Düsseldorf. Die Niederlande trifft am Dienstag im EM-Achtelfinale auf Rumänien. Auf Memphis Depay, den Mann mit dem Stirnband, wird es ankommen.

„Eine Sache: Danke für deine Meinung. Wir werden nichts mit ihr anfangen, Ende der Kommunikation“. So heißt es im neuesten Song des niederländischen Nationalstürmers Memphis Depay, den er pünktlich zur EM mit dem Rapper Akwasi Owusu Ansah veröffentlicht hat. Wie dieser erklärte, soll das Lied eine Hommage an gemeinsame ghanaische Wurzeln und eine Reaktion auf gemeinsames Leiden sein. Das Leiden daran, bekrittelt, kritisiert und angefeindet zu werden.

Depay, 30, ist einer dieser Spieler, der kaum einen Fan kalt lässt. Der mit 46 Toren nach Robin van Persie zweiterfolgreichste Torschütze der niederländischen Länderspielgeschichte wird geliebt oder gehasst, doch anders als manche Berufskollegen scheint er diese Polarisierung bisweilen lustvoll zu befördern. Wenn eine kriselnde Oranje nach missratener Vorrunde heute im Achtelfinale auf Rumänien trifft, dürfte er beispielsweise wieder mit seinem Stirnband auflaufen.

Memphis Depay: Stirnband wird zum Hit in den Niederlanden

Die Kopfzierde im Achtzigerjahre-Style avancierte in den Niederlanden schon vor Turnierbeginn zum Textil des Sommers. Aus Sportartikelläden wurde Ausverkauf gemeldet, eine Fastfoodkette lockte Kunden mit einer Stirnband-Verschenkaktion. Und Bondscoach Ronald Koeman durfte sich in der Vorbereitung bisweilen mehr Fragen nach dem Haarband anhören als nach seinen Taktiken. „Es ist halt eine neue Zeit“, sagte der 61-Jährige. Die Funktion des Stirnbandes? „Ich weiß es nicht“.

Depay brachte dann Aufklärung, „es hält meinen Schweiß auf“, erklärte er. Aber wer sollte ihm das schon abnehmen, wo doch eigens seine Nummer 10 aufgedruckt ist, als wäre er Cristiano Ronaldo oder Michael Jordan. Memphis will partout auffallen, nicht nur bei seiner Freundin („Ihr gefällt es“), sondern auch auf dem Platz – diesen Eindruck macht er nach einer von Verletzungen geplagten Klubsaison. Beim 0:0 gegen Frankreich provozierte er mit manierierter Spielweise selbst bei den grundsätzlich wohlmeinenden Oranje-Fans manches Murren. Erst gegen Österreich wirkte er trotz Hollands 2:3-Niederlage fokussierter, arbeitete fürs Team und erzielte sein erstes Turniertor.

Niederlande-Star Depay: „Spannungen“ mit den Medien

Die Scharmützel sind trotzdem nicht vorbei, dafür sorgen schon die stets provokationsfreudigen niederländischen Medien. Als Depay am Sonntag im Teamquartier zu einer Presskonferenz erschien, drehte sich gleich die erste Frage um vermeintliche „Spannung“ zwischen ihm und der Journaille: Ob sich Depay bei Auftritten wie diesen in der „Höhle des Löwen“ fühle? „Seltsame Frage“, antwortete Depay, er spreche doch „immer normal“ und „sogar entspannt“ mit den Medien. Außer vielleicht  über seine Rastazöpfchen unter dem Stirnband. „Es ist viertel vor elf am Sonntag, ich habe keine Lust über meine Haare zu reden“, gab er da zurück.

Tatsächlich gibt es nach den bisherigen Turnierleistungen ja auch anderen Gesprächsstoff. Die Spiele der Niederlande waren in aller Regel unterhaltsam, aber das vor allem, weil sie bar jeder Kontrolle vonstatten gingen. Ohne den verletzten Barcelona-Star Frenkie de Jong ist das Mittelfeld die große Problemzone, sein erhoffter Ersatz Joey Veerman (PSV Eindhoven) enttäuscht und wurde gegen Österreich von Koeman schon nach 35 Minuten unter Tränen vom Platz genommen. Danach gab es vernichtende Kritiken, und man möchte sich kaum ausmalen, wie angespannt die letzten Tage erst verlaufen wären, hätte dem Gruppendritten nicht der schrullige Turniermodus gelacht. Rumänien, danach Österreich oder die Türkei und die Schweiz oder England: bei dieser Route ins Finale scheint plötzlich wieder alles möglich.

Memphis Depay ist ein Schlüsselspieler der Niederlande

„Eine Reise läuft nie perfekt“, sagte Depay und berichtet, dass die Mannschaft intern offen über die bisherigen Schwächen diskutiert habe. Er selbst habe sich da natürlich nicht ausgenommen. Memphis gilt als Schlüsselspieler der Ära Koeman, die Oranje ab 2018 aus dem internationalen Off zurück brachte, nach einer Unterbrechung durch die Übernahme des Trainerpostens beim FC Barcelona und dem Comeback 2023 aber noch nicht wieder den alten Schwung aufgenommen hat. So wie auch Depays eigene Karriere stagniert, seit er bei Barça ebenso scheiterte wie sein Mentor. Seit vorgestern ist er mit Ablauf seines Vertrags bei Atlético Madrid sogar offiziell vereinslos.

Koeman glaubt trotzdem weiter an den Stürmer, der an guten Tagen mit seiner Kreativität und Spiellust die Weltklasse streifen kann. „Memphis ist selbstkritisch und weiß, dass er besser werden muss“, so der Bondscoach. „Ich spüre sein Vertrauen und möchte es ihm zurückzahlen“ verspricht wiederum Depay. Zumindest mit der Meinung seines Trainers kann er offenbar immer noch etwas anfangen.

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