Die Kammer wies die Berufung der Hertha gegen das Urteil des DFB-Sportgerichts zurück. Hertha BSC lässt weitere Schritte offen.

Frankfurt. Hertha BSC Berlin hat binnen fünf Tagen die zweite bittere Niederlage am Grünen Tisch kassiert und muss sich wohl langsam mit dem Bundesliga-Abstieg abfinden: Das Bundesgericht des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) wies am Freitag trotz eines Otto Rehhagel in Höchstform den Einspruch der Berliner gegen die Spielwertung des Relegationsrückspiels bei Fortuna Düsseldorf (2:2) ab. Nach einer zehnstündigen Verhandlung bestätigte das dreiköpfige Gremium unter Vorsitz des extra aus dem Spanien-Urlaub angereisten Goetz Eilers in zweiter Instanz die Entscheidung des DFB-Sportgerichts vom vergangenen Montag.

„Eine psychische Schwächung konnte nicht erwiesen werden. Eine physische Schwächung lag nicht vor. Es gab kein einheitliches Bild allgemeiner Angst“, sagte Eilers nach rund 80-minütiger Beratung in seiner Urteilsbegründung.

Die Hertha ist damit nach dem 1:2 im Hinspiel aus der Bundesliga abgestiegen. Allerdings besteht für die Berliner noch die Möglichkeit, das Ständig Neutrale Schiedsgericht des DFB anzurufen. Selbst ein Gang vor den Internationalen Sportgerichtshof CAS ist danach theoretisch noch möglich.

„Wir sind über das Urteil enttäuscht. Die Entscheidung, wie es weiter geht, werden wir heute Abend nicht mehr treffen. Wir werden uns in Ruhe am Samstag mit unserem Anwalt (Christoph Schickhardt, d.Red.) beraten“, sagte Hertha-Präsident Werner Gegenbauer.

Herthas scheidender Trainer Otto Rehhagel hatte mit einem höchst emotionalen Auftritt vergeblich um ein Wiederholungsspiel gekämpft. „Das war ein Ausnahmezustand, wie ich ihn zuvor noch nie erlebt habe in 40 Jahren als Trainer. Selbst in Griechenland nicht. Als es zum Platzsturm kam, habe ich gedacht, 'Otto, jetzt wird es gefährlich'“, sagte der 73-Jährige.

Während der 21-minütigen Unterbrechung herrschte in der Berliner Kabine Ausnahmezustand: „Die Spieler waren paralysiert. Das war ein chaotischer Zustand, unsere Südamerikaner hatten Angst.“ Das bestätigte auch sein Co-Trainer Ante Covic: „Die drei Südamerikaner Raffael, Ronny und Ramos haben während der Unterbrechung in der Kabine Tränen in den Augen gehabt.“

„Ich hatte Angst um meine Familie, die sich im Stadion aufhielt“, sagte Hertha-Spielmacher Raffael, dessen Frau, beide Kinder und eine Nichte auf der Tribüne saßen. Er bestätigte auch die Tränen bei sich und seinem Bruder Ronny. Hertha-Keeper Thomas Kraft hatte zuvor berichtet, dass er bei der rund eineinhalbminütigen Fortsetzung nach der Unterbrechung ein „Gefährdungspotenzial“ gespürt habe. „Ich habe nur gedacht, was passiert, wenn wir hier das dritte Tor schießen“, berichtete Kraft.

„König Otto“ sagte aus, dass bereits ab der 85. Minute „Ordner, Kinder, Mütter und wildfremde Menschen“ um ihn herum in der Coaching Zone gestanden hätten. „Ich hatte deshalb keinen Einfluss mehr auf meine Mannschaft. Und so etwas darf nicht sein“, sagte Rehhagel. Das Chaos habe sich angedeutet. „Eine Frau hat gesagt, 'Otto, nimm' es nicht so tragisch'.“

Berlins Anwalt Christoph Schickhardt sprach in seinem Plädoyer von einem „Totalschaden für den deutschen Fußball“, der im Gedächtnis bleiben werde: „Entweder als Synonym für die Umkehr. Oder als Synonym für die Verharmlosung, als Erinnerung an den ersten Fall in einer Reihe von schlimmen Vorfällen. Wir sind am Scheideweg des Fußballs“, sagte der 57-Jährige.

Schickhardt monierte neben der außer Kraft gesetzten Spielordnung vor allen Dingen die „Schwächung“ der angeblich verängstigten Hertha-Profis durch den Platzsturm. Aber auch die scheinbar nicht mehr mögliche Kommunikation zwischen Rehhagel und seinem Team wegen der angeblich überfüllten Coaching Zone.

Vor Rehhhagel hatte Schiedsrichter Wolfgang Stark aus Ergolding erklärt, dass er das Fehlen von Eckfahnen und des Elfmeterpunktes „nicht mitbekommen“ habe. „Wir haben davor nur zwei kleine Löcher in der Nähe der Mittellinie gesehen. Wir haben nicht mitbekommen, dass Eckfahnen und der Elfmeterpunkt fehlten. Wenn wir es gemerkt hätten, hätten wir den Platzwart auffordern müssen, für Ersatz zu sorgen“, sagte Stark am Freitag, betonte aber: „Es bestand keine Verletzungsgefahr.“

Stark sagte zudem, dass er beim Platzsturm der Fortuna-Anhänger „keine Angst“ gehabt habe, „dass die Zuschauer mir etwas tun“. Stark erklärte aber erneut, dass das Schiedsrichter-Team nach der Partie von Berliner Spielern „mehrfach körperlich und mit Worten angegriffen“ worden sei. Außerdem hätten die Hertha-Akteure „gewaltsam“ in die Kabine der Referees eindringen wollen.

Im Gegensatz zur Verhandlung vor dem Sportgericht ließ Bundesrichter Eilers am Freitag in Frankfurt Foto- und Videomaterial zu. Damit wollte Schickhardt beweisen, dass es sich nicht um einen „positiv besetzten Platzsturm“ der Fortuna-Fans gehandelt habe, wie es der Sportgerichts-Vorsitzende Hans E. Lorenz am Montag in seinem Urteilsspruch behauptet hatte.