freitagnachmittag war es bereits soweit. Charles hat Ja gesagt. Im Anschluss wurde Starmer dann in sein neues Zuhause gefahren – 10 Downing Street ist gleichzeitig die Wohnung und der Amtssitz des Premierministers. Dort wird er seine erste Ansprache an die Nation halten. Es folgen Unterredungen mit Sicherheitsteams und Staatsbeamten. Tony Blair erinnert sich, wie Kabinettsekretär Robin Butler, damals leitender Staatsbeamter, sich neben ihn an den Tisch gesetzt und gesagt habe: „Und was tun wir jetzt? Wir haben Ihr Wahlprogramm studiert und wir sind bereit, die Arbeit aufzunehmen.“

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    Zunächst einmal wird sich Starmer sein Kabinett zusammenstellen. Der Prozess könnte bis weit ins Wochenende dauern. Dann kann es losgehen mit dem Regieren. Für Starmer steht einiges an. In den vergangenen Jahren haben sich unzählige Probleme angestaut, um die sich die neue Regierung kümmern muss – vom drohenden Kollaps des Wasserkonzerns Thames Water bis zur Finanzkrise der Universitäten, die bald bankrottgehen könnten.

    Die Wirtschaftspolitik dürfte bald im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen. Starmer und die voraussichtliche Schatzkanzlerin Rachel Reeves haben während des Wahlkampfes unermüdlich wiederholt, dass Wachstum ihre oberste Priorität sei. „Ich werde meine Energie und mein politisches Kapital ins Wirtschaftswachstum investieren“, sagte Reeves. Steuererhöhungen für „arbeitende Leute“ werde es nicht geben, aber Labour werde auch „fiskalisch verantwortlich“ vorgehen – das heißt, man kann keine deutliche Erhöhung der Staatsausgaben erwarten.

    Ökonomen bezweifeln jedoch, ob diese Rechnung aufgehen wird. Kürzlich warnten mehrere Experten, dass die Pläne Labours auf allzu optimistischen Prognosen beruhen. Wenn das erhoffte Wachstum jedoch ausbleibt, gleichzeitig aber die Steuern nicht erhöht werden, dann werden empfindliche Kürzungen bei den Staatsausgaben unumgänglich sein – aber auch dies hat Keir Starmer ausgeschlossen.

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    Großbritannien: Starmer-Regierung könnte einen Kniff nutzen

    Die neue Regierung könnte ziemlich früh anmelden, dass die öffentlichen Finanzen in einem schlimmeren Zustand seien als erwartet. Damit könnte sie mögliche Steuererhöhungen rechtfertigen. Man erinnert sich an den mittlerweile berüchtigten Zwischenfall beim Regierungswechsel 2010, als die Tories an die Macht kamen. Ein abtretender Labour-Staatsminister im Finanzministerium hinterließ seinem Tory-Nachfolger einen Zettel auf dem Tisch, auf dem er geschrieben hatte: „Tut mir leid, es ist kein Geld übrig.“ Es hätte ein Witz sein sollen – aber die Tories stürzten sich darauf: „Seht her, Labour hat uns einen Scherbenhaufen hinterlassen“, sagten sie. Es half der Regierung, ihre drakonische Sparpolitik zu rechtfertigen.

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    Eine solche Notiz werden die angehenden Labour-Minister wohl nicht finden. Auch sind die Haushaltszahlen öffentlich zugänglich – alle wissen, wie es um die Staatsfinanzen steht. Dennoch könnte sich die neue Regierung mit der Ausrede behelfen, sie habe das Ausmaß des Problems unterschätzt. Das sei unter neuen Finanzministern üblich, schreibt der Wirtschaftskommentator vom „Guardian“. „Frühes Handeln hätte zwei Vorteile: Man kann so die abtretende Regierung verantwortlich machen, und man kann schlechte Nachrichten schnell hinter sich bringen.“