Hamburg. Präventionsbeamtin der Polizei Hamburg erklärt, wie skrupellose Betrüger alte Menschen ausnehmen wollen – und warum das gelingen kann.

Nutzen Betrüger künstliche Intellligenz, um Stimmen von Familienangehörigen bei Schockanrufen zu imitieren? „Nein“, heißt es dazu aus dem Landeskriminalamt. „Ich kann versichern, dass die Polizei Hamburg keinerlei Hinweise auf KI in all den Verfahren der sogenannten Schockanrufe hat“, sagt Frauke Hannes, die beim LKA für polizeiliche Kriminalprävention zuständig ist. Es sei zwar richtig, dass KI es möglich mache, Stimmen oder auch Bilder (fast) perfekt zu imitieren. „Aber speziell bei den Schockanrufen wäre der Aufwand für die Täter, spezielle potenzielle Opfer, deren Familienangehörige und darüber hinaus auch noch dessen Stimmproben herauszufinden, viel zu hoch“, so die Kriminalhauptkommissarin.

Hintergrund ist ein Fall kürzlich in Lohbrügge. „Das war ganz sicher die Stimme meiner Tochter, das klang verdammt echt.“ So erzählte es Bernd Homfeldt, der einen sogenannten Schockanruf bekommen hatte und glauben sollte, seine Tochter habe ein Kind überfahren. Betrüger hatten am Telefon Geld von ihm gefordert, angeblich als Kaution, um die Tochter aus der Untersuchungshaftanstalt zu holen. Der 71-Jährige ist überzeugt: „Die haben Hannas Stimme auf Instagram entdeckt und mit künstlicher Intelligenz nachgemacht.“

Polizei Hamburg: KI bei Schockanrufen? „Der Aufwand ist hier viel zu hoch“

Doch Frauke Hannes betont, dass bei dieser perfiden Form der Organisierten Kriminalität keine KI eingesetzt werde, das sei ein Gerücht: „Die Wahrheit ist, dass die Täter ihre potenziellen Opfer in der Regel einfach und schnell über Telefonregister und die dort eingetragenen Vornamen, die sich nach älteren Menschen anhören, auswählen. Jeden Werktag werden so je Anrufer geschätzt 50 bis 150 Personen angerufen – in der Hoffnung, jemanden zu erwischen, der auf diese Art der Anrufe reinfällt und sein gesamtes Vermögen in Form von Bargeld, Gold und Schmuck übergibt.“ Allein diese sehr einfache Auswahl potenzieller Opfer, verbunden mit der hohen Anzahl täglicher Anrufe, zeige, „dass der Aufwand, KI zu nutzen, in diesem Deliktsbereich viel zu hoch ist“, meint Frauke Hannes.

Frauke Hannes ist beim LKA für polizeiliche Kriminalprävention zuständig.
Frauke Hannes ist beim LKA für polizeiliche Kriminalprävention zuständig. © BGDZ | Jan Schubert

Sie möchte vermeiden, dass sich Senioren vor KI fürchten: „Man muss sie nicht schlecht machen. Aber in Verbindung mit Schockanrufen kriegen die Leute Panik davor.“ Hinzu komme, dass die Täter für ihre Anrufe überhaupt keine KI benötigten: „Da melden sich angebliche Töchter oder Söhne nicht mit ihrer ‚Alltagsstimme‘, die sofort wiedererkannt werden würde. Sondern die skrupellosen Anrufer weinen, jammern und/oder schreien vor Verzweiflung, weil sie angeblich gerade eine Person überfahren und zu Tode gebracht haben. Diese stimmliche Verzerrung, verbunden mit dem gleichzeitig aufkommenden erheblichen Schock, lässt die Angerufenen ohne Weiteres glauben, dass es sich um ihr Kind und demzufolge auch um dessen Stimme handelt.“

Polizei Hamburg: Betrüger setzen auf Schwerhörigkeit ihrer Opfer

Dass es sich am Telefon um die echte Tochter oder den echten Sohn gehandelt habe, hätten die Opfer überdies schon bei Anzeigenaufnahmen berichtet, lange bevor überhaupt KI eingesetzt wurde, erläutert die für Opferschutz zuständige Polizistin: „Die Annahme, die Stimme erkannt zu haben, liegt einerseits am Schock, der innerhalb von Sekunden die logische Beurteilungsfähigkeit außer Kraft setzen kann, und andererseits häufig auch an schon vorhandener Schwerhörigkeit, denn die überwiegende Anzahl der Opfer ist über 75 Jahre alt.“

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Im Übrigen, so die Expertin vom Landeskriminalamt, fielen nur etwa ein bis zwei Prozent der Angerufenen tatsächlich auf diese Masche herein. Wobei die Dunkelziffer wohl recht hoch sei, da sich offenbar viele Senioren schämen. „Aber die gut organisierten Täter, die oft im Ausland sitzen, haben sich explizit darauf spezialisiert, unsere älteren Mitbürger wie eine Weihnachtsgans auszunehmen.“