Hamburg. Ernährungswissenschaftlerin von Asklepios warnt vor Diäten aus dem Netz. Worauf Patienten beim Essen achten sollten – und warum.

Diagnose Krebs – ein Schock, der bei den Betroffenen viele Fragen aufwirft. Manchmal auch diese hier: Was kann ich essen, um die Heilung zu beeinflussen? „Eine ausgewogene Ernährung spielt insbesondere bei einer Krebserkrankung eine ganz wichtige Rolle“, sagt Cordula Ruch. Die promovierte Ökotrophologin berät Patienten am Asklepios Klinikum Harburg, arbeitet seit mehr als 20 Jahren als Ernährungsexpertin.

Bis zu 85 Prozent der Betroffenen gelten, wenn die Krebsdiagnose gestellt wird, als „mangelernährt“. „Das heißt, es fehlt dem Körper zum Beispiel an Eiweiß, an Mikronährstoffen, an Vitaminen“, sagt die Expertin. „Gleichzeitig kann der Patient sogar übergewichtig sein. Adipositas, also ein hoher Fettanteil, schließt nämlich nicht aus, dass entscheidende Stoffe fehlen.“

Krankenhaus Hamburg: Expertin fordert Ernährungstherapie bei Krebs

Seit Jahren werde das Thema Mangelernährung bei Krebs öffentlich immer wieder thematisiert, zuletzt auf dem Kongress der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin in Leipzig. „Was wir aber dringend brauchen und über die Jahre noch nicht etabliert haben, ist eine begleitende, individuelle Ernährungstherapie während der onkologischen Behandlung“, sagt die Hamburger Ernährungswissenschaftlerin.

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Krebs: Wie die richtige Ernährung helfen kann

Die digitale Sprechstunde vom Hamburger Abendblatt und Asklepios

Der individuelle Zuschnitt sei wichtig, weil Krebs eben nicht gleich Krebs sei: „Es macht natürlich einen Unterschied, ob eine Brustkrebserkrankung vorliegt oder ob der Magen-Darm-Trakt betroffen ist.“ Vorbildlich sei, wenn man ganz unabhängig von einer Erkrankung auf eine ausgewogene Ernährung achte, sich beispielsweise an der sogenannten mediterranen Diät (viel Fisch, Gemüse, kalt gepresste Öle) orientiere. Es gehe darum, dass der Bedarf an Makro- und Mikronährstoffen gedeckt sei. Ein gesunder Körper sei natürlich auch auf eine Belastung wie eine begleitende Chemotherapie oder Immuntherapie besser vorbereitet.

Hamburger Ernährungsexpertin erlebt Vorurteile: „Gemüse ist doch Hühnerfutter!“

„Manchmal bin ich verwundert“, sagt die Expertin. „Wir betanken unser Auto mit dem richtigen Benzin, kaufen für unsere Pflanzen spezielle Erde. Nur in unseren Körper stopfen wir teils wahllos hinein, was satt macht.“

Cordula Ruch ist promovierte Ökotrophologin und arbeitet am Asklepios Klinikum Harburg in Hamburg.
Cordula Ruch ist promovierte Ökotrophologin und arbeitet am Asklepios Klinikum Harburg in Hamburg. © FUNKE Foto Services | Thorsten Ahlf

In ihrer Beratung erhebe sie erst einmal, wie sich ihre Patienten ernähren. „Da kommen dann auch mal ganz tradierte Vorurteile auf den Tisch, nach dem Motto: Gemüse ist doch Hühnerfutter! Und wieso fehlt mir Eiweiß, ich esse doch täglich ein Schnitzel.“ Von Verboten halte sie nichts, sagt Cordula Ruch, die selbst leidenschaftlich gern kocht. „Ich appelliere an die Vernunft und hoffe, dass der Patient seine Ernährungsweise etwas umstellt, vielleicht auch mal zwischendurch in einen Apfel beißt.“

Krankenhaus Hamburg: Ernährungsumstellung vor OP kann positiven Effekt haben

Es müsse aber in den Alltag des Betroffenen passen: „Einem Arbeiter, der acht Stunden im Bauch eines Schiffes unterwegs ist, kann ich jetzt schlecht zu drei kleinen Zwischenmahlzeiten über Tag raten.“

Wer nur knapp zwei Wochen vor einer geplanten Operation, in der die Chirurgen einen Tumor entfernen, seine Ernährung verbessere, erhöhe die Chance, dass er oder sie den Eingriff besser übersteht. „Bei einem Eingriff entstehen Wunden, das ist nun mal so. Und die heilen besser, wenn der Körper ausreichend Kraft und Material zur Verfügung hat.“

Hamburger Expertin warnt vor „Krebsdiäten“ aus dem Internet

Sich eigenmächtig eine „Krebsdiät“, wie sie leicht im Internet zu finden ist, zu verschreiben, hält die Expertin für gefährlich: „Fragen Sie bitte vorher Ihren Arzt und Fachleute. Nicht jede Kur oder Diät, hinter der ein vermeintlich bekannter Name steht, ist sinnvoll.“ Ebenso sei es ein Mythos, dass Grüntee Krebszellen „zerbrechen“ lasse. „Das findet man alles im Netz, und ich verstehe, dass man jeden Strohhalm greift. Aber so einfach lassen sich Tumorzellen nicht zerstören.“

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Sich auch nach überstandener Krebstherapie weiterhin um seine Ernährung zu kümmern, sei ratsam: „Während einer Behandlung bitte nie an Gewicht verlieren. Aber danach kann man schon schauen, ob man Übergewicht reduziert und sich aufmerksamer ernährt.“