Hamburg. Dr. Peter Strate von der Asklepios Klinik Nord-Ochsenzoll hat zur Legalisierung und dem aktuellen Hype eine überraschende Meinung.

„Hilfe, mein Sohn kifft“ oder „Unsere Tochter probiert Lachgas – was jetzt?“ Elterliche Sorgen wie diese kennt Dr. Peter Strate, einer der renommiertesten Suchtmediziner in Hamburg und selbst dreifacher Vater, nur zu gut.

„Klar, Cannabis gehört nicht in die Hände von Kindern und Jugendlichen, und Lachgas ist gerade ein gefährlicher Trend auf den Schulhöfen. Wir können als Erwachsene mahnen und warnen, allerdings interessiert das Teenager dann oft auch nur begrenzt“, sagt der Chefarzt der Klinik für Abhängigkeitserkrankungen an der Asklepios Klinik Nord-Ochsenzoll.

Cannabis in Hamburg: Asklepios-Experte rät Eltern zu mehr Gelassenheit

Grundsätzlich rät der Experte Eltern zu etwas mehr Gelassenheit: „In einer aktuellen Befragung haben 88 Prozent der teilnehmenden Jugendlichen angegeben, gar kein Interesse an Drogen zu haben, übrigens auch nicht an Zigaretten und Alkohol.“ Dieses Ergebnis bedeute nicht, dass sie nicht dennoch mal neugierig eine Zigarette rauchen, ein Bier probieren oder an einem Joint ziehen.

„Das ist dann erst einmal das, was wir ‚Probierkonsum‘ nennen“, sagt der 58-jährige Chefarzt. „Und die allermeisten Menschen, die sich erstmalig vergiften, die mögen das nicht besonders und nehmen von selbst wieder Abstand davon. Denken Sie nur mal an den ersten Schluck schwarzen Kaffee oder das erste Stück Zartbitterschokolade. Hat auch nicht geschmeckt.“

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Kiffen, Lachgas, Zocken: Hamburger Suchtmediziner sagt, wie Sie ihre Kinder schützen

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Es sei auch nicht ganz richtig, dass die Cannabis-Konsumenten in Deutschland „immer jünger“ würden. „Im Gegenteil. Auch Alkohol und Zigaretten werden von Jugendlichen derzeit weniger konsumiert als noch von früheren Generationen. Mit Mitte 20 sieht das dann wieder ein bisschen anders aus“, sagt Dr. Peter Strate.

Hamburger Suchtexperte sieht das neue Cannabis-Gesetz „differenziert“

Die neue Gesetzeslage, wonach Erwachsene Cannabis seit 1. April in geringen Mengen besitzen und konsumieren dürfen, sieht der Experte differenziert: „Den Versuch der Entkriminalisierung finde ich gut. Andererseits gibt es berechtigte Argumente, den Konsum erst spät zu erlauben, denn das Gehirn ist erst ab 25 Jahren tatsächlich ausgereift, wie wir neurobiologisch wissen.“

Der Eimsbütteler Mediziner Dr. Peter Strate ist Chefarzt der Klinik für Abhängigkeitserkrankungen an der Asklepios Klinik Nord-Ochsenzoll.
Der Eimsbütteler Mediziner Dr. Peter Strate ist Chefarzt der Klinik für Abhängigkeitserkrankungen an der Asklepios Klinik Nord-Ochsenzoll. © FUNKE Foto Services | Michael Rauhe

Doch wann ist es ein Joint zu viel, wann gibt es berechtigten Anlass zur Sorge? „Na ja, wenn Ihr Kind gerötete Augen hat, antriebslos ist, nicht mehr zur Schule geht – dann wird konsumiert, und es besteht selbstverständlich Handlungsbedarf.“ Aus seiner Erfahrung spielten bei einem ständigen Konsum oft psychische Nöte eine entscheidende Rolle. „Diese Nöte gibt es natürlich, im Leben grundsätzlich und insbesondere in der Pubertät. Über diese Ursachen muss man sprechen.“

Suchtexperte aus Hamburg: Eltern sollten früh mit Kindern über Drogen sprechen

Im Idealfall, so der Experte, setze man sich mit den Kindern über das Thema Drogen auseinander, ehe es zum ersten Konsum komme. „Vielleicht fragt man: Hast du das schon mal gesehen? Weißt du, was das mit einem macht?“ Das helfe, schütze aber auch nicht in jedem Fall: „Hängt immer von der jeweiligen Persönlichkeit und vom Freundeskreis ab. Wir können als Eltern leider nicht vor allen unliebsamen Erfahrungen schützen“, sagt der Eimsbütteler.

Bevor man sich an die Drogen- und Suchtberatungsstellen in Hamburg wende („Mich kann man in der Klinik auch immer anrufen und um einen Termin bitten“), sei es manchmal ratsam, Vertrauenspersonen dazuzuholen: „Vielleicht gibt es einen Patenonkel, der positiven Einfluss hat. Vielleicht spricht der Fußballtrainer mal mit Ihrem Sohn. Oder vielleicht gibt es einen etwas älteren Jungen aus der Nachbarschaft, der sagt: Mensch, lass den Mist.“

Computerspiele sind nicht immer nur Fluch – wenn Kinder zusammen spielen

Die Eltern seien von Anfang an ein Vorbild. „Natürlich haben wir alle Fehler und dürfen auch bitte alle das Leben genießen. Aber wenn Sie abends vor den Kindern regelmäßig ein Glas Wein trinken, gehört Alkohol selbstverständlicher zu deren Alltagserleben dazu. Wenn Sie rauchen, ist die Wahrscheinlichkeit, dass Ihr Kind irgendwann Zigaretten ausprobiert, höher. Wenn Sie auf dem Sofa abhängen und daddeln, können Sie Ihrem Teenager nicht vorwerfen, dass der es auch so macht.“

Computerspiele seien jedoch auch nicht nur Fluch: „Wenn die Kinder gemeinsam spielen, ist das wieder was anderes, als wenn sich einer sozial zurückzieht und nur noch für sich ist.“

Lachgas ist in Hamburg ein Hype – größte Probleme machen Heroin und Kokain

Und was ist mit Lachgas? „Das ist leider in vielen Supermärkten und Kiosken erhältlich. Und ja, es ist gerade ein Hype, eine Modeerscheinung“, sagt der Suchtexperte. Man müsse selbstverständlich bitte auf die Gefahren hinweisen: „Man kann davon ohnmächtig werden, sich heftige Erfrierungen zuziehen, die Lunge schädigen.“ Andererseits gebe es Lachgas „schon ewig“: „Und es ist jetzt auch nicht so, als hätte es ganze Generationen aus der Bahn geworfen.“

In Hamburg machten nach wie vor Kokain und Heroin die größten Probleme. „In meinem klinischen Alltag sehe ich dann Patienten, die durch den Konsum Psychosen entwickelt haben, die einfach mit ihrem Leben nicht mehr klarkommen.“

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Eltern gibt der Experte vor allem einen Rat: „Nicht nur auf diese viel zitierte Quality Time setzen, also viel Erlebnis in kurzer Zeit. Quantity Time ist mindestens so wichtig: Für die Kinder da sein, reden und in der Familie eine Atmosphäre schaffen, in der sich alle wohlfühlen.“