Berlin. Parkinson, Schlaganfall, Alzheimer: Die Experten der Deutschen Hirnstiftung haben Ihre Fragen zu schweren Erkrankungen beantwortet.

Viele schwere Krankheiten wie Alzheimer, Parkinson oder Schlaganfall beginnen im Gehirn. Auch Schmerzen und andere Symptome wie Schwindel oder Taubheit finden hier ihren Anfang. Schwere Krankheiten, die das Leben der Betroffenen stark beeinflussen.

Deshalb hat diese Redaktion gemeinsam mit der Deutschen Hirnstiftung das Format „Die Hirn-Docs“ ins Leben gerufen, bei der Top-Neurologen die eingesendeten Fragen der Leserinnen und Leser beantworten. In diesem Teil gibt Professor Dr. Götz Thomalla vom Uniklinikum Hamburg Eppendorf, spezialisiert auf das Thema Schlaganfall, Antworten auf einige der wichtigsten Fragen.

Mit 25 Jahren erlitt ich einen Schlaganfall. Heute, mit 59, habe ich manchmal noch spontane „Missempfindungen mit Taubheitsgefühl im linken Bein“, stolpere über kleine Unebenheiten und habe bei Stress Wortfindungsstörungen. Meine Lebensweise ist aktiv, ich ernähre und bewege mich bewusst, bin sozial engagiert und habe eine positive Lebenseinstellung. Was kann ich tun, um einen erneuten Schlaganfall zu verhindern?

Götz Thomalla: Offensichtlich tun Sie bereits vieles, was man tun kann. Da Sie eine gesunde Lebensweise angenommen haben, werden Sie wahrscheinlich auch nicht rauchen, viel Alkohol trinken oder haben viel Übergewicht. Wichtig ist zusätzlich die konsequente Umsetzung der medizinischen Empfehlungen. Falls Ihre Ärztin/Ihr Arzt Ihnen also Blutdrucksenker oder Blutdruckverdünner verschrieben hat, sollten Sie die Medikamente auch wie verordnet einnehmen. Dann tun Sie bereits alles in Ihrer Macht Stehende – und der Erfolg gibt Ihnen recht! Schließlich liegt Ihr Schlaganfall bereits 34 Jahre zurück.

Missempfindungen in den Beinen, auch Wortfindungsstörungen sind typische Schlaganfallfolgen, die sich bei einem Teil der Betroffenen nie ganz zurückbilden. Man kann versuchen, mithilfe von Logopädie und Physiotherapie eine Verbesserung herbeizuführen, allerdings sind die Aussichten auf Erfolg nach so langer Zeit gering.

Ich bin 88 Jahre alt, hatte inzwischen drei Schlaganfälle und sitze im Rollstuhl. Für den „Erhalt“ der Beweglichkeit mache ich „Hocker-Gymnastik“. Meine Darmaktivität ist eingeschränkt, ich leide an massiver Verstopfung. Gibt es eine Maßnahme oder ein Medikament, das die Darmtätigkeit spürbar verbessert?

Thomalla: Wenn durch einen Schlaganfall die an der Verdauung beteiligten Nerven betroffen sind, kann es zu schweren chronischen Verstopfungen kommen, die sich noch verschlimmern, wenn die körperliche Aktivität abnimmt. Das passiert oft automatisch, wenn man auf einen Rollstuhl angewiesen ist. Sie machen es richtig, wenn Sie Gymnastik machen.

Versuchen Sie auch, regelmäßig Ausdauersport zu treiben, z. B. Schwimmen oder Handbiking. Auch Schwimmen ist trotz Rollstuhlpflichtigkeit möglich, der Deutsche Rollstuhl-Sportverband e.V. (DRS) gibt umfassende Informationen. Ansonsten bleibt nur zu empfehlen, die Ernährung konsequent umzustellen auf eine ballaststoffreiche Kost und auf eine ausreichend hohe Trinkmenge zu achten. Auch Abführmittel können helfen.

Prof. Dr. Götz Thomalla ist Fachbeirat der Deutschen Hirnstiftung.
Prof. Dr. Götz Thomalla ist Fachbeirat der Deutschen Hirnstiftung. © zrb (montage) | UKE; istock

Ich hatte im März 2022 einen Schlaganfall. Der behandelnde Arzt hatte mir das Blutgerinnsel in meinem Kopf gezeigt. Nach meiner Entlassung aus dem Krankenhaus bin ich unsicher geworden, weil ich unterschiedliche ärztliche Meinungen gehört habe. Was davon stimmt denn nun? Arzt 1 sagte: Das Blutgerinnsel bleibt. Arzt 2 sagte, dass das Blutgerinnsel verschwindet. Arzt 3 sagte, dass das Blutgerinnsel sich auflöst.

Thomalla: Es mag Ihnen komisch vorkommen, aber letztlich spielt die Beantwortung dieser Frage keine wesentliche Rolle. Entscheidend ist, ob sich das Blutgerinnsel, welches ein Gefäß verstopft, innerhalb der ersten Stunden spontan oder unter Behandlung auflöst bzw. entfernt wird. Dann lässt sich häufig eine größere Schädigung vermeiden. Wenn das entsprechende Gefäß erst einmal für längere Zeit verschlossen ist, spielt es keine Rolle, ob es sich doch noch einmal nach einigen Tagen wieder öffnet. Der Schaden ist entstanden, und für die Erholung vom Schlaganfall spielen andere Faktoren eine Rolle. Bei größeren Arterien kann beides passieren, dass die Gefäße dauerhaft verschlossen bleiben, oder dass sie sich im Verlauf wieder öffnen.

Prävention: Lohnt sich eine Kontrolle der Halsgefäße?

Mich interessieren die Präventionsmaßnahmen. Wenn alle regulären Maßnahmen wie aufgeführt bereits erfolgt sind: Wie stehen Sie zur regelmäßigen Kontrolle der Halsgefäße?

Thomalla: Wenn eine relevante Atherosklerose besteht, wie sie häufig bei Menschen mit Schlaganfall zu finden ist, dann kann eine regelmäßige Ultraschalluntersuchung der Halsschlagadern (Arteria carotis) eine sehr sinnvolle Maßnahme sein. Dies ist insbesondere der Fall, wenn in der anfänglichen Untersuchungen Verdickungen oder Plaques im Bereich der Halsschlagader festgestellt wurden. Mit der Ultraschalluntersuchung lässt sich schnell und schmerzlos kontrollieren, ob die bestehenden Veränderungen in den Halsschlagadern stabil bleiben oder zunehmen und vielleicht irgendwann eine gefährliche Verengung verursachen.

Hier ist zum Beispiel eine jährliche Kontrolle mittels Ultraschall sinnvoll. Auch darüber hinaus bieten der Ultraschall der Halsschlagader gewissermaßen ein „Fenster“ in den Zustand der Gefäße im Körper, und es lässt sich hier beispielhaft der Status der Atherosklerose ausmessen und damit der Effekt einer entsprechenden Behandlung mit Senkung der Risikofaktoren kontrollieren.

Meine Frau leidet nach einem Schlaganfall an Depressionen. Trotz mehrerer Klinikaufenthalte und verschiedener Antidepressiva ist keine erkennbare positive Veränderung festzustellen. Wie sollte man damit umgehen?

Thomalla: In Folge eines Schlaganfalls können nicht nur Aufmerksamkeit und Konzentration, Sprache und Gedächtnis beeinträchtigt bleiben, sondern auch das emotionale Erleben. Unbehandelt können solche neuropsychologischen Störungen den Erfolg einer Behandlung der Depression schmälern, Antidepressiva schlagen dann gar nicht an. Wichtig ist dann eine neuropsychologische Untersuchung und Therapie. (Weitere Infos: https://hirnstiftung.org/2022/06/depression-nach-schlaganfall/)

Medikamente: Was hilft wirklich gegen Schlaganfälle?

Ich bin im Fernsehen auf ein tibetanisches Medikament namens Padma 28 aufmerksam geworden. Studien zufolge baut es aktiv Plaques ab und verbessert die Fließeigenschaften des Blutes in den Arterien. Wie schätzen Sie das ein?

Thomalla: Es handelt sich um ein Nahrungsergänzungsmittel, das die Durchblutung fördern soll. Es ist kein klinisch geprüftes Medikament mit Wirksamkeitsnachweis. Ich empfehle es meinen Patientinnen und Patienten daher nicht. Einen nachgewiesenen Effekt auf die Durchblutung und die Gefäßgesundheit hat hingegen regelmäßiger Sport, den ich jedem ans Herz lege. Dann brauchen Sie auch keine zusätzlichen Medikamente. Etwas Besseres als Sport können Sie für die Gesundheit Ihrer Gefäße nicht tun – und Laufen oder Walken kostet auch nichts!

Ihre Frage wurde nicht beantwortet? Dann haben Sie die Möglichkeit, Ihr Anliegen bei der telefonischen Sprechstunde der Deutschen Hirnstiftung einzureichen. Jeden Montag (14 bis 18 Uhr) und Mittwoch (10 bis 14 Uhr) können Sie dort unter der Rufnummer 030/ 531437935 (kostenfrei, es fallen die normalen Telefongebühren Ihres Betreibers an) Ihre Anfragen stellen. Alternativ können Sie Ihr Anliegen auch schriftlich unter https://hirnstiftung.org/beratung/ einreichen. Wichtig: Diese Beratung ersetzt keine ärztliche Behandlung!

Hilft bei einem vermuteten Schlaganfall im eigenen Heim als erster Schritt die Einnahme von Blutverdünnern (ASS)?

Thomalla: Bei einem vermuteten Schlaganfall sollte zügig eine Abklärung erfolgen. Nicht ohne Absprache mit einem Arzt Medikamente einnehmen, sondern bei Verdacht auf Schlaganfall sofort den Notarztwagen rufen! Hat ein kleiner Schlaganfall bzw. „Mini-Schlaganfall“ (ein sog. TIA) stattgefunden, der offensichtlich folgenfrei blieb, ist die Blutverdünnung die Therapie der Wahl, um Folgeschlaganfällen vorzubeugen.

Ein Freund hatte mit fast 70 Jahren einen Schlaganfall. Das Sprachzentrum ist so geschädigt, dass er nur Laute von sich geben, aber nicht sprechen kann. Im Krankenhaus wurde sofort die Lyse eingeleitet. Hätte eine Thrombektomie (Entfernung des Blutgerinnsels) geholfen, um die Sprache wiederzugewinnen? Kann es noch zu einer Regeneration des geschädigten Hirnareals kommen?

Thomalla: Entscheidend, ob Folgen nach einem Schlaganfall bleiben und wie stark ausgeprägt sie sind, ist die Zeit, die bis zur Behandlung vergeht. Man sagt auch „time is brain“ (Zeit ist Gehirn). Je mehr Zeit vergeht, bis die Durchblutung des Hirnareals durch eine Schlaganfalltherapie wieder herstellt wird, desto wahrscheinliche werden schwere Folgeschäden. Wenn das Gerinnsel, das bei ihrem Freund den Schlaganfall ausgelöst hat, durch die Lyse aufgelöst wurde, hätte eine Thrombektomie zum gleichen Zeitpunkt auch nicht zu einem besseren Therapieergebnis geführt. Es kommt nicht darauf an, wie das Gerinnsel verschwindet (ob durch eine mechanische Entfernung oder medikamentöse Auflösung), sondern wann.

Im Oktober 2020 habe ich einen Schlaganfall erlitten, die Folgen schränken mich erheblich ein. Bis heute bewegt mich die Frage, warum ich diesen Schlaganfall erlitten habe. Ich habe nie geraucht, keinen Alkohol getrunken und mich sportlich betätigt. Woran könnte es gelegen haben?

Thomalla: Es ist frustrierend, dass Sie trotz einer gesunden Lebensweise einen Schlaganfall erlitten haben. Leider kommt das immer wieder auch vor, z. B. weil man genetisch vorbelastet ist. Dennoch ist es wichtig, den gesunden Lebensstil beizubehalten und alle „Stellschrauben“ zu nutzen, um einen Zweitschlaganfall zu verhindern. Bleiben Sie weiterhin in Bewegung und ernähren Sie sich gesund. Nehmen Sie Ihre Medikamente wie verordnet ein, Blutverdünner oder bei Bedarf auch Blutdruck- oder Lipidsenker. Sie senken damit erheblich Ihr Risiko für einen weiteren Schlaganfall.

Seit vielen Jahren habe ich immer wieder plötzlich auftretende Sehstörungen, die mich sehr verunsichern. Anschließend beginnen Kopfschmerzen, die häufig einen ganzen Tag anhalten. Ich habe Angst, dass ich schlaganfallgefährdet sein könnte. Sollte ich einen Neurologen aufsuchen?

Thomalla: Ja, ich rate zu einer neurologischen Untersuchung. Die beschriebenen Symptome könne bei sogenannten Mini-Schlaganfällen (TIA) auftreten, aber ebenso bei Kopfschmerzerkrankungen oder Bluthochdruck. Das sollten Sie abklären lassen.